Für Dialektik in Organisationsfragen
„Trump ist zum größten Problem für die Weltwirtschaft geworden“. So oder so ähnlich lauten die Kommentare in Politik und Medien, wenn es um die Politik der US-Regierung unter Trump geht. Zölle auf Stahl und Aluminium gegenüber der Volksrepublik China und der EU, angedrohte Zölle auf Autos, was v.a. die deutsche Autoindustrie träfe. Als Reaktion Zölle der EU und der VR China auf US-amerikanische Waren, weitere US-amerikanische Zölle vor allem auf chinesische Waren – die Töne werden rauer. Was ist die Ursache dieser sich zuspitzenden Handelskonflikte? Der Präsident der USA?
Anlässlich der geplanten Fusion der Stahlsparte von ThyssenKrupp mit dem britisch-indischen Unternehmen Tata Steel, schrieb die SZ: „Mit ihrer Fusion reagieren die Konzerne auf ein erdrückendes Überangebot. Alle Stahlwerke der Welt könnten jährlich 2,3 Milliarden Tonnen Stahl produzieren, doch nachgefragt werden nur 1,6 Milliarden.“ (2.7.2018) Es existieren also die Produktionsanlagen, um 700 Millionen Tonnen Stahl mehr herzustellen – für Brücken, Schienen, Eisenbahnen, Traktoren, Maschinen, alles Dinge, die doch dringend gebraucht werden auf dieser Welt. Doch diese Produktionsanlagen werden nicht genutzt. Denn es geht nicht darum was die Menschheit braucht, sondern darum, dass die Eigentümer der Produktionsanlagen Profit erzielen. Dieser Profit aber fließt nur, wenn der Stahl auch verkauft wird – und dafür fehlt das nötige Geld: vielen Bauern in vielen Ländern für den Traktor, vielen Staaten für zusätzliche Brücken und Eisenbahnen. Der Bedarf ist da, aber es fehlt die kaufkräftige Nachfrage. Und diese ist eben begrenzt.
Deshalb will nun ThyssenKrupp mit Tata Steel zum zweitgrößten Stahlunternehmen Europas fusionieren. Produktionskosten sollen so eingespart, die Produktion billiger werden, um der Konkurrenz einen möglichst großen Anteil dieser zahlungskräftigen Nachfrage von 1,6 Milliarden Tonnen Stahl abzujagen. Das bedeutet aber zwangsläufig, dass andere Stahlproduzenten Anteile verlieren, ihre Produktionsanlagen nicht ausgelastet sind, weniger Profit erzielen.
Verlierer dieses stets vor sich gehenden Kampfes der großen Konzerne um Absatzmärkte sind über die Jahrzehnte hinweg vor allem die US-amerikanischen Stahlmonopole. Abgesehen von der Sowjetunion waren sie zusammen bis Anfang der 1970iger Jahre die weltweit größten Stahlproduzenten. 119,3 Millionen Tonnen Stahl wurden 1970 in den USA noch hergestellt. Heute sind es nur mehr 86,8 Mill., also über ein Viertel weniger als 1970. Auch die deutschen Konzerne verloren Anteile, aber in geringerem Umfang: von 50,4 Mill. Tonnen 1970 fiel die Produktion um ca. ein Sechstel auf heute 42,6 Millionen Tonnen Stahl. Schon jetzt wird gut die Hälfte dieses hier produzierten Stahls exportiert, vor allem in die anderen EU-Staaten – und in die USA. Deutsche Konzerne liefern dort mehr Stahl hin, als die viel gescholtene VR China.
Wo Profit und Konkurrenzkampf die Produktion bestimmen und nicht der Nutzen für die Menschheit, wird ein Entwicklungsland, das um ein eigenständiges, besseres Leben ringt mit feindseligem Misstrauen beäugt – die Volksrepublik China. Dort ist es aufgrund besonderer Bedingungen gelungen, nicht nur die Entwicklung im eigenen Land in großem Maße voranzutreiben und dafür zunehmend den Stahl selbst herzustellen, sondern darüber hinaus auch noch Stahl zu exportieren. Dazu kommt, dass Chinas Stahlunternehmen im internationalen Maßstab günstiger produzieren, da die Lebenshaltungskosten und damit auch die Löhne der Arbeiter niedriger sind. Und so sind Chinas Stahlhütten inzwischen die größten Stahlproduzenten der Welt. Sie produzieren rund die Hälfte der zahlungskräftigen Nachfrage von 1,6 Milliarden Tonnen Stahl, um die sich doch schon die Großen dieser Welt raufen. Der Kampf verschärft sich.
Doch die Stahlbranche ist nur ein Beispiel einer allgemeinen, sich seit Jahrzehnten hinziehenden Verschiebung der ökonomischen Kräfteverhältnisse zu Ungunsten der Kapitalisten der USA – und zu Gunsten vor allem der BRD und ihrer Kapitalisten.
So verkauften die USA in den Jahren 1961 bis 1970 durchschnittlich pro Jahr Waren im Wert von 2,2 Milliarden US-Dollar mehr in andere Länder, als sie von diesen einführten. In den Jahren 1996 bis 2000 hatte sich dieses Handelsplus bereits in ein durchschnittliches Handelsdefizit von 302 Milliarden US-Dollar verwandelt, das sich bis ins Jahr 2014 auf 787,1 Milliarden erhöht hat und seitdem noch weiter ansteigt.
Ganz anders die BRD. In den Jahren 1961 bis 1970 erzielte sie durchschnittlich ein Handelsplus von 700 Millionen Dollar. Dieses Handelsplus stieg auf 65,7 Milliarden US-Dollar in den Jahren 1996 bis 2000 und hat 2014 bereits eine Höhe von 293,5 Mrd. US-Dollar erreicht – und steigt seitdem weiter.
Hier steigt der Überschuss, dort das Defizit. Alleine in die USA exportierten deutsche Konzerne 2017 um 50,5 Mrd. Dollar mehr Waren als sie von US-amerikanischen Unternehmen einführten – Autos, Maschinen, Stahl usw.
Und wie das so ist und zwar nicht nur in der USA: Die Verfechter des „freien Spiels der Märkte als beste Form der Weltwirtschaft“ werden plötzlich „patriotisch“, rufen nach Schutz der heimischen Industrie, wenn sie ihre Marktanteile und Profite zu Gunsten der Konkurrenz schwinden sehen. Das Volk wird mobilisiert, nationalistische Kräfte und Stimmungen kommen hoch.
Trumps Schlachtruf „Amerika First!“ ist also auch ein Echo auf die Standort-Deutschland-Politik hierzulande. Und Trump nicht Ursache, sondern eine Folge des zunehmend härter werdenden Kampfes um Absatzmärkte und Marktanteile.
gr
Artikel aus „Auf Draht“ vom 4.12.2018, einer Zeitung, die vor Münchner Betrieben verteilt wird.Herausgegeben von DKP München und Gruppe KAZ München.
„America first? Von wegen! So klein machen wir dich!“, denkt sie. Sagt sie aber nicht.