KAZ-Fraktion: „Ausrichtung Kommunismus”
Wir wissen, dass die Kapitalisten grundsätzlich gegen Streiks sind und es ist die Stärke der Arbeiterbewegung, dass sie mit Streikenden über lokale und nationale Grenzen hinweg Solidarität übt. Von daher sollten alle Alarmglocken zu läuten beginnen, wenn die Kapitalisten in den von ihnen beeinflussten Medien auf einmal Streiks enthusiastisch begrüßen. Das kommt gelegentlich vor, wenn es sich um Streiks bei Konkurrenten handelt, denen auch sonst die Pest an den Hals gewünscht wird. Und es kommt häufiger vor bei Streiks in sozialistischen Ländern – natürlich nur wenn es sich nicht um einen Streik bei einer eigenen Tochterunternehmung handelt. Wie reagierten deutsche Gewerkschaftsführungen in solchen Fällen in der Vergangenheit und wie werden sie in Zukunft agieren?
In der KAZ 362 schrieben wir:
„Der Druck von außen allein kann nicht reichen, um ein Land wie China von seinem sozialistischen Weg abzubringen. Er kann im Gegenteil das Volk weiter zusammenschließen gegen den imperialistischen Feind; bei Schwäche der KP kann es aber auch zu Verarmung, Demoralisierung und Verzweiflung führen. Das ist der Nährboden, auf dem dann die innere Unzufriedenheit geschürt werden kann. Dazu brauchen die imperialistischen Mächte mit dem USA-Imperialismus an der Spitze organisatorische Stützpunkte, um Massenproteste bis hin zu bewaffneten Auseinandersetzungen provozieren und dirigieren zu können. Das hat z.B. in Polen mit dem imperialistischen Sturmtrupp unter der Flagge ‚Solidarność’ gut funktioniert. Damals gelang es dem USA-Imperialismus, in Abstimmung mit dem deutschen Imperialismus, mit Hilfe der katholischen Kirche und im Zeichen einer sog. Gewerkschaft, die angeblich Arbeiterinteressen vertritt, die polnische Arbeiterklasse zu desorientieren und vom sozialistischen Weg abzubringen.“
Dazu gab es einige Nachfragen, die wir gerne beantworten möchten:
NSZZ Solidarność (deutch: Unabhängiger Selbstverwalteter Gewerkschaftsbund „Solidarität“), wurde am 17. September 1980 gegründet. Die Gründung wurde durch ein von der Regierung unterzeichnetes Abkommen ermöglicht, so dass über 20 Komitees von „freien Gewerkschaften“ zur NSZZ Solidarność fusionierten. Die Mitgliederzahl erreichte im September 1981 10 Millionen Mitglieder, was ein Drittel der gesamten polnischen Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter darstellte.
Viele Faktoren bildeten die Ursache für die Gründung der Solidarność:
Die Schwäche der PVAP (Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei/Polska Zjednoczona Partia Robotnicza), die sich schon in den 1950ger Jahren äußerte: Ein größer werdender Teil der PVAP, der mit Unterstützung Chruschtschows zum „Nationalkommunismus“ nach dem Vorbild Titos tendierte, sorgte dafür, dass die katholische Kirche immer mehr Einfluss gewann. Ein ausschlaggebender Beitrag hierzu war die Konservierung der rückständigen Agrarstrukturen und Erhaltung der kleinbäuerlichen Subsistenzwirtschaft. Das war der Boden, auf dem nicht nur materielles, sondern auch geistiges Elend wuchs, gepaart mit anarchistischen Ausbrüchen des Volkszorns.
Diese Seite der polnischen Entwicklung traf auf die in der jungen Volksdemokratie gewachsene Arbeiterklasse, die in solchen neugeschaffenen Industriezentren wie Nowa Huta (unweit von Kraków) ihr eigenes Selbstbewusstsein entwickelte.[1] Die Arbeiterklasse erweiterte sich aus den Reihen der Bauern. Wird aber die Arbeiterklasse ihres Selbstbewusstseins durch ideologische Diversanten auf dem Boden des Chruschtschow-Revisionismus beraubt, verliert sie die Kraft, um die neuen Kollegen aus den Reihen der Bauernschaft für den Sozialismus zu gewinnen.
