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Für Dialektik in Organisationsfragen

Das Bundesverfassungsgerichtsurteil zu den Anleihekäufen der EZB:

Ein Urteil mit Sprengkraft

Mitten während der Turbulenzen und offen aufbrechenden Widersprüche innerhalb der EU angesichts der Covid19-Pandemie, verkündet das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) am 5.Mai 2020 sein Urteil zum seit 2015 laufenden Staatsanleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB). Die hehren Worte einer angeblichen europäischen Solidarität zerschellen gerade einmal wieder an der Wirklichkeit kapitalistischer Konkurrenz und imperialistischen Hegemonialstrebens: Exportverbot der Bundesregierung für medizinische Schutzausrüstung, Schließung der Grenzen ohne irgendeine Absprache. Klares Nein der maßgeblichen deutschen Stellen im wieder aufflammenden Streit über Euro- bzw. nun Coronabonds angesichts steigender Zinsen für Staatsanleihen in den von der Pandemie und ihren wirtschaftlichen Folgen besonders schwer betroffenen Staaten wie Italien und Spanien. Bis heute keine Einigung zwischen den EU-Staaten, wie und in welcher Größenordnung ein europäisches Unterstützungsprogramm aussehen kann. Um die Zinslast für Anleihen zu senken und den absehbar größten Wirtschaftseinbruch seit 1945 innerhalb des Euro-Raumes einzudämmen, legt die Europäische Zentralbank (EZB) im März ein nächstes Ankaufprogramm von Staats- und Unternehmensanleihen in Höhe von 750 Mrd. Euro auf.[1]

In dieser Situation, die Bundesregierung bemüht sich gerade wieder um Schadensbegrenzung, erklärt der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts, dass die Beschlüsse der EZB zum Staatsanleiheprogramm „kompetenzwidrig“ seien und teilweise gegen das Grundgesetz verstoßen würden.[2]

Doch nicht nur die EZB wurde vom höchsten deutschen Gericht unverhohlen angegriffen, auch der Europäische Gerichtshof (EuGH). Dieser hatte im Dezember 2018 geurteilt, dass das Staatsanleihekaufprogramm der EZB in jeder Hinsicht den Normen des EU-Rechts entspreche. Diesem Beschluss widerspricht nun das BVerfG in harschen Worten – und das erste Mal in der Geschichte der Auseinandersetzungen zwischen dem deutschen und dem EU-Gericht. Die Auslegung der Verträge durch den EuGH sei „schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar“ und daher „objektiv willkürlich“ heißt es in der Urteilsbegründung weshalb sich das oberste deutsche Gericht daran nicht gebunden sieht und seine Entscheidungen über die des EuGH stellt. Die EZB wird aufgefordert innerhalb von drei Monaten die „Verhältnismäßigkeit“ des Anleiheprogramms „nachvollziehbar“ zu begründen. Sollte die EZB den Forderungen des Gerichts nicht nachkommen, wird die deutsche Bundesbank verpflichtet, ihre Mitwirklung an dem Staatsanleiheprogramm einzustellen.[3]

Auch wenn sich die Verfassungsrichter der Unzeit dieses Urteils bewusst waren und deshalb betonten, dass die aktuellen finanziellen Hilfsmaßnahmen der EZB im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie nicht Gegenstand der Entscheidung seien – wer will sich darauf noch verlassen? Die Reaktionen außerhalb Deutschlands waren entsprechend heftig. So erklärte ein britischer Wirtschaftshistoriker gegenüber dem österreichischen Standard: „Die Vorstellung, dass das nationale Verfassungsgericht in dieser Weise und in dieser Sprache in die Politik europäischer Instanzen eingreift, ist eine Beleidigung zu viel“[4]. Der französische Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire warnt diplomatisch zurückhaltend, das Urteil aus Karlsruhe sei „kein stabilisierendes Element“ und Enrico Letta, ehemaliger Ministerpräsident Italiens, erklärt zornig: „Die Deutschen haben ‚Die Deutschen zuerst!‘ gesagt“.[5]

Worum geht es?

