KAZ-Fraktion: „Ausrichtung Kommunismus”
Dieser Artikel erschien in gekürzter Form vorab am 2. April 2021 in der UZ, S. 13, „Der strategische Wettlauf hat sich verstärkt“.
Im Vorfeld der diesjährigen Münchener „Sicherheitskonferenz“ resümierte die Süddeutsche Zeitung am 20./21.02.2021: „China folgt einem Aufstiegsplan, der nach der ökonomischen Führung in der Welt auch die militärische Dominanz zumindest in der Region vorsieht. (Hervorgeh. d. Verf.) Dies wäre nicht verwerflich, wenn nicht Ziel dieses Aufstiegs der Sieg im Systemkonflikt wäre, die Durchsetzung eines autoritären, technologiegesteuerten Staates, der seinen Bürgern die Freiheit nimmt und den Herrschaftsanspruch der Partei zementiert.“
China ist es im Verlauf seiner neueren Entwicklung nach der siegreichen Revolution 1949 und insbesondere durch seine „sozialistische Marktwirtschaft“ seit 1979 unter Führung der Kommunistischen Partei Chinas (KP Chinas) gelungen, sich zur zweitgrößten Wirtschaftsmacht direkt hinter den USA zu entwickeln.[1] Es meldet zuletzt jährlich weltweit die meisten neuen Patente an und seine Wissenschaftler sind verantwortlich für die meisten Publikationen weltweit. Bei der Entwicklung der Datenströme ist China führend (5G). Gleichzeitig wurde die Armut in Riesenschritten zurückgedrängt (Pro-Kopf-Einkommen 2018 in China ca.10.000 $, in Indien 2134 $) und das Sozialversicherungssystem flächendeckend in den letzten 30 Jahren entwickelt. Die Unterschiede zwischen Stadt und Land werden schrittweise abgebaut. Und doch ist China immer noch ein Entwicklungsland und nach dem Human Development Index der UN von 2020 immer noch auf Platz 85 von 189 nach Armenien, Nord-Mazedonien und Kolumbien! Deutschland belegt dabei im Vergleich Platz 6. Auch der IWF stuft China auf Grund seines Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukts als Entwicklungsland ein. Dies mag überraschen angesichts der Industriestädte im Osten und Süden Chinas wie Schanghai, Peking oder Shenzhen. Aber dabei ist die Größe des Landes und seiner Bevölkerung zu berücksichtigen, was Deng Xiaoping vor Jahren so formulierte: „Alles wird viel, wenn man es mit einer Milliarde multipliziert und alles wird wenig, wenn man es durch eine Milliarde dividiert.“ (Der Faktor ist zwischenzeitlich 1,4 Milliarden.) Das heißt aber mit anderen Worten, die VR China unter Führung ihrer kommunistischen Partei benötigt in den nächsten Jahrzehnten friedliche Zeiten für eine weitere Entwicklung ihres Landes und seiner Bevölkerung! Frau Fu Ying, die Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Nationalen Volkskongress sagte auf der Münchener „Sicherheitskonferenz“ 2018: „Chinas Erfolg beweist, dass es Alternativen zu dem vom Westen angebotenen Modell gibt. Doch China hat kein Interesse an dem sogenannten Systemwettbewerb der Systeme.“ (Hervorgeh. d. Verf.)[2] Xi Jinping formulierte auf dem 19. Parteitag der KP Chinas als Generalsekretär im Oktober 2017 das Ziel, in den Jahren 2020 bis 2035 die sozialistische Modernisierung zu vollenden: „Das große Banner des Sozialismus chinesischer Prägung hochalten, den entscheidenden Sieg der umfassenden Vollendung des Aufbaus einer Gesellschaft mit bescheidenem Wohlstand erringen, um große Siege des Sozialismus chinesischer Prägung im neuen Zeitalter kämpfen und ununterbrochen nach Verwirklichung des chinesischen Traums des großartigen Wiederauflebens der chinesischen Nation streben.“
Neben der Entwicklung in China selbst ist der Jahrhundertplan der „neuen Seidenstraße“ die Grundlage für eine friedliche wirtschaftliche Entwicklung zusammen mit anderen Ländern zum gegenseitigen Nutzen. Mit vielen Milliarden unterstützt dabei China im Rahmen des Projekts der „neuen Seidenstraße“ den Bau von Infrastrukturmaßnahmen in vielen Ländern, um die Möglichkeiten eines freien Handels zu verbessern und die wirtschaftliche Entwicklung ärmerer Staaten zu fördern. Das hauptsächliche Standbein Chinas für den weltweiten Güterverkehr ist jedoch der Handel auf dem Seeweg. Daher ist es für China überlebenswichtig freie Seewege für seinen Handel zu haben. Dies ist auch der Hintergrund, weshalb sich die VR China an verschiedenen zivilen Hafenprojekten in Asien, Afrika und Europa beteiligt.
