Solidarität
Da staunt selbst Horst Seehofer: „Dann wäre ich auch ein Verfassungsfeind”, grinste der Bundesinnenminister neulich blöd auf einer Pressekonferenz zur Vorstellung des so genannten „Verfassungsschutzberichts” für 2020. NDR-Journalist Hans Jessen hatte ihn gefragt, was die junge Welt zu einer „Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung” mache. Den Begriff „Klassengesellschaft” verwende er zwar nicht, allerdings sei die Spaltung der Gesellschaft natürlich unbestreitbar, so Seehofer weiter.
Eine Anfrage der Bundestagsfraktion der Partei DIE LINKE hatte die gleichermaßen dreiste wie absurde Begründung ans Licht gebracht, mit der der so genannte „Verfassungsschutz” die Tageszeitung junge Welt seit 2004 beobachtet: Die „revolutionären marxistischen Grundüberzeugungen” des Blattes richteten sich gegen die „Grundprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung”, heißt es in der Antwort des Bundesinnenministeriums. So widerspreche etwa „die Aufteilung der Gesellschaft nach dem Merkmal der produktionsorientierten Klassenzugehörigkeit der Garantie der Menschenwürde”.
Der reaktionäre Staatsumbau ist erschreckend weit fortgeschritten, wenn Offensichtliches nicht mehr benannt werden dürfen soll. „Ein Großteil der modernen Sozialwissenschaften, insofern diese objektivierbare soziale Strukturen kritisch analysieren, fielen unter das Verdikt der Freiheitseinschränkung”, folgert der Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Angriff des so genannten „Verfassungsschutzes” zielt also bis weit ins bürgerliche Lager. Höchst besorgt zeigen sich auch Gewerkschafter. „Wenn sich diese Interpretationen durchsetzen, hätte das fatale Folgen. Es würde marxistische Positionen diskreditieren und ihre Vertreter unter den Pauschalverdacht der Verfassungsfeindlichkeit stellen”, sorgt sich Hans-Jürgen Urban, Vorstandsmitglied der IG Metall, im Interview mit der jungen Welt. Wie soll sich die Arbeiterklasse noch legal organisieren, wenn schon die Feststellung ihrer Existenz als „verfassungswidrig” gilt?
Die staatlichen Angriffe auf die marxistische Tageszeitung kommen der jungen Welt teuer zu stehen. Firmen wie die Deutsche Bahn AG, diverse Kommunen und Radiosender verweigern der Zeitung mit Verweis auf den „Verfassungsschutzbericht” Werbeplätze. Bibliotheken sperren den Onlinezugang zur jungen Welt. Eine Druckerei verweigerte den Druck einer Publikation, in der eine Anzeige der jungen Welt erscheinen sollte. In seiner Antwort auf die LINKEN-Anfrage schreibt das Ministerium unverhohlen, es ginge ihm eben darum, die „Wirkmächtigkeit” des Blattes einzuschränken, ihr den „Nährboden” zu entziehen. Diesem dreisten Angriff auf Meinungs- und Pressefreiheit müssen wir uns entschlossen entgegenstellen. Dazu gehört, die junge Welt durch Abos und Soli-Abos zu unterstützen und bekannt zu machen.
Der so genannte „Verfassungsschutz” ist eine relevante Gefahr: Wer nach unzähligen Skandalen noch meint, diese Terrororganisation schütze die Verfassung, glaubt wohl auch, Zitronenfalter hießen Zitronenfalter, weil sie Zitronen falteten.
Meinungsfreiheit verteidigen, Pressefreiheit verteidigen, Wissen-
schaftsfreiheit verteidigen! „Verfassungsschutz” abschaffen!
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Ein Geheimdienst, der die Erkenntnis der Existenz von Klassen für verdächtig hält, gefährdet die bürgerliche Demokratie, gefährdet nicht nur Marxisten und Kommunisten, sondern gefährdet auch Sozialdemokraten, Gewerkschaften, das freie Wort, Forschung und Lehre, das ganz normale Leben der Arbeiter. Sogar die Politik der Klassenversöhnung, der „Sozialpartnerschaft“, erkennt de facto die Existenz von Klassen an. Wenn das schon unter Verdacht gestellt wird, dann ist das ein weiterer Schritt in Richtung faschistischer „Volksgemeinschaft“.