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KAZ-Fraktion: „Ausrichtung Kommunismus”

Vor 80 Jahren: Deutsch-Sowjetischer Nichtangriffsvertrag

Stalin durchbricht die Einkreisung

Der Weg zum deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrag begann mit dem Frieden von Brest-Litowsk vom März 1918. Dort mussten die Revolutionäre an der Macht – vier Monate nach der Oktoberrevolution – dem (noch) überlegenen deutschen Imperialismus bittere Zugeständnisse machen, um den Hort des Neuen zu schützen. Was die deutschen Militaristen nicht schafften, sollte die Intervention von 14 ausländischen Mächten erreichen, die in den von ihnen geschürten, bezahlten und mit eigenen Truppen geführten Bürgerkrieg zum Sturz der Räte-Herrschaft in Russland eingriffen. Das vom Weltkrieg im Kampf gegen Deutschland und Österreich (nicht zu vergessen deren Verbündete Türkei, Ungarn und Bulgarien) bereits geschwächte Land wurde im über vier Jahre währenden Bürgerkrieg in weiten Teilen buchstäblich in Trümmer gelegt.

Neben den imperialistischen Großmächten Deutschland[1], Großbritannien, Frankreich, Japan und USA, waren in deren Sog auch Länder wie Polen und die Tschechoslowakei beteiligt. Die Rote Armee hielt der scheinbar so erdrückenden Übermacht stand. Durch ihren Sieg konnte auch diplomatisch mit dem Vertrag von Rapallo (1922) die Isolation der jungen Sowjetunion durchbrochen werden.

Um der Bedrohung durch den Hitlerfaschismus entgegenzutreten und den Entente-Mächten entgegenzukommen, tritt die UdSSR 1934 dem Völkerbund bei, kurz nachdem Nazi-Deutschland seinen Austritt erklärt hatte.

Für eine Beurteilung des deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrags sind das Bündnis der UdSSR mit Frankreich (1935) anzuführen, die Vorstöße der UdSSR für ein „System der kollektiven Sicherheit“ gegen die Aggressivität der faschistischen Staaten, die Angebote einer gemeinsamen Verteidigung der Tschechoslowakei gegen Hitler statt Münchner Abkommen der Westmächte mit Hitler und Mussolini, die Angebote 1939, um mit England, Frankreich, Polen und Rumänien für eine strategische Allianz zum gemeinsamen Kampf gegen Hitler-Deutschland, auf die Anstrengungen, um vor allem mit England 1939 zu einem Bündnis zu kommen.

Gerade die Rolle der Westmächte ist zu thematisieren, die sich von Anfang an weigerten, auf die Vorschläge einzugehen. Sie hielten stattdessen 1936 beim faschistischen Putsch der Generäle um Franco in Spanien still und sahen bei seiner Unterstützung durch die faschistischen Staaten „ganz neutral“ zu. Dies im Angesicht der massiven Aufrüstung des deutschen Imperialismus, des Nazi-Vierjahrplans (1936) und des Antikominternpakts mit Japan (1936) und Italien (1937), der direkt auf die Sowjetunion gemünzt war. Sie überließen Österreich 1938 entgegen geltenden Verträgen den Nazis. Sie lieferten mit dem Münchner Abkommen die Tschechoslowakei an den deutschen Imperialismus aus.[2] Im März 1939 sahen sie dem Bruch des Münchner Abkommens und dem Einmarsch der Nazi-Wehrmacht in Prag reglos zu. Am 28. März marschierten Franco-Truppen in Madrid ein, die spanische Republik wurde liquidiert. England, Frankreich und die USA erkannten das Franco-Regime diplomatisch an, während sie die Verhandlungen mit der Sowjetunion um ein Friedensabkommen seit dem Frühjahr 1939 systematisch schleifen ließen. Die Appeasement-Politik[3] der Westmächte war nichts Anderes als die Vorgabe an den deutschen Imperialismus, sich doch gefälligst auf die UdSSR zu stürzen.

