Für Dialektik in Organisationsfragen
„Zukunft sichern – jetzt!“ So heißt es auf der Titelseite der Januar-metallzeitung. Es ist das Motto, unter das der IGM-Vorstand die mit den ersten Verhandlungen im Dezember 2020 begonnene Tarifbewegung 2021 gestellt hat. Zusammen mit einer Reihe anderer Zukunftsbeschwörungsformeln ist es offensichtlich als Schlachtruf gedacht, um die geforderten „Zukunftspakete“ – Beschäftigungssicherung, Vier-Tage-Woche usw. – aufzuwerten und die Belegschaften dahinter zu versammeln. Die im März 2020 wegen Corona und dem „Not-Tarifvertrag Zukunft in Arbeit 2020“ zurückgestellten Forderungen stehen in vom IGM-Vorstand etwas abgewandelter Form zur Durchsetzung an (siehe KAZ 371 und 373).
Zur Erinnerung: Nach Beschlüssen in den Tarifkommissionen der IGM-Bezirke (17. November 2020) und Vorstandsbeschluss am 26. November 2020 hieß es in den IGM-Veröffentlichungen: Der Vorstand lehnt die vom Kapital erneut geforderte Nullrunde ab und fordert für alle IGM-Tarifgebiete ein Lohn-Volumen von vier Prozent. Die Lohnerhöhung (bzw. was davon verwirklicht wird) kann bei einer vorgesehenen Tarifvertragslaufzeit von 12 Monaten „zur Stärkung der Einkommen und/oder als Teilentgeltausgleich bei Modellen der Arbeitszeitabsenkung (z. B. Vier-Tage-Woche) zur Beschäftigungssicherung“ verwendet werden. Außerdem wird versucht, einen Rahmentarifvertrag durchzusetzen. Er soll die Einzelkapitalisten der Metall- und Elektroindustrie zwingen, sich auf Verlangen der IGM auf Verhandlungen über „betriebliche Zukunftstarifverträge“ einzulassen. Auf dem Gewerkschaftstag 2019 hat IGM-Vorsitzender Hofmann dazu erklärt: „Ich schlage vor, dass wir uns eine Kampagne vornehmen, in möglichst vielen Betrieben solche Vereinbarungen zu erkämpfen“ (siehe u. a. KAZ 372). Dafür soll die jetzige Tarifrunde genutzt werden. Zur Durchsetzung dieser und der anderen Forderungen gibt es nach Aussage vom IGM-Vorsitzenden „Rückenwind“ aus den Betrieben. Statt auf einen Kampagnenbeschluss des Gewerkschaftstages stützt er sich hierbei auf die im Oktober 2020 durchgeführte Online-Beschäftigtenbefragung. Daran haben sich „mehr als 250.000 Beschäftigte in über 6.700 Betrieben“ beteiligt. Durch entsprechende Fragestellung hat sich die IGM-Führung damit – wie vorher angekündigt – ihre Forderungen zur Tarifrunde mehr oder weniger als richtig absegnen und bestätigen lassen. „Rund 90 Prozent“ der Befragten haben dabei festgestellt, dass „Unternehmensbezogene Zukunftstarifverträge mit Zusagen für Beschäftigung, Standorte, Qualifizierung und Investitionen für sie „sehr wichtig oder wichtig“ sind (siehe Editorial in der metallzeitung Januar).
