Berlin, Mitte Juni. Die Bundesregierung war in Champagnerlaune. Sie stellte der staunenden Menschheit „die beste Corona-App der Welt“ vor (in aller Bescheidenheit, versteht sich).
Nur wenige Kilometer entfernt von den besoffen feiernden höchsten Staatsdienern war zur selben Zeit die Stimmung weniger heiter. Über einen gesamten Häuserblock in Berlin-Neukölln war Quarantäne verhängt worden. Die Bewohner wurden nach und nach getestet, die Infektionszahlen schnellten in die Höhe. Und es wurde eine ganz andere „Sensation“ als die Corona-App offenbar: Furchtbares Elend, hier wohnen (wenn man das „wohnen“ nennen kann) durchschnittlich 10 Menschen in jedem Haushalt.
Wäre die Infektionskatastrophe in Neukölln mit der neuen Corona-Warn-App vermeidbar gewesen, oder hätte man damit wenigstens einen milderen Verlauf erreicht?
Der Berliner Amtsarzt Patrick Larscheid hält von solchen Überlegungen gar nichts. Seine Meinung zu der Warn-App: „Das ist ein Spielzeug für die digitale Oberschicht“. Sie spreche vor allem gut situierte, weiße Menschen an. Hochbetagte Menschen und große Familienverbände mit Migrationshintergrund würden von der App nicht profitieren. Seine Begründung: „Auf alten Smartphones geht sie nicht. Die Leute, die sie nutzen können, zeigen die App auf ihrem neuen Handy und fahren danach mit dem E-Roller zum nächsten Sushi-Laden“. (siehe Berliner Zeitung, 17.06.2020) Den Ärmsten der Armen hilft diese App gar nichts. „Hier prallen zwei Welten aufeinander, und ich will diesen Kontrast bewusst machen“, so Larscheid.
Vielleicht bräuchte man mal eine App, der Klassenbewusstsein einprogrammiert wird. Aber man sieht die Hauptinfektionswege auch ganz gut mit bloßem Auge: Corona fließt, wie viele andere Seuchen vorher, wie das Wasser nach unten, ins tiefste Elend. Das schließt nicht aus, dass auch oben ein paar nass werden, dass auch ein paar Reiche von der Seuche erfasst werden. Aber die derzeitigen „Hotspots“ hierzulande zeigen, wie weit Ausbeutung und Verelendung in diesem reichen Land schon gehen: bis zu mörderischen Arbeits- und Wohnverhältnissen. Ganz zu schweigen von den Flüchtlingslagern hier und in Griechenland, wo die Seuche mit krimineller Energie der deutschen Bundesregierung sich ungehindert ausbreiten kann, und ganz zu schweigen von den armen Ländern, die von Ausbeutern wie unseren Kapitalisten in schutzlosen Zuständen gehalten und nun auch der Corona-Seuche preisgegeben werden.
Der solidarische Zusammenschluss der gesamten Arbeiterklasse, einschließlich ihrer untersten und am meisten verelendeten Schichten, ist notwendig, um dieser Katastrophe ein Ende zu machen. Da hilft uns kein Gott und keine weltbeste App.
AG Corona