Die westlichen Staaten und insbesondere die USA sehen diesen zunehmenden weltweiten Einfluss Chinas als Bedrohung ihrer Weltmachtstellung und versuchen auf allen Ebenen den Einfluss der VR China mit ökonomischen (Zöllen, Sanktionen etc.), politischen und militärischen Mitteln zurück zu drängen und China einzukreisen.[3] Die Angst vor der „gelben Gefahr“ wird dabei erneut aus der Schublade gezogen und propagandistisch genutzt!
Auf der anderen Seite ist der Handel mit China und sein Absatzmarkt insbesondere für die EU und hier vor allem Deutschland unersetzlich! Daher bewegen sich die strategischen Überlegungen des Bundesverbands der deutschen Industrie BDI im Spannungsfeld zwischen Kooperation und Provokation (siehe KAZ 366, Das „Grundsatzpapier China“ des BDI – Neuausrichtung des deutschen Monopolkapitals gegenüber der VR China – und die Haltung deutscher Gewerkschaften). Die Bundesregierung hat im September 2020 in den „Leitlinien zum Indo-Pazifik“ ihr besonderes eigenes Interesse an dieser Region betont.[4] Dabei setzt sie sich an der Spitze der EU und mit dem Konzept einer „Multipolarität“ bewusst eigenständig in Szene: „Als global agierende Handelsnation und Verfechter einer regelbasierten internationalen Ordnung darf Deutschland sich im Angesicht dieser dynamischen Entwicklung nicht mit einer Zuschauerrolle begnügen. Der Wohlstand unserer Gesellschaft hängt von offenen Seewegen, physischer und digitaler Konnektivität und der Teilhabe an funktionierenden Wachstumsmärkten ab. Eine neue Bipolarität (USA und China d. Verf.) ... würde diesen Interessen entgegenwirken. ... Wir haben ein hohes Interesse an der Förderung multilateraler Herangehensweisen in der Region ... im Sinne der Festigung einer multilateral eingebetteten, regelbasierten Multipolarität (hervorgeh. d. Verf.) in der Region.“ Soll heißen, zusammen mit Japan, Australien, Südkorea etc. soll die EU gegenüber China eigenständig aber möglichst zusammen mit den USA handeln und die Regeln bestimmen.
Die Chefstrategen in den USA sehen mittel- bis langfristig die Gefahr einer militärischen Auseinandersetzung mit China. Der Historiker und Harvard-Professor und zeitweilige Unterstaatssekretär im Pentagon Graham Allison fasst zusammen: „In zwölf der sechzehn Fälle in den letzten fünfhundert Jahren, in denen es eine rasche Machtverschiebung zwischen einer aufsteigenden und einer vorherrschenden Nation gab, war Krieg das Resultat.“ Auch Henry Kissinger formulierte 2014 auf der Münchener „Sicherheitskonferenz“: „Die Lage in Asien ähnelt mehr und mehr der Europas im späten neunzehnten Jahrhundert, und man kann einen bewaffneten Konflikt nicht ausschließen.“ Soweit die „Visionen“ der imperialistischen Vordenker. Barack Obamas ‚pivot to Asia‘ (2011) läutete einen geopolitischen Schwenk der Hauptinteressen der USA Richtung pazifischen Raum ein. Die seit dem Ende des 2. Weltkrieg bestehende US-amerikanische Dominanz im Pazifik soll gegen Chinas zunehmenden Einfluss mit allen Mitteln aufrechterhalten werden. Seit 2010 wird im Pentagon ein Air and -Battle-Konzept entwickelt, das Kriegshandlungen ‚zur See, auf dem Land, im Weltraum und im Cyberspace bis tief hinein ins chinesische Festland‘ vorsieht. In den letzten Jahren wird zielgerichtet von den USA und seinen Verbündeten an der „Ein China Politik“ betreffend Hongkong- und Taiwan gezündelt und provoziert. Der vermeintliche Umgang mit Minderheiten (früher Tibet und aktuell Xinjiang mit den Uiguren) werden scheinheilig vorgeschoben, um Stimmung gegen die VR China und ihre KP zu machen und die immer offeneren Aggressionen gegen China zu rechtfertigen!