Wofür sollen die unter kapitalistischen Bedingungen auf den Verkauf ihrer Arbeitskraft angewiesenen Arbeiterinnen und Arbeiter sonst sein? Sie werden z. Z. vom Kapital mit zigtausenden Entlassungen bedroht und von Kurzarbeit und Lohnverlust gebeutelt. „Massenhaft verkünden die Arbeitgeber Personalabbau und setzen ihn teilweise brutalst durch bis hin zu Betriebsschließungen und knallharten Massenentlassungen oder Insolvenzsituationen, die zum Teil abwendbar gewesen sind.“ (R. Zitzelsberger, IGM-Bezirksleiter Baden-Württemberg)
Die IGM-Führung könnte ihnen genauso die sich selbst beantwortende Frage stellen, ob sie für längere Kündigungsfristen und dafür sind, dass die Bude, mit der sie grade einen Arbeitsvertrag haben, nicht Pleite macht. Für den Fall sind die Kündigungsfristen der Arbeitsverhältnisse durch den Kapitalisten in § 622 im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. Abhängig von den Jahren der Ausbeutung im kapitalistischen Betrieb, liegen sie zwischen einem und 7 Monaten. Die 7-Monatsfrist gilt dabei aber erst nach 20 Jahren „Betriebstreue“, der 20-jährigen Maloche fürs Kapital. Dabei bleibt es nicht aus, dass sich ganze Belegschaften in Sicherheit wiegen, wenn Kapitalisten mit der IGM oder Betriebsräten Vereinbarungen treffen, die „betriebsbedingte Kündigungen“ angeblich über X-Jahre ausschließen. (siehe Kasten MAN-Prozess)
Sie stehen mit Nullrunde und dem „Belastungsmoratorium“ der bayrischen Metall- und Elektrokapitalisten vbm – 5 Jahre Lohnverzicht und Friedenspflicht – dem IGM-„Zukunftspaket“ gegenüber. Gesamtmetall hat dabei gemeinsam mit allen regionalen Kapitalverbänden einen Rahmentarifvertrag zur zwangsweisen Durchsetzung von Zukunftstarifverträgen gegenüber verbands- und tarifgebundenen Einzelkapitalisten bereits im Februar 2020 abgelehnt (siehe KAZ 372, S. 39. „Einlassungszwang“).
Die aktuelle Situation betreffend hat der neue Präsident von Gesamtmetall, Dr. Stefan Wolf, vor Verhandlungsbeginn vorgegeben, was gegen die IGM durchzusetzen ist. Dafür hat er am 13. Dezember 2020 im Interview mit der Zeitung „Die Welt“ der IGM-Führung den Sozialdemokraten Schröder sozusagen als Joker unter die Nase gerieben und u. a. erklärt: „Wir sind in Deutschland wieder an dem Punkt wie zu Beginn der 2000er Jahre, als Deutschland als kranker Mann Europas galt. Damals sind wir dank Gerhard Schröder und der Agenda 2010 relativ schnell genesen. Doch in den letzten Jahren haben wir uns wieder genau in die andere Richtung entwickelt. Und jetzt ist der Punkt gekommen, wo Unternehmen sagen, dass sich die Verlagerung rechnet. Das dürfen wir nicht noch befeuern.“
Nachstehend einige Auszüge der „Agenda“, womit der Gesamtmetall-Präsident den IGM-Vorstand zur Genesung der Metall- und Elektrokapitalisten „befeuert“. Wie bereits sein Vorgänger Dulger im Frühjahr und August/September 2020 festgestellt hat, sieht auch er aufgrund von ökonomischer Krise, Kurzarbeit und bedingt durch Corona „keinen Verteilungsspielraum“. Der geht bei ihm nur von unten nach oben: „Wir wollen ja gar nicht nach unten abweichen. Aber es ist jetzt an der Zeit, die Lohntabelle einfach einmal anzuhalten. Das ist auch eine Frage der Gerechtigkeit zwischen den Branchen: Fast alle liegen deutlich unter der Metall- und Elektroindustrie ... Viele Beschäftigte würden sich deshalb mit dem begnügen, was sie haben. Manche würden sogar ein bisschen mehr arbeiten, wenn sie dafür ihre Jobs behalten können ... wir müssen die Tariflandschaft entrümpeln und an bestimmte Vergünstigungen ran, die über viele Jahre entstanden sind. Die Verträge sind zu komplex geworden. Nochmal: Es geht nicht um die Grundtabelle. Aber wir müssen an anderer Stelle schauen, wie wir die Arbeitskosten senken können ... In Baden-Württemberg gibt es z. B. sogenannte Spätzuschläge für die Arbeit nach 19 Uhr. Gezahlt werden die aber schon ab 12 Uhr, wenn die Schicht nach 19 Uhr endet. Dafür gibt es überhaupt keinen Grund. Und so werden wir vieles finden, was verzichtbar ist.“