Gänzlich ausgeblendet wird in den geifernden Verurteilungen des deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrags[4] die Bedrohung der UdSSR im Osten: Japan hielt seit 1931 die an die Sowjetunion grenzende Mandschurei besetzt. 1937 erfolgte der Überfall des mit Hitlerdeutschland und Italien verbündeten Japan auf China. Dann rückte Japan 1938 zum direkten Angriff auf die Sowjetunion in Armeestärke am Chassansee (chinesisch: Dschanggaofeng) vor. In der Schlacht am Chalchin Gol (chinesisch: Nomonhan) wurden die japanischen Truppen von der Roten Armee zurückgeschlagen! Und zwar am 22. August 1939!

Der drohenden Einkreisung machte die sowjetische Führung mit Stalin an der Spitze durch die Unterzeichnung des deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrags am 24. August 1939 in Moskau einen Strich durch die Rechnung. Die Sowjetunion gewann dadurch fast zwei Jahre Zeit und nutzte sie, um die Stärke aufzubauen, die dem deutschen Faschismus nach einem furchtbaren Ringen schließlich 1945 das Genick brach.

Der Vorwurf an die Sowjetunion, sich durch den Vertrag und das Zusatzabkommen in den Besitz eines Teils Polens gebracht zu haben, geht ins Leere. Pilsudski-Polen hatte sich dieses Gebiet selbst völkerrechtswidrig angeeignet und sich geweigert, auf die 1919 von den Siegermächten vorgeschlagene Curzon-Linie zurückzugehen. Stattdessen hatte die polnische Staatsführung der im Bürgerkrieg ausgebluteten Sowjetunion im Frieden von Riga 1921 ein Gebiet etwa 250 km östlich dieser Linie abgepresst. Auf diese Linie rückten jetzt im September 1939 sowjetische Truppen vor. Für viele Polen bedeutete der Einmarsch der Sowjetunion schlicht und einfach Rettung des Lebens, mit dessen Vernichtung die Nazis nach dem Überfall auf Polen sofort und in ungeheuerlichem Maß begannen. Die Sowjetunion gewann einen Sperrgürtel gegenüber dem deutschen Aggressor, der nicht einmal zwei Jahre später in die Sowjetunion einfiel und über dessen feindliche Absichten die sowjetische Führung niemals Zweifel hatte.

Natürlich war dies alles für die sowjetische Führung eine schwere Entscheidung. Sie wusste, welche Verwirrung dieser Vertrag mit der aggressivsten imperialistischen Großmacht der damaligen Welt stiften konnte, welchen Schaden für das Ansehen der Sowjetunion als Friedensmacht und Trägerin des sozialen Fortschritts, des Sozialismus, dies haben konnte. Genüsslich schlachten bis heute die westdeutschen Historikerwichte die Zwangslage aus, in der sich z.B. die KPD befand, die im Kampf mit dem Faschismus stand, deren Vorsitzender im Gefängnis saß und deren Genossen in den KZ gequält wurden. Sie mussten erfahren, dass die Führungsmacht des Sozialismus mit der Führungsmacht des Faschismus einen Nichtangriffsvertrag abschloss. Waren also die Kommunisten und die Nazis doch vom gleichen „totalitären“ Holz?

Die Sowjetunion als das Hassobjekt des ganzen imperialistischen Lagers konnte und durfte aber nicht warten, bis sich die Imperialisten untereinander geeinigt hatten und gemeinsam über das Land herfielen, sondern sie hatte die Widersprüche unter den Imperialisten auszunutzen, um selbst überleben zu können – nicht nur als Sowjetunion, sondern als Land der Slawen und Heimat vieler anderer Völker, die Hitler bestrebt war zu versklaven und auszurotten. 1939 hatte die Sowjetunion festzustellen, dass ihr die internationale Arbeiterklasse u.a. wegen der faschistischen Unterdrückung keine Unterstützung geben konnte. Außer dem chinesischen Befreiungskampf gab es keine relevante Befreiungsbewegung, die dem Land hätte Entlastung bieten können. Die Westmächte hatten die Sowjetunion am ausgestreckten Arm verhungern lassen, während sie bei Hitler ankrochen. Das war der Stand im August 1939.