Seit den Verträgen von Maastricht Anfang der 1990er Jahre, in denen im zähen Feilschen um die Durchsetzung der jeweils eigenen Interessen der imperialistischen Staaten Frankreich, Deutschland, Großbritannien[6] und Italien, die vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union, die Einführung einer Wirtschafts- und Währungsunion und die Bedingungen dazu beschlossen worden sind, gibt es Widerstand gegen diese Verträge, der auch auf der juristischen Ebene seinen Ausdruck findet. Obwohl die Bundesregierung die Interessen der deutschen Monopolbourgeoisie aufgrund der ökonomischen Stärke der Bundesrepublik weitgehend durchsetzen konnte – jeder Vertrag ist Ausdruck der Machtverhältnisse – war das Misstrauen groß, Profit und Macht zugunsten der anderen an dem Bündnis beteiligten imperialistischen Staaten verlieren zu können oder gar für andere „bezahlen zu müssen“. Vor allem die Aufgabe der „harten“ DM, dem Sinnbild der wirtschaftlichen deutschen Stärke innerhalb Europas, erregte die Gemüter. So war 1998 anlässlich der Klage gegen die Einführung des Euro im „Spiegel“ zu lesen: „Die ganze Euro-Kiste ist verkehrt gebaut, weil sie nicht in erster Linie die Zukunft Europas ansteuert, sondern auch darauf aus ist, Deutschland zu schwächen. Um uns herum sind nur Staaten, die versuchen, ihre nationalen Interessen mit der Schimäre Europa, und sei es scheinbar, zu vereinen. Nur Deutschland als das wirtschaftlich stärkste und bevölkerungsreichste Staatsgebilde der künftigen Union soll da stillhalten und sich nicht rühren.“[7] Die scheinbare Abgabe von zumindest Teilen der Souveränität durch Einbindung in Verträge, überstaatliche Institutionen und gar durch eine Gemeinschaftswährung sah und sieht eine Strömung innerhalb der Bourgeoisie in Widerspruch zum alten Ziel des deutschen Imperialismus eines Europas unter deutscher Vorherrschaft als Ausgangspunkt, um sich „in der Welt behaupten zu können“.

Es sind vor allem Kräfte der äußersten Reaktion – wie Manfred Brunner oder der Jurist Karl A. Schachtschneider, beide Begründer der in den 1990ger Jahren erfolgten FDP-Abspaltung „Bund freier Bürger“[8], Peter Gauweiler, CSU, Dietrich Murswiek, Jurist und seit seiner Studentenzeit im Umfeld aller möglichen faschistischen Organisationen tätig; später auch Bernd Lucke, Mitbegründer der AfD 2013 -, die diese Richtung in ihren Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht vertreten, sei es die Klage gegen den Vertrag von Maastricht oder gegen die Einführung des Euro, gegen den Vertrag von Lissabon oder gegen die währungspolitischen Maßnahmen der EZB. Auch wenn diese Strömung seit den 1990er Jahren nie eine Mehrheit innerhalb der Monopolbourgeoisie hatte, hat sie doch eine erhebliche Funktion als permanente Drohung und Druckmittel gegenüber den europäischen „Bündnispartnern“ und Konkurrenten. Es ist die Drohung mit dem Alleingang, sollten die Dinge nicht so laufen, wie es den Interessen der deutschen Monopolbourgeoisie entspricht, überprüft durch das oberste deutsche Gericht.

Denn der deutsche Imperialismus hatte und hat keinesfalls vor, sich durch EU und Euro gängeln oder gar schwächen zu lassen. Das machte dann auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Vertrag von Maastricht deutlich, auf das es sich 1998 aufgrund der Klagen gegen die Einführung des Euro noch einmal bezog. Unmissverständlich wird da erklärt: „Wenn etwa europäische Einrichtungen oder Organe den Unionsvertrag in einer Weise handhabten oder fortbildeten, die von dem Vertrag, so wie er dem deutschen Zustimmungsgesetz zugrunde liege, nicht mehr gedeckt wäre, so wären die daraus hervorgehenden Rechtsakte im deutschen Hoheitsgebiet nicht verbindlich.“[9] Das heißt, sollten EU-Institutionen Beschlüsse treffen, die dem Gesamtinteresse der ausschlaggebenden Kräfte innerhalb der BRD, also der Monopolbourgeoisie, widersprechen, dann werden sie nicht befolgt.

Vor allem im Zuge der sog. Schulden- und dann Euro-Krise wurden die Stimmen aus Deutschland immer schriller, die Staaten wie Griechenland aufgrund der hohen Staatsverschuldung aus der Währungsunion hinausschmeißen wollten oder gar den Austritt Deutschlands aus der Währungsunion forderten. Die Bundesbankpräsidenten Jürgen Stark und Axel Weber räumten ihre Posten, weil sie sich in den Auseinandersetzungen innerhalb der EZB nicht durchsetzen konnten. Die AfD wurde gegründet. Die Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Maßnahmen der EZB und ihren Chef Draghi häuften sich. Das Gericht sollte die, nach Meinung der Kläger, „Staatsfinanzierung überschuldeter Staaten“ durch die EZB zu Lasten des fleißigen und sparsamen deutschen Bürgers stoppen.