Die lange pazifische Ostküste Chinas (18.000 km) und die dort konzentrierten Häfen und Industriezentren sind die Achillesferse von Chinas Sicherheitsinteressen. Daher ist es ein Hauptanliegen der aktuellen Militärstrategie das defensive Schwergewicht auf die Marine zu verlegen. Wir beziehen uns bei den folgenden Zitaten im Wesentlichen soweit nicht anders vermerkt auf das offizielle „Weißbuch zur Militärstrategie Chinas 2015“ übersetzt aus dem Englischen durch den ehem. Oberst der NVA Bernd Biedermann.[5] Dort wird die wesentliche Sicherheitsstrategie der VR China entwickelt. Zusätzlich haben wir das aktualisierte Weißbuch vom Juli 2019 („Chinas Landesverteidigung im neuen Zeitalter“) herangezogen (ebenfalls in der Übersetzung und Bearbeitung von Bernd Biedermann) wegen neuerer Entwicklungen und veränderter Tendenzen.[6]
„Der Aufbau einer starken nationalen Verteidigung und machtvoller Streitkräfte ist eine strategische Aufgabe des chinesischen Kurses der Modernisierung und eine Garantie für seine friedliche Entwicklung ... China wird noch eine bestimmte Zeit für seine Entwicklung benötigen, eine Periode in der viel erreicht werden kann. (hervorgeh. d. Verf.) Chinas Wettbewerbsfähigkeit, seine zunehmende Widerstandsfähigkeit führen zu wachsendem Einfluss. Der Lebensstandard des Volkes hat sich spürbar verbessert und die chinesische Gesellschaft bleibt stabil ... Als ein großes Entwicklungsland ist China jedoch noch mit vielfältigen und komplexen Bedrohungen konfrontiert. Es gibt allerdings neue Gefahren durch den Hegemonismus, durch Großmachtpolitik und Neo-Interventionismus ... In einem allgemein günstigen Umfeld wird China noch eine gewisse Zeit für seine Entwicklung brauchen. Als großes Entwicklungsland ist China dabei mit vielfältigen und komplexen Bedrohungen wie auch mit externen Einflüssen und Veränderungen konfrontiert. China steht vor der schwierigen Aufgabe, die nationale Wiedervereinigung, seine territoriale Integrität und seine Entwicklungsinteressen zu wahren. Während sich das ökonomische und strategische Zentrum der Welt immer schneller in die asiatisch-pazifische Region verschiebt, betreiben die USA eine Strategie der ‚Rebalance‘.“[4] (Anmerkung B. Biedermann: Die Strategie der „Rebalance“ ist darauf gerichtet, mit allen diplomatischen, ökonomischen und militärischen Mittel die US-Positionen in der Region zu stärken. Dazu sagte Obama in einer Rede vor West-Point-Absolventen im Mai 2014: „Amerika ist die einzige unverzichtbare Nation in der Welt. /.../ Amerika muss immer führen in der Welt. Wenn wir es nicht tun, wird es niemand sonst tun. /.../ Die USA werden ihre militärische Stärke nutzen und sie einsetzen, wenn es unsere Interessen erfordern.“)
„Es geht um Chinas territoriale Souveränität und um seine maritimen Rechte und Interessen, wenn einige Nachbarn provokatorische Aktionen ergreifen und ihre militärische Präsenz im Umfeld von Inseln verstärken, die sie illegal okkupiert haben. Außerdem verletzen sie immer wieder den Luftraum und die Territorialgewässer und führen Nahaufklärung gegen China durch ... Bedrohungen der überseeischen Interessen Chinas bezüglich der Energieversorgung und der Seeverbindungen sowie von Einrichtungen, Personal und Vermögen Chinas im Ausland nehmen zu.“ Und im Weißbuch 2019 präzisiert die VR China: „Die internationale strategische Situation erfährt gegenwärtig grundlegende Veränderungen. Die heutige Welt ist gekennzeichnet von gravierenden Veränderungen, wie sie sich noch nie in einem Jahrhundert vollzogen haben. Die Welt ist im Umbruch. In dieser multipolaren Welt sind Frieden, Entwicklung u. Kooperation unumkehrbare Trends der Zeit. Nichtsdestoweniger gibt es destabilisierende Faktoren u. Unwägbarkeiten der internationalen Sicherheit. Der strategische Wettlauf hat sich verschärft. Die USA haben ihre Strategie geändert und führen eine unilaterale Politik durch, die erneut einen intensiven Wettbewerb zwischen den Hauptländern ausgelöst hat. Sie erhöhen ihre Verteidigungsausgaben, stärken ihr Kernwaffenpotenzial und bauen ein länderübergreifendes Stützpunkt- und Raketenabwehrsystem auf.