Die Politik der Westmächte war sogar noch bis zum Überfall Deutschlands auf Frankreich im Juni 1940 darauf gerichtet, keinen Krieg gegen Deutschland zu führen, sondern den Krieg gegen die sozialistische Sowjetunion zu lenken und Hitlerdeutschland als die Speerspitze des Imperialismus zu nutzen. In führenden Kreisen des französischen Monopolkapital hieß es bezeichnenderweise: Lieber Hitler als die Volksfront! Frankreich erklärte zwar am 3. September 1939 Deutschland den Krieg, aber Krieg gegen den Aggressor, der gerade den französischen Bündnispartner Polen überfiel, wurde faktisch nicht geführt. Einen „drôle de guerre“, einen komischen Krieg, nannten es die Zeitgenossen. Wie leicht hätte Deutschland in die Zange genommen werden können. Stattdessen versprachen Frankreich ebenso wie England ein Expeditionskorps nach Finnland zu schicken, um den Faschisten und Hitlerfreund Mannerheim in seinem Krieg gegen die Sowjetunion zu unterstützen.[5] Und von den USA ganz zu schweigen, die traten erst nach dem Überfall der japanischen Imperialisten auf Pearl Harbour am 7. Dezember 1941 in den Krieg. Und Hitler erklärte den USA den Krieg, nicht umgekehrt – nachdem führende US-Monopole wie Ford, General Motors, Exxon, ITT das Naziregime seit 1933 bis in den Krieg hinein unterstützt hatten und z.T. auch nach dem Dezember 1941 noch kollaborierten.

Das sind Fakten und eine knappe Skizze des Milieus, in dem der 2. Weltkrieg vom deutschen faschistischen Imperialismus vom Zaun gebrochen wurde.

Statt der 227. Hinrichtung Stalins wegen des deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrags stünde es nicht nur Historikern und Journalisten aus Größerdeutschland im 80. Jahr nach Beginn des 2. Weltkriegs besser zu Gesicht, daran zu mahnen und dagegen aufzustehen, dass der deutsche Imperialismus wieder Krieg führt um die Neuaufteilung der Welt und mit der NATO an der russischen Grenze steht.

R. Corell

1 Deutsche Truppen operierten sogar noch nach dem Waffenstillstand an der Westfront vom 11. November 1918 bis in den Sommer 1919 hinein gegen Sowjetrussland – zunächst mit Zustimmung der Entente-Mächte. Das waren die berüchtigten Baltikum-Freikorps unter General von der Goltz, die im Mai 1919 sogar Riga besetzten.

2 Im Übrigen ließen sich auch die reaktionären Regimes in Polen und Ungarn zu Komplizen bei der Zerschlagung der Tschechoslowakei machen – an der Seite von Hitler und Mussolini und gedeckt durch England und Frankreich. Polen fiel im Oktober 1938 in den tschechischen Teil des Teschener Lands ein, Ungarn in die Slowakei.

3 Appeasement steht für Befriedung, hier: Hitlerdeutschland (das Gleiche galt weitgehend auch gegenüber Japan) durch immer weitergehende Zugeständnisse „befrieden“. Dieser Begriff, in der hiesigen Geschichtsschreibung buchstäblich „eingebürgert“, täuscht darüber hinweg, dass Hitler angestachelt werden sollte nach Osten zu marschieren als „Degen des Imperialismus“ statt den Krieg mit den Westmächten zu beginnen.

4 s. zuletzt Der Spiegel 34/2019: „80 Jahre nach dem Hitler-Stalin-Pakt(!) rechtfertigen Putin-Getreue die damalige Aufteilung Osteuropas zwischen den Diktatoren.“ Allein die Bezeichnung des Nichtangriffsvertrags als „Pakt“ deutet schon auf die hetzerische Motivation und Intention der bürgerlichen Journaille hin.

5 Finnische Truppen an der Seite Nazi-Deutschlands traten im Juni 1941 in den Krieg gegen die Sowjetunion ein. Sie belagerten Leningrad von Norden her auch noch bis in den August 1944, selbst als die Nazi-Wehrmacht sich im Januar 1944 zurückziehen musste.

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