Auf diesem so vorbereiteten Boden gewann in den 1970er Jahren die katholische Kirche mit dem Krakauer Erzbischof Wojtila an der Spitze wieder an Ansehen und politischer Macht. Schnell hatte nicht nur die katholische Kirche im Vatikan sowie in der BRD und den USA, sondern die imperialistischen Mächte selbst Wojtilas Potenzial als möglicher Rammbock gegen das sozialistische Lager erkannt. 1978 wird er zum Papst gewählt.
Ab 1973 hatten sich die wirtschaftlichen Schwierigkeiten in Polen vermehrt, Polen verschuldete sich mehr und mehr im imperialistischen Ausland und lieferte sich so dem Druck der westlichen Großbanken („Pariser Club“) aus. Die Konterrevolutionäre witterten Morgenluft. In den 1970er Jahren erhöhte die polnische Regierung die Lebensmittelpreise, während die Löhne stagnierten. Diese und andere Spannungen führten zu den Protesten im Juni 1976 und dem anschließenden harten Vorgehen der Regierung gegen abweichende Meinungen. 1979 schrumpfte die polnische Wirtschaft erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg um 2 Prozent. Die Auslandsschulden erreichten bis 1980 rund 18 Milliarden Dollar. Zur Zahlung von Zins und Tilgung wurden den polnischen Werktätigen weitere Sparprogramme aufgebürdet.
Den Streiks 1980 u.a. auf der Gdansker Lenin-Werft war 1977 der Triumph der katholischen Kirche unter Führung von Kardinal Wojtila in Nowa Huta vorausgegangen. Symbolträchtig war in der Arbeiterstadt eine Riesenkirche und ein 70 Meter hohes Kreuzes errichtet worden. Der mittlerweile Papst Johannes Paul II. gewordene Wojtila nutzt dann seinen Antrittsbesuch in Polen zu Massenkundgebungen, auf denen hunderttausende ihm zujubeln. In einer wirtschaftlich und zunehmend politisch angespannten Lage greift er – kaum verbrämt durch sein „Hirtenamt“ – den Warschauer Vertrag an, die Staatsmacht und den Marxismus. Auf dieser Welle wird 1980 die Solidarność gegründet. Die Streiks von 1980 hatten schließlich auch eine Führungsfigur hervorgebracht, um die sich Massen scharen konnten, Lech Wałęsa[2]. Der Führer der Streiks, der Antikommunist und Rechts-Katholik Wałęsa, der täglich zur Beichte geht, reist nach Italien zum Vatikan, um sich weitere Instruktionen zu holen. Im Hintergrund wirken bereits seit 1976 vom imperialistischen Ausland finanzierte Wühlorganisationen – heute würde man sagen; NGOs (Nicht-Regierungsorganisationen) wie KOR (ursprünglich „Komitee zur Verteidigung der Arbeiter“!!, die sich u.a. auf den polnischen Diktator aus der Zwischenkriegszeit Pilsudski beriefen) und ROPCIO (letztere vor allem als Zulieferer für den Menschenrechtsimperialismus und seine Gräuelpropaganda). Als ideologischer Inspirator von Solidarność gilt der Philosoph Leszek Kołakowski, der unter der Flagge des Antistalinismus und unter Berufung auf Marx für die Aussöhnung von Linken mit dem Christentum plädiert. Die Solidarność breitet sich über ganz Polen aus und gewinnt bis 1981 10 Millionen Mitglieder. Sie schaltet und waltet zunehmend in den Betrieben. Das Wirtschaftsleben wird weitgehend lahmgelegt. Unter ihrem Deckmantel werden Funktionäre der PVAP und andere Gegner verfolgt, gedemütigt. Auch Morde soll es zahlreich gegeben haben – bis heute nicht aufgeklärt. Solidarność sieht sich nunmehr nicht mehr als Gewerkschaft, sondern als „soziale Bewegung“, die „revolutionär“ für eine „selbstverwaltete Republik“ kämpfen will. Und zum Sturz des Sozialismus bietet die Konterrevolution schließlich ihr ganzes Wunschkonzert von „freedom and democracy“ auf.
Gegen die Generalstreiksdrohungen verhängt General Jaruzelski, Ministerpräsident und Verteidigungsminister, im Dezember 1981 das Kriegsrecht über Polen und verbietet die Solidarność. Die führenden Köpfe der Gewerkschaft werden interniert. Am 8. Oktober 1982 wird die Solidarność durch ein neues Gewerkschaftsgesetz endgültig verboten.