“[6] ... „Die Inseln im Süd- und Ost-Chinesischen Meer sind unveräußerliches chinesisches Territorium. Die Freiheit der Navigation und des Flugverkehrs wird entsprechend internationalem Recht gewährleistet. Es liegt im fundamentalen Interesse der Nation, die Taiwan-Frage zu lösen und die Wiedervereinigung zu vollziehen. China muss und wird wiedervereinigt werden!“[6]
„Die weltweite Revolution im Militärwesen ist in eine neue Stufe getreten. Weitreichende, präzise, intelligente, unsichtbare und unbemannte Waffen und Ausrüstungen nehmen zu ... Ohne eine starke Armee kann ein Land weder sicher noch stark sein. Chinas Streitkräfte werden in der neuen historischen Periode unter der Führung der KP Chinas und auf chinesische Art ihre historische Mission erfüllen, indem sie die Sicherheit Chinas gewährleisten, seine Interessen sichern, den regionalen wie den Weltfrieden bewahren und die Möglichkeiten für Chinas Entwicklung garantieren ... Das strategische Konzept der aktiven Verteidigung ist das Wesen des militärischen Denkens der KP Chinas ... Und es hält fest an der Aussage: ‚Wir werden nicht angreifen, aber wir werden entschieden zurückschlagen, wenn wir angegriffen werden.‘ ... (hervorgeh. d. Verf.) Hauptpunkte dabei sind: im Informationskrieg zu gewinnen und den Schwerpunkt auf die Seekriegsführung und seine Vorbereitung zu legen ... .“
Zur Entwicklung der Teilstreitkräfte:
„... Die Marine der VBA (Volksbefreiungsarmee der Verf.) wird von den Anforderungen einer küstennahen Verteidigung und offener Überseeverteidigung auf eine Kombination von küstennaher Verteidigung und Überseeverteidigung übergehen und eine kombinierte, multifunktionale und effiziente Struktur einnehmen. Sie wird ihr Potenzial zur strategischen Abschreckung und für Gegenschläge, für maritime Manöver, verbundene Operationen auf See, zur umfassenden Verteidigung und für den Nachschub erhöhen. Die Luftstreitkräfte werden die strategischen Erfordernisse zum Aufbau der luft-kosmischen Fähigkeiten zur Durchführung offensiver und defensiver Handlungen von einer territorialen zu einer sowohl defensiven als auch offensiven Luftverteidigung, wie auch den Aufbau einer Struktur vornehmen, die den Anforderungen der Informationskriegführung gerecht wird. Die Luftstreitkräfte werden die Fähigkeiten zur strategischen Frühwarnung, zur Führung von Luftschlägen, zur Luft- und Raketenabwehr, von Gegenmaßnahmen im Informationskrieg, sowie von luftgestützten Operationen und ihrer umfassenden Unterstützung entwickeln. Die 2. Artillerie (Raketentruppen) wird sich mit ihren konventionellen und nuklearen Raketen an die Informationskriegführung anpassen und in Abhängigkeit der Entwicklung von Wissenschaft und Technik die Zuverlässigkeit und Effektivität der Raketensysteme erhöhen. Die Raketentruppen werden die Fähigkeiten zur strategischen Abschreckung und zum nuklearen Gegenschlag sowohl mit mittleren als auch weitreichenden Präzisionsschlägen verstärken. Die See- und Ozeangebiete spielen hinsichtlich eines stabilen Friedens, einer anhaltenden Stabilität und gesicherten Entwicklung Chinas eine besondere Rolle. Die traditionelle Auffassung, dass das Land wichtiger sei als die See, muss überwunden werden. Der Schutz der maritimen Rechte und Interessen ist für China von außerordentlicher Bedeutung. (Hervorgeh. d. Verf.)