Zur Erinnerung:

Nicht zuletzt in Folge der Einführung des Euro, die den Staaten eine eigenständige Währungspolitik mit Auf- und Abwertungen der nationalen Währungen als Maßnahme gegen wachsende Exportdefizite verunmöglichte, wuchsen die Staatsschulden in den Staaten, die den aggressiven deutschen Exportpraktiken unterlegenen waren. Verschärft wurde diese Entwicklung noch durch die heftige Überproduktionskrise ab 2008 (bekannt als Finanzkrise), den damals tiefsten Einbruch der Wirtschaft seit 1945 und die darauf folgenden finanzpolitischen Maßnahmen der Regierungen zur Unterstützung der wankenden heimischen Banken und Unternehmen. Für Staaten wie z.B. Griechenland wurde es unmöglich, sich weiter über Staatsanleihen Geld zu besorgen bzw. wuchs der Zinssatz für solche Anleihen ins schier Unermessliche. Es begannen die sog. Hilfsprogramme der EU-Troika, diktiert von der Bundesregierung und ihrem damaligen Finanzminister Schäuble, mit ihren, die gesamte Wirtschaft des betroffenen Staates abwürgenden Auflagen. Begleitet wurde dieses Millionen Arbeiter und Kleinbürger betreffende Verelendungsprogramm von einer unsäglich chauvinistischen Hetze in Deutschland. Im Juli 2012 beruhigte dann der Zentralbankchef Mario Draghi die Finanzmärkte mit seiner Aussage, alles zu tun was notwendig ist („Whatever it takes“), um den Euro und die Währungsunion zu stabilisieren. Maßnahmen waren dann vor allem die inzwischen zu Billionensummen sich aufgehäuften Anleihekaufprogramme für Staats- oder Unternehmensanleihen, was für die Investoren, – Banken, Versicherungen usw. – bedeutete, dass sie davon ausgehen konnten, aufgekaufte Anleihepapiere an die EZB wieder verkaufen zu können. Das Risiko für die Käufer, auf wertlosen Papieren sitzen zu bleiben wurde so minimiert, die Zinsen für die Papiere sanken. Verbunden war dieses Programm mit der Senkung der Leitzinsen bis auf Null.

Rechtsfragen sind Machtfragen

Die Klagen, über die jetzt das Bundesverfassungsgericht sein Urteil gesprochen hat, gehen zurück auf das Anfang 2015 beschlossene Anleiheankaufprogramm der EZB (genannt PSPP). Kläger waren u.a. Gauweiler mit seinem Prozessvertreter Murswiek, Bernd Lucke, Schachtschneider. Was sie beklagten, war das Übliche: Überschuldete Staaten wie „insbesondere Spanien, Frankreich und nicht zuletzt Italien[10] würden durch das Ankaufprogramm der EZB finanziell unterstützt. „Die Politiker dieser Länder werden dadurch angeleitet, zusätzliche Schulden auf Kosten Dritter zu machen. Sie werden durch die EZB-Politik um dreistellige Milliardenbeträge ‚entlastet‘, während den deutschen Sparern die Nullzinspolitik bereits weit über 200 Milliarden gekostet hat.“[11] Es verletze die „Budgethoheit des Bundestages“, da es nicht sichergestellt sei, dass es „im Ernstfall nicht doch zu einer Vergemeinschaftung der Haftung“ komme.

Das Bundesverfassungsgericht setzte in einem Beschluss vom 18.7.2017 das Verfahren aus und legte dem EuGH seine Bedenken, die es weitgehend mit den Klägern teilte, zur Vorabentscheidung vor. Ein solches Verfahren ist nichts Neues. Neu und ein Affront sowohl gegenüber der EZB wie auch dem EuGH ist, dass das BVerfG die 2018 erfolgte Entscheidung des EuGH das erste Mal nicht anerkennt.