Somit konnte sie vorläufig nur im Untergrund weiter existieren. Doch inzwischen war die Gewerkschaft, oder wohl richtiger der katholische Arbeiterverein, Solidarność im Inneren so verankert und international so gut vernetzt und „gefüttert“, dass der zeitweilige Rückzug nur zur Neuaufstellung für den Endkampf diente. Vor dem Hintergrund der Entwicklung in der UdSSR unter Gorbatschow (Generalsekretär der KPdSU seit 1985), der zu „Umbau“ (Perestroika) und „Öffnung“ (Glasnost) aufrief, trat die Solidarność halblegal wieder stärker in Erscheinung. Geradezu als Steilvorlage für wachsende Empörung erhöhte die Regierung im Februar 1988 die Lebensmittelpreise um 40 %. Ab April setzte eine neue Streikwelle ein, die bis August andauerte. Es kam zu Verhandlungen mit der Regierung, die immer mehr zurückwich, schließlich der „runde Tisch“ und die Vereinbarung von Neuwahlen, bei denen im Mai 1989 die PVAP faktisch unterging und Solidarność, nunmehr als Partei, triumphierte. Unter ihrer Führung wurde im August 1989 eine Koalitionsregierung gebildet und Mazowiecki zum Ministerpräsidenten ernannt. Der verkündete gleich, einen „dicken Strich“ unter die sozialistische Vergangenheit setzen zu wollen. General Jaruzelski gab sich dazu her, als Präsident für eine Übergangszeit den „Wandel“ zu begleiten[3]. Ende 1990 schließlich wurde Wałęsa zum polnischen Präsidenten gewählt.
Gorbatschow wird 1992 zitiert, dass „ohne die gewaltige politische Rolle des Papstes die Ereignisse im Osten undenkbar gewesen wären“. Und der Ex-CIA Chef Vernon Walters sagt: „Vieles unterliegt noch der Geheimhaltung, aber als Wojtyla zum Papst gewählt wurde, haben die Sowjets eine Schlacht verloren (...) Solidarność bekam beispielsweise Faxgeräte, Druckmaschinen und alle möglichen Sachen. Jedenfalls Dinge, die sie vorher nicht hatten. Die begriffen schon, dass das nicht vom Himmel fiel – jedenfalls nicht direkt vom Himmel. Es war überwältigend, Solidarność an die Macht gebracht zu haben. Die Zusammenarbeit zwischen dem Vatikan und den USA, zwischen dem Papst und Reagan, das war der entscheidende Faktor für die Befreiung Polens und den Zusammenbruch des sowjetischen Regimes.“
Die finanzielle Unterstützung wird – konservativ – auf bis zu 50 Millionen US-Dollar geschätzt.
Die Proteste im imperialistischen Ausland gegen das Verbot der Solidarność vereinten dabei immerhin US-Präsident Reagan, UK-Prime Minister Margret Thatcher mit Enrico Berlinguer (KP Italien), Santiago Carillo (KP Spanien) oder Tony Benn (linkes Aushängeschild der Labour Partei). Und neben der US-amerikanischen Gewerkschaft AFL/CIO spielte der DGB eine wichtige Rolle. Und immer dabei, wenn Konterrevolution ums Eck: 1983 erhielt Wałęsa den Friedensnobelpreis.
Im Ausland bildeten sich derweil Exilgruppen der Solidarność, die durch die Gründung von Büros gewerkschaftlich-politisch aktiv waren. Die Auslandsaktivitäten wurden durch das Brüsseler Büro der Solidarność koordiniert. In Westdeutschland entstand das Bremer Koordinationsbüro der Solidarność. Um den Sitz des Büros kam es zur öffentlichen, politischen Auseinandersetzung und schließlich bekam das Büro Unterstützung vom Bremer Senat und der DGB-Führung und wurde in einer ehemaligen konsularischen Einrichtung der USA untergebracht.