Bevor Wolf im November 2020 Gesamtmetallvorsitzender wurde, war er, wie vor ihm der jetzige Arbeitgeberverbandspräsident Dulger, in Baden-Württemberg etliche Jahre Vorsitzender vom Kapitalistenverband Südwestmetall. Auf dessen Konto geht maßgeblich die Durchsetzung des „Pforzheim Abkommens“ – heute „TV Besch“ (Beschäftigungstarifverträge). In der Chronik „125 Jahre Gesamtmetall“ heißt es dazu: „Pforzheim“ erlaubt mit Einverständnis der Tarifvertragsparteien jede Abweichung, in jeder Materie, unbegrenzt. Es ist ein Tarifvertrag, der nicht nur für die Anwendung im Krisenfall gedacht ist, sondern auch für den Ausbau und die Stärkung von Wettbewerbsfähigkeit oder für den Aufbau von weiteren Arbeitsplätzen ...“ (125 Jahre Gesamtmetall/1990-2015, Das Jahr 2004/Seite 502)
Bekanntermaßen bezahlen die von „Krisenfällen“ betroffenen Belegschaften oder die Reste davon, dabei die angebliche „Sicherheit ihrer Arbeitsplätze“, „Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit“ usw., mit Absenkung der Arbeitszeit, Lohnkürzung, Arbeit/Überstunden ohne Lohnzahlung, Zulagenstreichung u. a. Im IGM-Info heißts es: „Die seit 2019 geltende Sonderzahlung T-ZUG wurde zu einem großen Teil nicht ausgezahlt, sondern häufig zur Sicherung von Beschäftigung herangezogen“.
Gesamtmetall will durchsetzen, dass das auch zukünftig so bleibt. Präsident Wolf hat deswegen vorgeschlagen, dass die Tarifvertragsparteien für den „Krisenfall“ ein anderes Verfahren vereinbaren. Wie das in der Praxis funktionieren soll, hat er im Interview ausgeführt: „Der Flächentarifvertrag ist das Standardwerk, von dem zwei Arten von Abweichungen möglich sein müssen. Erstens brauchen wir eine automatische Differenzierung. Das heißt, wenn das Betriebsergebnis unter einen bestimmten Wert fällt, werden die Lohnkosten automatisch reduziert. Das würde den Unternehmen in wirtschaftlich schlechten Situationen sehr helfen. Über die genauen Parameter muss man noch sprechen ...“
Bisher sind die „genauen Abweichungs-Parameter“ im o. g. TV Besch geregelt (ausführlich KAZ 373 S. 17-21). Seine Anwendung, um Kapitalisten „in wirtschaftlich schlechten Situationen“ zu helfen, sieht dafür allerdings ein Verfahren mit Antragstellung und Nachweisen zum Betriebsergebnis vor. Gesamtmetall will das ausschalten und sozusagen einer mit den Lohnkosten und dem zu erwartenden Betriebsergebnis gespeicherten Software übertragen. Die meldet zu einem festgelegten Zeitpunkt, dass der als notwendig erwartetete Profit z. B. um 10 Prozent unterschritten wird und kürzt automatisch die Lohnkosten, d.h. die Löhne, Urlaubs-Weihnachtsgeld, Zulagen/Zuschläge usw. um 10%. Bei einem angenommenen mtl. Durchschnittsverdienst von 3.500 Euro fehlen dann als praktische Auswirkung der „automatischen Reduzierung“ der Lohnkosten, monatlich 350 Euro in der Haushaltskasse. Mit einer solchen „Abweichungsmöglichkeit“ vom Tarifvertrag lässt sich die Lohntabelle nicht nur anhalten, sondern ausgerichtet am Betriebsergebnis bzw. der Profitmarge entsprechend flexibilisieren. Gleichzeitig würde damit das im Arbeitsrecht und für die Rechtsprechung geltende Unternehmerrisiko (Einhaltung des Arbeitsvertrags, Lohnzahlung) per Tarifvertrag und „ohne Verhör“ auf die Belegschaften abgewälzt.