... China hat lange eine Politik der friedlichen Nutzung des Alls verfolgt, die Militarisierung und den Rüstungswettlauf im Weltall abgelehnt und einen aktiven Beitrag zur internationalen Weltraumkooperation geleistet. China wird in der Dynamik im Weltraum mithalten, sich den Bedrohungen und Veränderungen auf diesem Gebiet stellen, um den Zugang zum All zur Sicherung der ökonomischen und sozialen Entwicklung zu gewährleisten und die Weltraumsicherheit zu bewahren. (Hervorgeh. d. Verf. – China und Russland haben jahrelang versucht, im UN-Sicherheitsrat ein Verbot der Militarisierung des Weltraums durchzusetzen. Dies scheiterte leider am Widerstand der führenden NATO Länder mit den USA an der Spitze.)
Cyberspace ist zu einem neuen Pfeiler der ökonomischen und sozialen Entwicklung und ein neues Gebiet der nationalen Sicherheit geworden. China ist mit ernsthaften Gefahren für die Sicherheit seiner Cyber-Infrastruktur konfrontiert. Da Cyberspace mehr und mehr auch die militärische Sicherheit betrifft, wird China Kräfte dafür entwickeln, die den Anforderungen der Cyberspace-Situation entsprechen. China wird an der internationalen Cyber-Kooperation teilnehmen. ... China hat immer erklärt, dass es nicht als Erster Kernwaffen einsetzen wird und sich zu einer Nuklearstrategie der Selbstverteidigung bekennt. Es wird den Einsatz von Kernwaffen gegen Nichtnuklearstaaten oder in kernwaffenfreien Zonen weder androhen noch vornehmen. (Hervorgeh. d. Verf.) China wird keinesfalls am nuklearen Wettrüsten teilnehmen. Es wird jedoch sein Kernwaffenpotenzial auf dem für seine Sicherheit erforderlichen unteren Niveau halten.
Vertiefte Entwicklung der Zivil-militärischen Integration
... China favorisiert den gemeinsamen Aufbau und die Nutzung von militärischer und ziviler Infrastruktur, gemeinsame Forschungen auf See, im Luft- und Weltraum und bei der Nutzung des Spektrums von Kartografie, Navigation und Meteorologie. ... Durch die gemeinsame Nutzung der militärischen Kapazitäten und der von den anderen Bereichen ist ein Mechanismus zu schaffen, damit eine vereinte Antwort in Krisen- und Notfällen erfolgen kann ... (Diese zivil-militärische Synergie ist in einem sozialistischen Land sinnvoll und kostensparend. Bei uns in einem monopolkapitalistischen Land lehnen wir diese Zusammenarbeit ab, da dies der Militarisierung der Zivilgesellschaft dient, um die aggressiven Ziele des deutschen Imperialismus zu verschleiern und damit besser verfolgen zu können.)
Militärische und Sicherheitskooperation
„Chinas Streitkräfte verfolgen das Konzept einer gemeinsamen, umfassenden, kooperativen und nachhaltigen Sicherheit. Sie werden ihre militärischen Beziehungen auch weiter auf der Basis der Nicht-Pakt-Gebundenheit, nicht auf Konfrontation und nicht gegen Dritte gerichtet entwickeln. Sie setzen sich dafür ein, einen Mechanismus für kollektive und sicherheitsbildende Maßnahmen im militärischen Bereich zu schaffen, und sie werden die militärische und Sicherheitskooperation ausweiten, um ein günstiges Umfeld für die friedliche Entwicklung Chinas zu gewährleisten.
Umfassende militärische Beziehungen mit anderen Ländern.
Der Austausch und die Zusammenarbeit zwischen Russland und China werden im Rahmen einer umfassenden strategischen Partnerschaft vertieft und ein breitgefächerter und nachhaltiger Mechanismus geschaffen, um die Beziehungen zwischen der chinesischen und russischen Armee in weiteren Bereichen und auf höherem Niveau zu gestalten. ... Chinas Streitkräfte werden damit fortfahren, in den Beziehungen zu den USA ein neues Modell militärischer Beziehungen mit den US-Streitkräften zu entwickeln, das dem der Beziehungen zwischen den beiden Staaten entspricht. (Anmerkung B. Biedermann: Gemeint ist offensichtlich ‚Auf Augenhöhe!‘) ... China bemüht sich darum, die militärischen Beziehungen zu seinen Nachbarn nach den Prinzipien der Freundschaft, der Aufrichtigkeit, des gegenseitigen Nutzens und der Toleranz zu konsolidieren und weiter zu entwickeln. Die militärischen Beziehungen zu den europäischen Ländern werden verbessert und die traditionell guten militärischen Beziehungen zu den afrikanischen, lateinamerikanischen und südpazifischen Ländern weiter gepflegt ... .