Landauf landab wurde in Westdeutschland, besonders von den Trotzkisten (z.B. 4. Internationale) Solidarität mit Solidarność gefordert, um „ (...) frei von Eingriffen der Partei und der Regierung wirtschaftliche, soziale und kulturelle Belange der Arbeiter zu verteidigen“. (aus einer Broschüre von 1980[4]). Und weiter: „Doch Solidarność kämpft für demokratische Freiheiten, gegen soziale Ungleichheit und gegen bürokratische Misswirtschaft im Rahmen der bestehenden Gesellschaftsordnung. Es ist vielmehr die 35jährige totalitäre (sic! – die AG) Herrschaft der Partei und Regierungsspitzen, die den Sozialismus in Misskredit bringen.“ Man möge an diesen hohlen Phrasen den heutigen Zustand Polens nach erfolgreicher Konterrevolution bewerten. Statt demokratische Freiheiten offen-reaktionäres Regime der PiS mit massivem Abbau von demokratischen Rechten; statt soziale Gleichheit Millionen, die außerhalb Polens ihre Arbeit verkaufen müssen, wachsende Kluft von Arm und Reich, Verelendung der landwirtschaftlich-geprägten Gebiete. Und das trotzkistische Mantra vom Bürokratismus? Der Bürokratismus hat seine originäre Hülle wiedergefunden im Kapitalismus einer Nation, die in Brüssel und damit Berlin ihre Souveränität abgegeben hat. Das bedeutet langsame, qualvolle Entwicklung selbst des Kapitalismus in Polen und Verengung der Spielräume für eine eigenständige polnische Entwicklung.
Heute sind in Polen nur noch rund 12 % der Werktätigen in einer Gewerkschaft organisiert (BRD 18 %). Nicht einmal die Hälfte davon ist noch bei NSZZ Solidarność, die inzwischen – mit aktuellen Differenzen – der Regierungspartei PiS nahe steht.
Beurteilung der IGM 2005 zur NSZZ Solidarność[5]: Politische Ausrichtung: Weltanschaulich rechts stehend (katholische, nationale Werte), mitterechtsorientierten Parteien nahe stehend; wirtschaftspolitisch soziale Marktwirtschaft, Mitwirkung bei legislativen Prozessen, bei sozial- und lohnpolitischen Entscheidungen.
Das kam dabei heraus, als unsere IG Metall-Führung, damals mit Eugen Loderer, und der DGB mit dem unrühmlichen Heinz O. (manche Kollegen meinten, das O stünde für Null) Vetter an der Spitze und angeblasen von SPD und den trotzkistischen Antreibern, Solidarität mit der als Gewerkschaft verkleideten Konterrevolution übten.
Der sozialistischen Führung die Arbeiterklasse abspenstig machen, das muss die Konterrevolution schaffen, wenn sie siegen will; die Arbeiterklasse desorientieren, ihre bewussten Elemente indifferent machen und die rückständigen Teile aufstacheln an den vielen noch vorhandenen Unvollkommenheiten und Widersprüchen des Sozialismus in seinem Anfangsstadium. Eine kommunistische Partei, die meint, diese Widersprüche nur verschweigen oder übertünchen zu müssen und Proteste nur mit Repression zu beseitigen, wird ihren Rückhalt in der Arbeiterklasse verlieren und damit den Sozialismus und die Zukunft. Eine Partei aber, die dem Treiben der Imperialisten und ihren Kohorten tatenlos zusieht und sie nicht frühzeitig hinter Schloss und Riegel bringt, hat die Zukunft schon aufgegeben.
AG „Chinas Kampf um den Sozialismus“:
R. Corell, Dien Bien Phu, Karlchen, Lobo, O‘Nest, Rosa
1 s. ausführlich zur Bedeutung Nowa Hutas und den Kampf darum mit der Kirche in R. Corell, Papst ohne Heiligenschein? Joseph Ratzinger in seiner Zeit und Geschichte, Frankfurt 2006, s. 166 ff. und 218 ff.
2 Hartnäckig sind die Hinweise, dass W. von 1970 bis 1976 (solange er in der Lenin-Werft beschäftigt war) im Dienst des polnischen Geheimdienstes gestanden haben soll.
3 Das hielt das neue Regime in Polen nicht ab, den dann schwerkranken Mann 2006 noch wegen „kommunistischer Verbrechen“ vor Gericht zu zerren.
4 o.V., Gewerkschafter fordern: Solidarität mit Solidarność, Frankfurt (isp-Verlag), 1981
5 vgl. netkey40.igmetall.de/homepages/eu_projekt/hochgeladenedateien/ Dokumente/Sozialer_Dialog/060914_IGM_EU_Broschuere_Polen.pdf
Mit dieser Broschüre machten Trotzkisten und Sozialdemokraten 1981 Stimmung für den katholischen Arbeiterverein und sammelten Gelder. Dafür gaben sich auch u.a. Jakob Moneta und Heinz Brandt, ehemalige Redakteure der „metall“ her.
Mit Karol Wojtila (hier als Papst Johannes Paul II.) und Lech Wałęsa hatten die Kräfte des Imperialismus zwei Figuren hochgepäppelt, mit denen sie einen entscheidenden Schlag gegen den Sozialismus in Europa führen konnten.