Davon hat der Baden-Württembergische IGM-Bezirksleiter Roman Zitzelsberger bereits nach der ersten Verhandlungsrunde am 16. Dezember 2020 berichtet: „Südwestmetall fordert nicht nur eine Nullrunde, sondern will zudem die Lohnkosten senken und Regelungen des Flächentarifs aufweichen.“ Und nach der zweiten Verhandlungsrunde am 18. Januar 2021 heißt es dazu in der IGM-Info: „Die Arbeitgeber verlangen unter anderem, so lange auf Entgeltsteigerungen zu verzichten, bis das Vorkrisenniveau wieder erreicht ist, zudem wollen sie tarifliche Errungenschaften wie Pausenregelungen streichen und pauschale Regeln einführen, um vom Tarifvertrag abweichen und Kosten senken zu können.
Letzteres ist aus Sicht der IG Metall ein klarer Angriff auf die Mitbestimmung, da Sonderregelungen für Betriebe in schwierigen Situationen dann nicht länger zwischen Unternehmensleitung und den Interessenvertretern ausgehandelt werden müssten.“
Die Verhandlungsrunden wurden in allen Tarifgebieten ohne Ergebnis beendet und als dritte Runde auf Februar 2021 verschoben. Für Baden-Württemberg werden die Termine dazu „zeitnah abgestimmt“.
Offensichtlich hat Südwestmetall dabei den Auftrag, die IGM-Führung mit dem von Gesamtmetall hochgeschraubten Forderungspaket besonders unter Druck zu setzen. Möglicherweise um mit dem Spiel Südwest ist bad boy und z. B. NRW ist good boy, den Boden für Zugeständnisse und einen sogenannten Pilotabschluss in einem Tarifgebiet vorzubereiten. So schreiben z. B. IGM und Presse von „verhärteten Fronten“ und das Kapital von einem „Grunddissens“ in Baden-Württemberg während in NRW Kapitalisten-Präsident Kirchhoff zu „Zukunftstarifverträgen“ erklärt hat: „Ich glaube, dass wir auf einem guten Weg sind“, aber die „unternehmerische Freiheit“ dürfe nicht eingeschränkt werden.
IGM-Bezirksleiter Zitzelsberger hat die Kapitalforderungen im Info als Dreistigkeiten bezeichnet. Eine schlagkräftige Antwort hat es auf die Nullrunden- und „automatische Lohn-Reduzierungs-Forderung“ allerdings noch in keinem Tarifgebiet gegeben. Die IGM-Führung verschanzt sich hinter dem angeblichen „Rückenwind“ ihrer Beschäftigten-Befragung und Sprücheklopfereien. Sie will wie auch 2020 vor Ende der „Friedenspflicht“ am 1. März 2021 einen Tarifabschluss erreichen. In den letzten 10 Jahren haben sich die Kapitalisten hierbei des Öfteren beim IGM-Vorstand für den Verzicht auf die „alten Rituale“, Warnstreiks usw. bedankt. Ob es wieder dazu kommt, ist mit abhängig vom Verhalten der Belegschaften. Die diskutieren bei der IGM in NRW die Vorbereitung von Warn- und 24-Std.- den sogenannten Powerstreiks und in Baden-Württemberg hat IGM-Bezirksleiter Zitzelsberger nach der ersten Verhandlung am 16 Dezember 2020 erklärt: „Wir haben bereits bewiesen, dass auch mit Maske, Abstand und unter Einhaltung aller erforderlichen Hygienebedingungen verschiedene Protest-Aktionen möglich sind. Das sieht dann vielleicht anders aus als vor drei Jahren, Druck ausüben können wir aber auch unter Corona-Bedingungen.“
Das „Druckausüben“ geht in den Betrieben bei den Metall- und Elektrokapitalisten rd. 3,9 Millionen Lohnabhängige, davon in Baden-Württemberg eine Million an. Darunter viele IG-Metallerinnen und -Metaller. Für sie alle gelten die Tarifverträge der IGM. Sie können trotz Friedenspflicht und Corona diskutieren, was notwendig ist, um sie gegen die Dreistigkeiten des Kapitals zu verteidigen. Z. B. wie oben vom IGM-Bezirksleiter festgestellt: durch Organisierung von Protest-Aktionen, von Warnstreiks und mehr. Das als Voraussetzung dafür, um wieder zu lernen, spontan auf Angriffe des Kapitals zu reagieren und gemeinsam als Klasse für unsere Zukunft zu handeln und zu kämpfen und dabei den maßgeblich von der IGM-Führung verbreiteten Hirnriss von der Zukunftsgestaltung gemeinsam mit dem Kapital zu beseitigen.