Wahrnehmung der internationalen Verantwortung und Verpflichtungen.
(Hervorgeh. d. Verf.) Chinas Streitkräfte werden weiter an UN-Friedensmissionen teilnehmen, die Mandate des Sicherheitsrates erfüllen. Sie werden sich an Notfall- und Rettungseinsätzen beteiligen, professionelle Rettungsteams entsenden und medizinischen Beistand leisten. Die chinesische Marine kommt ihren internationalen Pflichten zuverlässig nach, bietet nach Bedarf im Golf von Aden und in anderen Gewässern Geleitschutz an und verstärkt das internationale Zusammenwirken zum gemeinsamen Schutz der Seewege.“
Vor Beginn der glanzvollen Militärparade zum 70. Jahrestags des Endes des II. Weltkriegs und des Sieges über Japan hielt Staatspräsident Xi Jinping am 3. September 2015 eine Rede, in der er die wesentlichen Aussagen des Weißbuchs zur Militärstrategie Chinas hervorhob. Ausgehend von der Feststellung, dass die Menschen angesichts der leidvollen Erfahrungen von Kriegen den Frieden noch mehr schätzen, werde China nie eine Hegemonie anstreben. Wörtlich sagte Xi: „China wird niemals versuchen, sich auszudehnen, und wird anderen niemals die Tragödien zufügen, die es selbst erlitten hat.“[2] Gerade deshalb ist es wichtig, sich kurz mit den leidvollen Erfahrungen der Chinesen in den letzten ca. 150 Jahren zu beschäftigen. Mit den Opiumkriegen, begonnen von England und Frankreich gegen das chinesische Kaiserreich, begannen Mitte des 19. Jahrhunderts die Demütigungen und Gebietsannexionen (z.B. Hongkong) gegenüber China auf Grund der militärischen Überlegenheit der Westmächte. Ende des 19. Jahrhunderts haben sich dann daneben Russland, Japan und das Deutsche Reich an dem entwürdigenden Geschachere um das große Kaiserreich China beteiligt. Bei den gewaltsamen Auseinandersetzungen um Einflussbereiche wurden große Teile Chinas besetzt und annektiert. Konrad Seitz, deutscher Botschafter in China 1995-99, stellte treffend fest: „Vom äußersten Süden und Südwesten bis hinauf zu den mandschurischen Häfen war China nun unter den imperialistischen Mächten aufgeteilt ... . Ganze Provinzen wurden zu Einflussgebieten der einzelnen Mächte erklärt. Auslandskapital beherrschte die modernen Wirtschaftssektoren: Banken, Reedereien, Eisenbahnen, Bergwerke. In der Schifffahrt war nicht nur der Überseetransport in der Hand ausländischer Reedereien, sondern auch der Großteil der Küstenschifffahrt und der Binnenschifffahrt auf dem Jangtse. ...“[2] Doch dies war nur der Anfang des Raubzugs speziell des japanischen Imperialismus mit der Annexion u.a. von Taiwan und der Ryukyu-Inseln mit der Hauptinsel Okinawa. Mit Beginn des 1. Weltkriegs hat Japan bis zum Ende des 2. Weltkriegs 1945 immer wieder China militärisch angegriffen und große Teile besetzt. Auf diese Zeit begründet sich auch der Anspruch Japans auf verschiedene Inselgruppen im ostchinesischen und südchinesischen Meer, die dann nach der Niederlage Japans z. T. von den USA übernommen wurden. Ende 1937 fielen Schanghai und Nanking, 1938 Kanton den Japanern zum Opfer. Japanische Truppen wüteten mit Mord, Vergewaltigung, Entführungen von Frauen und Plünderungen unter der chinesischen Zivilbevölkerung, wobei ca.300.000 unmittelbar diesem Gemetzel zum Opfer fielen. Nach chinesischen Schätzungen kamen insgesamt 35 Millionen Chinesen in diesen Kriegsjahren ums Leben. Durch den gemeinsamen antiimperialistischen Befreiungskampf von Kuomintang und Roter Armee konnte der japanischen Armee bis 1941 Einhalt geboten werden. Endgültig kapitulieren musste sie dann 1945. Endgültig befreien von den imperialistischen Mächten konnte sich China aber erst 1949 mit dem Sieg der Volksbefreiungs-Armee (VBA) unter Mao Tse-tung über die Kuomintang unter Chiang Kai-schek und der Gründung der VR China. Die Reste der Kuomintang zogen sich unter dem Schutz der USA auf die Insel Taiwan zurück.
