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Für Dialektik in Organisationsfragen

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Diesen Artikel haben wir aus der Fanfare – Das Infoblatt der Freien Deutschen Jugend – Nr. 45, Okt.2007, entnommen.

Geschichtsrevisionismus à la Germany, 2007, die Zweite: Entschädigung und Wiedergutmachung für Nazis

So, nun ist also das lästige Kapitel der Entschädigung und Wiedergutmachung für die Opfer Nazideutschlands abgeschlossen, ein perfekt inszenierter Schlußstrich gezogen. Der Weg in die altbewährte Zukunft ist offen. Deutsche Vergangenheitsbewältigung schreibt die Totalitarismustheorie in ihr Gedenkstättenkonzept, mit einer Zusammenfassung aller Opfer aller „deutscher Diktaturen“ – der „braunen“ wie der „roten“. Aber das ist lang noch nicht alles. Während die Leitartikler und andere Denker darüber sinnieren, wie viel SED-Opferkult es in Hinblick auf das größte deutsche Verbrechen (oder die größte deutsche „Katastrophe“?) geben darf, wie viel Gewicht den „Gedenkstätten“ Höhenschönhausen, Sowjetische Speziallager in Buchenwald oder Sachsenhausen, Bautzen oder anderen gegenüber den faschistischen deutschen Konzentrations- und Vernichtungslagern eingeräumt werden darf, währenddessen ist ein Gesetz für die Opferrente „Verfolgter des SED-Regimes“ längst beschlossen.

Wenngleich BILD und BZ noch lange darüber lamentierten, dass zu wenige SED-Opfer zu wenig „Ehrenrente“ erhielten, verabschiedete der Bundestag diesen Sommer das 3. SED-Unrechtsbereinigungsgesetz. Dies sieht eine Pension für Personen vor, die in der DDR aus politischen Gründen inhaftiert waren. Jedem mindestens sechs Monate Inhaftierten, der in seiner wirtschaftlichen Lage besonders beeinträchtigt ist, wird eine „Opferpension“ von monatlich 250 Euro gewährt. Grundlage dieses Gesetzes ist das sogenannte Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz, worin die „Opfer“ des „SED-Unrechtsstaats“ definiert werden nach Verurteilungen gemäß den Bestimmungen der DDR über u.a.:

- Staatsfeindliche Hetze (§ 106 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. Januar 1968 in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 1988, GBl. 1989 I Nr. 3 S. 33);

- Boykotthetze gemäß Artikel 6 Abs. 2 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7. Oktober 1949 (GBl. I Nr. 1 S. 5);

- oder nach den Verurteilungen aus den Waldheimer Prozessen 1950, die „mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar sind“.[1]

Ein genauerer Blick in das Strafgesetzbuch der DDR und die Verfassung der DDR von 1949 lohnt sich allemal, um Aufschluss darüber zu erhalten, wer denn nun alles in den Genuss der 250 € im Monat kommen wird.

Nach § 106. Staatsfeindliche Hetze (Strafgesetzbuch), wurde u.a. mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft, „wer den Faschismus oder Militarismus verherrlicht“ oder selbiges vorbereitet und versucht.[2]

In Artikel 6 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik von 1949 wurde folgendes festgelegt:

Alle Bürger sind vor dem Gesetz gleichberechtigt. Boykotthetze gegen demokratische Einrichtungen und Organisationen, Mordhetze gegen demokratische Politiker, Bekundung von Glaubens-, Rassen-, Völkerhass, militaristische Propaganda sowie Kriegshetze und alle sonstigen Handlungen, die sich gegen die Gleichberechtigung richten, sind Verbrechen im Sinne des Strafgesetzbuches.[3]

Als dritter Faktor erscheinen die sog. Waldheim Prozesse im „Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz“. In diesen Strafverfahren wurden fast 3.500 Nazis vor Gericht gestellt. In den Verfahren wurden alliierte Besatzungsrechte angewendet, z.B. das Kontrollratsgesetz Nr. 10 vom 20.12.1945 und die Kontrollratsdirektive Nr. 38 vom 12.10.1946. Straftatbestände waren Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen im engeren Sinne und Verbrechen gegen die Menschlichkeit; die Angeklagten wurden in fünf Hauptgruppen unterteilt: Hauptschuldige, Belastete, Minderbelastete, Mitläufer und Entlastete. Fast 3.300 wurden zu bis zu lebenslänglichen Haftstrafen verurteilt, das Gericht sprach außerdem 33 Todesurteile aus.[4]

Nirgendwo im bundesdeutschen Strafrehabilitierungsgesetz findet sich ein Vermerk, dass verurteilte Faschisten von den „Opferrenten“ ausgeschlossen wären – also sind auch sie bezugsberechtigt. Die BRD bleibt also ihrem alten Grundsatz als Rechtsnachfolger des „Dritten Reichs“ treu: Renten für alte und neue Nazis und ihre Angehörigen, während die wahren Opfer mit Handgeldern und viel zu später Rehabilitierung abgespeist werden. Überrascht?

Wes Geistes Kind die Vorsitzenden der „SED-Opfer-Gedenkstätten“ sind, zeigt die Auslobung des „Walter-Linse-Preises“ in der Gedenkstätte Hohenschönhausen, Berlin. 5.000 € sollen alle zwei Jahre vergeben werden, um „,zur kritischen Auseinandersetzung mit der kommunistischen Diktatur und dem System der politischen Justiz in der DDR anzuregen.’ … [E]ine vom Dresdner Hannah-Arendt-Institut herausgegebene Biografie … [kommt] zum Schluss: ,Walter Linse hat … hat an der Arisierung der Chemnitzer Wirtschaft mitgewirkt, indem er Gutachten schrieb, externe Gutachter auswählte, die Betroffenen anhörte, sich mit anderen Behördenvertretern ins Benehmen setzte.’ Seit September 1938 fiel die Arisierung innerhalb der IHK in Linses Zuständigkeitsbereich.“ (Berliner Zeitung, 25.07.2007)

1 http://db03.bmgs.de/Gesetze/strehag01.htm

2 http://de.wikisource.org/wiki/Strafgesetzbuch_%28DDR%29

3 http://www.verfassungen.de/de/ddr/ddr49-i.htm

4 http://www.rote-hilfe.de/publikationen/die_rote_hilfe_zeitung/1998/2/siegerjustiz

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