Ludwig Jost
... ist die Überschrift einer Pressemitteilung bei der DPA, unter der es heißt:
„Unmittelbar vor der zweiten Tarifverhandlungsrunde in der deutschen Metall- und Elektroindustrie erwartet Gesamtmetall-Präsident Stefan Wolf keine Streiks in seiner Branche. Grund sei die ernste Coronalage, sagte der Industrieverbandschef in einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung (Freitag). ,Die Beschäftigten wollen, dass ihre Jobs erhalten werden. Streiks helfen da nicht’, behauptete er ... “ (dpa/jW 16./17. Jan. 2021)
Es ist natürlich keine Frage, dass die „Beschäftigten ihre Jobs erhalten“ wollen. Das ist im Kapitalistischen System, wo die Lohnabhängigen immer damit rechnen müssen, von Leuten wie dem Kapitalistenpräsidenten einen Tritt zu kriegen, ständige Kampfaufgabe. Wegen Corona sei sowieso nichts zu machen – solche verzagten Anschauungen möchte Wolf verstärken, damit in der Praxis auch tatsächlich nichts gemacht wird. Dass die IGM-Führung auch noch die Job-Sicherung als oberstes Ziel sieht, arbeitet ihm dabei in die Hände.
Im Gegensatz zu den o. g. Aussagen von IGM-Bezirksleiter Zitzelsberger aus Baden-Württemberg gibt es auch in Gliederungen der IGM, bei Funktionären und Mitgliedern, die Meinung, aufgrund der Coronapandemie wären keine schlagkräftigen Aktionen, wie Warn- oder 24-Std.-Streiks oder anderes möglich. Im Info-Flugblatt vom IGM-Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen über die ersten Verhandlungen unter Corona-Bedingungen heißt es: „Wegen des am 16. Dezember beginnenden verschärften Lockdowns wurde zum Schutz der Beschäftigten auf alle verhandlungsbegleitenden Aktionen verzichtet. Keine Fahnen, keine Trommler, keine Transparente vor dem Haus der Wirtschaft in Berlin. Aber den Arbeitgebern wurden in der ersten Verhandlung die berechtigten Forderungen der Beschäftigten durch die Verhandlungsführerin Birgit Dietze übermittelt und erläutert.“
Wahrscheinlich hat Kollegin Birgit mit den Kolleginnen und Kollegen im Bezirk nicht tief genug über den Inhalt ihrer Flugblattaussagen nachgedacht. Mit anderen Worten und etwas Humor ausgedrückt, heißen sie auch zur Freude des Kapitals im von Angriffen auf die Arbeiterklasse verseuchten „Haus der Wirtschaft“: Macht nur gar nichts, bleibt im Betrieb, in den Wasch- und Essräumen an den Maschinen und in den Büros, da seid ihr sicher. Das bisschen Gedränge morgens und abends in den Nahverkehrsmitteln, in Bussen, U-Bahnen und Zügen übersteht ihr mit links. Sicher es geht um Leben und Tod, wie viele Virologen, die Kanzlerin und auch Politiker immer wieder sagen. Die Gefahren lauern nicht in der Fabrik, in den Betrieben, sondern im Feierabend, beim Kontakt mit der Familie, bei mehr als 2 Personen und nach 21 Uhr abends, wenn die Viren wie Fledermäuse besonders aktiv sind.
Spaß beiseite, aber bei dem, was hier über die Sicherheit in den Betrieben verbraten wird, können die Kapitalisten über Betriebstore sonstige Eingänge den Slogan hängen: Hier betreten sie den virenfreien Sektor Deutschlands und für abends, wenn die Arbeitskraft 8 Stunden ausgebeutet und ausgelaugt ist, Schilder wie in Zeckengebieten mit der Aufschrift: „Vorsicht Covid-19-Viren Betreten auf eigene Gefahr!“
Wer arbeitet, seine Arbeitskraft im Betrieb ausbeuten lassen kann, der kann/muss auch streiken.