Diese Erfahrungen mit den imperialistischen Mächten wirken bis heute in der chinesischen Nation fort, die stolz ist auf ihre mehrtausendjährige Geschichte und Kultur ist. Niemals wieder soll so etwas passieren können. Dies ist der nationale Hintergrund für Chinas unerschütterlichen militärischen Verteidigungswillen heute unter Führung der KP-Chinas.
Nach dem international renommierten Stockholmer Friedensinstitut SIPRI beliefen sich die Militärausgaben 2020 für die USA bei 778 Mrd. $, für China bei geschätzten 252 Mrd. $. (Alle Angaben von SIPRI bezüglich China sind mit Vorsicht zu betrachten, da sie fast ausschließlich vom US Verteidigungsministerium stammen!) Das ist 2019 bezogen auf das Bruttoinlandprodukt bei den USA 3,4%, bei China nur 1,9% (im Vergleich Saudi-Arabien 8,4%). Noch 1979 lagen die Ausgaben in China bei 5,43% des BIP. Dabei muss berücksichtigt werden, dass China für eine effektive und robuste militärische Verteidigung seiner Sicherheitsinteressen im Vergleich zu den USA einen enormen Aufholbedarf hat. Die Nato-Staaten zusammen haben 2019 insgesamt 987 Mrd. $ für Rüstung ausgegeben. In der Pazifischen Region kommen 2020 noch 49,1 Mrd. $ für Japan und 45,7 Mrd. $ für Süd-Korea allein hinzu.
Die Marine der USA ist in der Lage, alle internationalen Seewege und insbesondere die wichtigsten Meerengen auf der Welt zu kontrollieren.[7] Die USA verfügen weltweit über 750 Militärstützpunkte. Mehr als 400.000 US-Soldaten sind in über 50 Ländern stationiert. China hingegen hat außer einem einzigen Militärstützpunkt in Dschibuti am Horn von Afrika keinen weiteren Stützpunkt außerhalb seiner nationalen Grenzen.[11] In den letzten zwei Jahrzehnten wurde von China auf den Paracel- und Spratly Inseln im südchinesischen Meer militärische Luftwaffenstützpunkte eingerichtet, um die Möglichkeiten der Luftüberwachung und der Verteidigung gegen die zunehmend aggressiven maritimen Militärmanöver vor Chinas Küste zu verbessern. Dies ist eine sehr zurückhaltende Reaktion der VR China auf diese bedrohliche Entwicklung. Man stelle sich umgekehrt einmal vor China würde mit seinen Flottenverbänden im Golf von Mexiko oder vor der pazifischen Küste der USA in Dauerpräsenz operieren.
Barack Obama verkündigte 2011 die Verlagerung des strategischen Schwerpunkts der USA in den asiatisch-pazifischen Raum. Mit der National Defense Strategy 2018 legten die USA heute als Hauptstrategie auch für seine Verbündeten in der NATO fest, China einzukreisen und die NATO an die Westgrenze Russlands auszuweiten. In einem Strategiepapier der US-Regierung vom Dezember 2017 heißt es: „China und Russland fordern die amerikanische Macht, ihren Einfluss und ihre Interessen heraus und versuchen, Amerikas Sicherheit und Wohlstand zu untergraben. ... Unsere Aufgabe ist es sicherzustellen, dass die militärische Überlegenheit der USA weiterbesteht. (Hervorgeh. d. Verf.) ... Wir werden den Frieden durch Stärke wahren, indem wir unser Militär neu aufstellen, ... Wir werden mit allen nationalen Machtmitteln sicherstellen, dass Regionen der Welt nicht von einer Macht dominiert werden:“2 Außer eben der Macht der USA! Noch deutlicher wurde der ehemalige Oberkommandierende der US-Landstreitkräfte in Europa, Frederick Hodges Ende 2018 als er sagte, es gebe „eine sehr große Wahrscheinlichkeit, dass Amerika sich in den nächsten 15 Jahren im Krieg mit China befinden werde.“ (FAZ, 26.10.18)[9]