Es ist den Verfassungsrichtern durchaus bewusst, dass sie mit so einem Vorgehen einen Präzedenzfall liefern. Es gibt ja auch in anderen, bisher allerdings in ökonomisch und politisch sehr viel schwächeren und damit weitgehend abhängigen EU-Staaten Bestrebungen, Urteile des EuGH nicht anzuerkennen, weshalb selbst in der deutschen Presse von der Sprengkraft dieses Urteils zu lesen war. Der polnische Regierungschef lobte denn auch das Urteil umgehend und stellte fest, dass damit zum ersten Mal klar gestellt worden sei: „Die Verträge werden von den Mitgliedstaaten geschaffen, und sie bestimmen, wo für die Organe der EU die Kompetenzgrenzen liegen.“[12] Das aber ist wiederum nicht im Interesse der Karlsruher Richter. Was sich das deutsche Gericht herausnimmt, soll nicht für jeden gelten. So stellen sie in ihrer Pressemitteilung ausdrücklich fest, dass „die einheitliche Anwendung des Unionsrechts ... gefährdet (wäre)“, wenn, „jeder Mitgliedsstaat für sich in Anspruch nähme, durch eigene Gerichte über die Gültigkeit von Rechtakten der Union zu entscheiden.“ Auch das Bundesverfassungsgericht „... muss die Entscheidung des Gerichtshofs ... auch dann respektieren, wenn dieser zu einer Auffassung gelangt, der sich mit gewichtigen Argumenten entgegentreten ließe, solange sie sich auf anerkannte methodische Grundsätze zurückführen lässt und nicht objektiv willkürlich erscheint.“ Die Aushebelung des EU-Rechts soll also nur in sehr engen Grenzen zulässig sein. Die Richter des obersten Gerichts des ökonomisch und politisch mächtigsten Staates der Europäischen Union, dessen politische Vertreter bei Bedarf gegenüber anderen EU-Staaten stets auf die Einhaltung festgelegter EU-Normen drängen – sei es der sog. Rechtsstaatlichkeit oder der Einhaltung der Stabilitätskriterien im Vertrag von Maastricht – fühlen sich offensichtlich berechtigt, diese engen Grenzen zu überschreiten. Auch das hat Sprengkraft.

Nun müssen also Bundestag und Bundesregierung ungeachtet der Tatsache, dass auf deutsches Drängen hin die Unabhängigkeit der EZB vertraglich vereinbart worden ist, „darauf hinwirken“, so das Urteil, dass die EZB die Verhältnismäßigkeit des Anleiheprogramms überprüft und zwar innerhalb von drei Monaten. Dass sie darlegt, dass die Folgen auf z.B. Mieten, Immobilienpreise, Versicherungen und die berühmten Sparvermögen aufgrund der historisch niedrigen Zinsen gegenüber dem Ziel der Anleihekäufe, lt. EZB eine Förderung von Konsum und Investitionen, nicht mehr Kosten als Nutzen hervorbringen. Andernfalls dürfe sich die deutsche Bundesbank, größter Anteilseigner an der EZB, nicht mehr an diesen Anleihekäufen beteiligen.

Von Nutzen und Kosten

Es ist eine ungeheuerlich aggressive Arroganz, die aus diesem Urteil spricht. Es ist der deutsche Imperialismus, der am allermeisten von der Einführung des Euro profitierte. Jahr für Jahr erzielt die BRD einen Handelsüberschuss mit den anderen Staaten der Währungsunion, was umgekehrt Handelsdefizite und steigende Staatsschulden bedeutet. Deutsche Banken haben alleine gegenüber Banken, Unternehmen und öffentlichen Haushalten in anderen Euro-Staaten Forderungen in Höhe von 704,690 Milliarden Euro[13] und profitieren entsprechend davon. Der deutsche Finanzminister kann bei Ausgabe von 10-jährigen Staatsanleihen derzeit sogar mit Zinseinnahmen rechnen, statt Zinsen bezahlen zu müssen, da die BRD in den überall höchst krisenhaften Entwicklungen mit ihrer mächtigen Wirtschaftskraft noch relative Stabilität und Sicherheit fürs angelegte Kapital verspricht.[14] Wohlgemerkt, eine relative Stabilität auf Kosten der anderen EU-Staaten, d.h. auf Kosten deren Bourgeoisie und letztendlich vor allem auf Kosten der Arbeiterklasse und der anderen werktätigen Schichten.[15] Diese ökonomische Stärke ermöglicht es der Bundesregierung nun in der sich seit längerem abzeichnenden erneuten Überproduktionskrise, verschärft noch durch die Folgen der Pandemie, Maßnahmen im Wert von über einer Billion Euro für das heimische Kapital bereit zu stellen. Das ist in etwa die Hälfte dessen, was die gesamten EU-Staaten an nationalen Unterstützungsprogrammen beschlossen haben, wie die SZ vom 29.5.2020 meldet und fortfährt: „Firmen in klammen Staaten wie Griechenland müssen mit deutlich weniger Hilfe der Regierung auskommen. Die zuständige Kommissions-Vizepräsidentin Margrethe Vestager sagte ... es bestehe die Gefahr, dass die ‚riesigen Unterschiede‘ den Wettbewerb auf dem Binnenmarkt verzerren und die wirtschaftliche Erholung verlangsamen – ‚und das ist zu einem gewissen Grad schon eingetreten‘“[16]. Die Verfassungsrichter gerade dieses Staates, der sich wieder anschickt, alles zu tun, um auch aus der aktuellen Krise auf Kosten der Konkurrenz gestärkt hervorzugehen, fordern nun von der EZB die Verhältnismäßigkeit zwischen Kosten und Nutzen von Anleihekaufprogrammen ein, stellen sich über den europäischen Gerichtshof und erklären sein Urteil als nicht nachvollziehbar und willkürlich.