„Es ist nicht neu, wenn sich Menschen vor Werkstoren mit roten Fahnen versammeln. Aber das ist nicht wirklich konstruktiv. Die Gewerkschaft muss sich stattdessen inhaltlich einbringen und sagen, wie sie sich eine moderne Industriegesellschaft vorstellt. Klimaschutz ist wichtig, aber Arbeitsplätze und Wohlstand auch. Wir Arbeitgeber berücksichtigen das alles. Aber die IG Metall muss das auch tun – und da gehört zu, dass sie auch mal Abstriche macht.“ (Gesamtmetall-Präsident Wolf)
Zum Zeitpunkt seiner Aussage (13. 12. 2020), kannte Präsident Wolf die Aussage des IGM-Vorstands in der Januar metallzeitung S. 2 noch nicht: „Mit Hirn und Herz kämpfen Metaller und Metallerinnen für ihre Arbeit“.
„Überall im Land kämpfen Beschäftigte für Investitionen in neue Technik, für ihre Arbeit der Zukunft. Und die Manager? Außer Personalabbau, Ausgliederung, Schließung und Verlagerung fällt ihnen wenig ein. (...) Die Beschäftigten wollen wissen, wie sie morgen arbeiten werden. Deshalb entwickeln Betriebsräte und Vertrauensleute gemeinsam mit der IG Metall Konzepte für die Zukunft. Von allein bringen die Unternehmer das offenbar nicht zustande.“
Unter kapitalistischen Bedingungen heißt das, die Ausgebeuteten entwickeln den Ausbeutern, den Kapitalisten, den Produktionsmittelbesitzern, Konzepte für die zukünftige Ausbeutung ihrer Arbeitskraft und fürs Profitmachen, weil die Ausbeuter ihr Geschäft nicht verstehen. Wenn das so ist, wozu gibt es dann überhaupt Ausbeuter? Da wäre es doch besser, wir nehmen die Produktion selber in die Hand und machen Konzepte für unsere Zukunft!
„Deutschland hat großes Gewicht in der EU, zumal von hier auch ein großer Teil der Zahlungen an die EU-Kasse herkommt. Deshalb ist es auch für Europa wichtig, dass es Deutschland gut geht.“ (Stefan Wolf, Interview mit der Zeitung „Die Welt“ am 13.12.2020)
Außer den im Artikel zitierten Aussagen hat Gesamtmetallchef Wolf zur zweiten „Abweichungsmöglichkeit“ von den Tarifverträgen erklärt: „Daneben müssen wir betrieblich abweichen können, weil nicht alle Probleme durch einen Automatismus erfasst werden. Da stelle ich mir vor, dass die Geschäftsführung eine Differenzierung gemeinsam mit dem Betriebsrat verhandeln kann – und zwar ohne die Gewerkschaft. Wenn die IG Metall mit am Tisch sitzt, wird es immer kompliziert, erst recht, wenn ein Unternehmen Standorte in mehreren Tarifregionen hat.“
Bei dieser Forderung legen die Kapitalisten die Platte auf: „Steter Tropfen höhlt den Stein“. Es ist die Forderung, über die wir immer wieder in der KAZ berichtet haben: Gewerkschaften „raus aus den Betrieben“, um die Betriebsräte – sie haben kein Streikrecht – unter Druck zu setzen und zu erpressen. Das ist gleichzeitig ein Angriff auf den §en 77 Abs. 3 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG), worin festgeschrieben ist: „Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt.“
Bei der Verwirklichung dieser Forderung sollen die Betriebsräte die Tarifverträge solange in die Tonne treten und durch „ergänzende Betriebsvereinbarungen“ ersetzen, bis der § 77 des BetrVG als überflüssig geworden, aus dem Gesetz gestrichen werden kann. Das wäre das Ergebnis, wenn die IGM-Führung bzw. generell der DGB sich auf so etwas einlässt.
Foto der Metall Titelseite vom November 2020. Die Überschrift „Zukunft oder Widerstand“ offenbart die ganze Misere: Nicht entweder oder – wir brauchen Widerstand um eine wirkliche Zukunft zu haben!
Die „Erfinder“ der Agenda 2010, Gerhard Schröder (vorne) und Peter Hartz (hinten), der als Namensgeber für einen Teil der „Reform“ in die deutsche Geschichte eingegangen ist.
Streik: Lernen als Klasse gemeinsam zu handeln und für unsere Zukunft zu kämpfen