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Was tun?

Zwei Vorschläge für antimilitaristische Aktionen von Rolf Vellay ­anläßlich eines Treffens der „Initiativgruppe für die Rehabilitierung der Opfer des Kalten Krieges“ am 27.6.98

Unser Zusammentreffen, möchte ich nutzen, zwei auf zukünftige Aktivitäten gewichtete Vorschläge zu machen. Eine lebhafte Auseinandersetzungen findet ja zur Zeit statt, um die besonders in diesem Jahr zu Wahlkampfzeiten inszenierten sogenannten „Öffentlichen Gelöbnisse“ der Bundeswehr. Immerhin war es ja in Berlin gelungen zu verhindern, daß diese Demonstration des Militarismus wie ursprünglich geplant ausgerechnet zum Jahrestag des konterrevolutionären Putschversuchs am 17.Juni 1953 stattfindet. Als Ersatztermin suchte sich dann der Kriegsminister Rühe ein in der deutschen Geschichte wahrhaft makaber belastetes Datum aus - den 10.Juni, an dem die SS 1941 das Dorf Lidice in der Tschechoslowakei dem Erdboden gleich machte, alle über 16 Jahre alten Männer ermordete, die Frauen und Kinder in die Konzentrationslager verschleppte, wo nur wenige überlebten. Vier Jahre später, ebenfalls am 10.Juni, brannten SS und Wehrmacht das französische Dorf Oradour nieder und rotteten die Bevölkerung fast völlig aus. Erst in diesem Jahr ist mir das Zusammenfallen beider Verbrechen auf ein Datum richtig bewußt geworden. Daher der Vorschlag, um in der Frage der öffentlichen Gelöbnisse der Bundeswehr die bisherige reine Abwehrhaltung zu überwinden und in die Offensive zu kommen: können wir nicht von hier aus an alle fortschrittlichen Organisationen und Einzelpersönlichkeiten in der Bundesrepublik einen Appell richten, sich in einer gemeinsamen Initiative zusammenzuschließen und an einem repräsentativen Ort unseres Landes in Zukunft in jedem Jahr am 10.Juni in Erinnerung an die von Deutschen begangenen schrecklichen Greueltaten von Lidice und Oradour - stellvertretend für alle anderen Verbrechen des deutschen Militarismus und Nazismus in zwei Weltkriegen - ein feierliches ­Öffentliches Gelöbnis abzulegen unter der Losung „NIE WIEDER“? Den Opfern sind wir die Erinnerung schuldig, den jungen Menschen die verpflichtende Mahnung, nicht zu vergessen und zu verdrängen, was von organisierten deutschen Waffenträgern „im deutschen Namen“ begangen worden ist, wie sich unser Bundeskanzler mit entlarvender Distanzierung auszudrücken beliebt. Ein solches demonstratives Gelöbnis ist umso wichtiger in einer Zeit, da erstmals nach dem Hitlerkrieg deutsche Soldaten bereit stehen zu Kampfeinsätzen im Ausland und damit potentiell die Gefahr neuer Kriegsverbrechen durch deutsche Soldaten gegeben ist.

Zweiter Vorschlag: auch er dient der Erinnerung und kann dazu beitragen, die fortschrittlichen Kräfte aus der bloßen Abwehrhaltung gegen reaktionäre Umtriebe in die Offensive zu führen. In der kleinen Berliner DKP-Publikation „Rotfuchs“ wurde kürzlich kritisch der Umstand aufgegriffen, daß in der bürgerlichen Presse zunehmend Traueranzeigen mit dem Symbol des Eisernen Kreuzes veröffentlicht werden, in denen an den Tod von Soldaten im Hitlerkrieg erinnert wird. Der Tod dieser Menschen, die Opfer des Raub- und Vernichtungskrieges des deutschen Imperialismus wurden, wird dann oftmals als „Dienst am Vaterland“ verstanden. Mögen Angehörige der Verstorbenen das auch heute noch so sehen - ich vermute hinter dieser Häufung solcher Anzeigen, die ich in letzter Zeit in der FAZ beobachte, ganz andere Absichten. Wie das aussieht, demonstriere ich hier mal an Hand dieser Ablichtungen. Gut, was den einen recht, ist den anderen billig - was hindert uns Menschen des antifaschistischen Deutschland daran, in der „Frankfurter Allgemeinen“ zum Beispiel jedes Jahr anläßlich der Wiederkehr des Datums der Ermordung von Ernst Thälmann und Rudolf Breitscheid im Konzentrationslager Buchenwald eine Gedenkanzeige mit schwarzem Rand aufzugeben? Immerhin hat der vormalige Bundespräsident v. Weizsäcker auch einmal die Opfer aus den Reihen des kommunistischen Widerstandes gewürdigt. Gleiches könnte man machen im Zusammenhang mit der jährlichen Gedenkkundgebung für Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg. Es wird sich ja zeigen, ob die bürgerlichen Zeitungen, wenn sie uns schon redaktionell weitgehend ausgrenzen, solche Anzeigen ablehnen. Ich jedenfalls werde versuchen, einen Kreis von Spendern zusammenzubringen, um solche Anzeigen zu finanzieren. Und es muß nicht bei den bekanntesten Namen bleiben: Überall in Deutschland hat der Faschismus unter den Widerstandskämpfern gemordet und die Erinnerung an ihr Sterben für ein besseres, friedliches Deutschland kann man mit solchen Anzeigen in der örtlichen Presse wach halten. Vielleicht findet sich ja auch unter Euch Unterstützung für eine solche Initiative.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

Rolf Vellay

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