Die Sprengkraft bleibt

Bundesregierung und Bundesbank tun gerade alles, um die Folgen dieses Urteils möglichst geräuschlos vom Tisch zu bringen. Über den Präsidenten der Bundesbank Jens Weidmann machte die EZB ihre Unterlagen zur Einsicht zugänglich, die diese Prüfung der Verhältnismäßigkeit enthält, Finanzminister Scholz sieht daraufhin laut SZ „gute Chancen für eine Lösung“[17]. Eine weitere Zuspitzung der Widersprüche innerhalb der EU können ausschlaggebende Teile der Monopolbourgeoisie gerade nicht brauchen. Der deutsche Export ist im April um über 30 Prozent eingebrochen, nach einem Einbruch im März bereits um 24 Prozent. Der US-amerikanische Markt ist für die deutschen Monopole höchst unsicher, ebenso der chinesische aufgrund der offen zu Tage tretenden Konkurrenz und der daraus folgenden Sanktionspolitik der US-Regierung. Da muss man sich „behaupten“, dafür braucht man die EU. „Europa, Europa, Europa – die Reihenfolge können sich die Regierungen selbst aussuchen“, so der Vorstandsvorsitzende von Siemens.[18]

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist dadurch allerdings nicht aus der Welt zu schaffen, ist es doch Ausdruck der Sprengkraft, die dem deutschen Imperialismus innewohnt: Dem Streben nach Expansion und Weltherrschaft, das jedem Monopol eigen ist, verbunden mit der geschichtlich entstandenen besonderen Aggressivität der deutschen Monopolbourgeoisie und ihres Staates.

Gretl Aden

1 Inzwischen aufgestockt auf 1,35 Billionen, SZ 5.6.2020

2 Pressemitteilung des BVerfG vom 5.5.2020

3 Siehe Pressemitteilung Nr. 32/2020 vom 5.Mai 2020 des Bundesverfassungsgerichtes

4 www.derstandard.de/story/2000117410827/historiker-ueber-karlsruher-ezb-urteil-eine-beleidigung-zu-viel

5 Zitate nach german foreign policy „Wer das Recht spricht“ 7.5.2020

6 Schon damals entschied sich Großbritannien gegen die Aufgabe des englischen Pfund, Anfang dieses Jahres ist GB aus der EU ausgetreten

7 Spiegel Special, Nr.2/1998, zit nach KAZ 288; Der Euro und der Klassenkampf

8 inzwischen längst in anderen faschistischen Organisationen wie „Die Republikaner“ aufgegangen

9 Aus der Verlautbarung der Pressestelle des Bundesverfassungsgerichts Nr. 39/93, zit. nach: Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts Nr. 33/98 vom 2.4.1998 – Anlage 2

10 siehe Pressemitteilung von Gauweiler und Murswiek vom 5.5.2020

11 ebd.

12 zit. nach SZ.de 10.05.2020, „Polen lobt Karlsruher Urteil zu Europäischer Zentralbank“

13 lt. Deutsche Bundesbank, „Auslandsforderungen der deutschen Banken einschließlich ihrer Auslandsfilialen und –töchter an ausgewählte Länder nach dem Sektor des unmittelbaren Schuldners“, Stand Ende Februar 2020

14 0,5 Prozent Zinsen erhält Scholz für Staatsanleihen mit 10-jähriger Laufzeit, während der italienische Finanzminister trotz Anleihekaufprogramm der EZB 1,9 Prozent für entsprechende Papiere bezahlen muss (Stand Mai 2020)

15 Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung bescherte der Euro seit seiner Einführung bis 2017 der BRD ein Plus von 1,9 Billionen Euro, während er Frankreich ein Minus von 3,6 Billionen einbrachte und Italien sogar ein Minus von 4,3 Billionen Euro (siehe: www.german-foreign-policy.com „Germany first! (II)“)

16 SZ vom 29.5.2020: „Einmal Brüssel und zurück“

17 SZ vom 30.6.2020, „Große Koalition beendet Streit um EZB-Urteil“

18 De.reuters.com, zitiert nach german foreign policy „Der Preis der Integration“

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KAZ-Titelbild Nr. 288, Mai 1998

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