Dieses „Denken wie im Kalten Krieg“ wurde in der amtlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua umgehend zurückgewiesen und gleichzeitig setzte die VR China unter Führung der KP ihre konsequenten Bemühungen fort, nicht nur bis 2035 das Ziel zu erreichen, seiner Bevölkerung einen Lebensstandard ‚im mittleren Feld der Industrienationen‘ zu verschaffen, sondern auch das Militär zu reformieren und die ‚Modernisierung im Grund zu vollenden‘.[10] Die Neustrukturierung der VBA wird konsequent vorangetrieben und die Effizienz und Schlagkraft gesteigert. In den letzten Jahren wurden 25% und teilweise sogar 50% der Personalstärke reduziert! Innovationen auf dem Gebiet Wissenschaft und Technik werden großzügig gefördert. „Die Streitkräfte haben große Fortschritte bei der Entwicklung strategischer High-Tech Erzeugnisse erzielt, so z.B. den Supercomputer Tianhe-2 ... Ältere Waffensysteme werden durch neue High-Tech-Waffen ersetzt, so z.B. durch die Panzer vom Typ 15, Zerstörer Typ 052D, Kampfflugzeuge J-20 und ballistische Raketen DF-26.“[6] Daneben wird die Korruption konsequent bekämpft: „In Übereinstimmung mit dem geltenden Recht lehnen die Streitkräfte jede Art von Korruption bei Bauprojekten und bei der Beschaffung von Material ab. Im Kampf gegen die sogenannte „Mikro-Korruption“ wurden auch in kleinen Einheiten Kontaktpunkte geschaffen. Seit dem Jahr 2012 wurden über 39.000 Einheiten und 13.000 Offiziere überprüft.“[5]
Nach Angaben vom SIPRI Jahrbuch 2020[11] verfügte China 2019 möglicherweise über vier atomgetriebene U-Boote mit je 12 atomaren Gefechtsköpfen, über 90 Interkontinentalraketen mit einer max. Reichweite von 12.000 km und eine nicht näher bekannte Anzahl von Mittelstreckenraketen (möglicherweise 80[12]) mit insgesamt 320 Atomsprengköpfen, wobei China als einzige Atommacht immer wieder betont, niemals als erste Atomwaffen einzusetzen und auch niemals einen anderen Staat damit zu bedrohen, der keine Atomwaffen besitzt. Nach Angaben von SIPRI verfügen im Vergleich dazu alleine die USA über insgesamt 5800 (!) Atomsprengköpfe. Sie haben weltweit 60 strategische Atombomber mit 850 nuklearen Gefechtsköpfen, wovon 300 sofort einsatzbereit sind. Sie verfügen über 400 landgestützte Interkontinentalraketen und 14 Atom-U-Boote mit je 12-20 also insgesamt nochmals max. 240 Interkontinentalraketen. 10 dieser U-Boote sind ständig im Einsatz auch in der Pazifikregion.
Wegen der Wichtigkeit der Meere und der langen pazifischen Küste und, um die Überseeinteressen wahrzunehmen, wird die Marine in China bevorzugt ausgebaut. Im Weißbuch 2019 steht daher zusätzlich: „Die Wahrnehmung von Übersee-Interessen ist für China von großer Bedeutung ... Um die Defizite zu überwinden, werden entsprechende militärische Kontingente gebildet u. logistische Einrichtungen geschaffen. Im August 2017 wurde die chinesische Basis in Djibouti in Dienst gestellt.“[6]
2019 hatte China mit 335 Kriegsschiffen im aktiven Dienst zwar weltweit die größte Marine, doch ist die U.S. Navy mit 291 Schiffen, darunter elf Flugzeugträger-Verbänden bezüglich Qualität und technologischer Kampfkraft weit überlegen. Ein Großteil der amerikanischen Flotte ist mittlerweile im pazifischen Raum stationiert. Die VBA reagierte darauf mit der Einführung der modernen Raketen Dongfeng-21D und -26, die in der Lage sind, selbst Flugzeugträger auszuschalten und daher „carrier killer“ von den US-Militärs genannt werden. Zusätzlich verfügt China über Antischiff-Marschflugkörper YJ-12B. Selbst hat die chinesische Marine zwischenzeitlich drei Flugzeugträger, wovon einer jedoch ein älterer russischer ist.
Auch die Luftwaffe der VBA wird Schritt um Schritt modernisiert durch neue Kampfjets mit Luftbetankung.[2] Schon 2016 wurde der tausendste moderne Hubschrauber in Dienst gestellt und seit Anfang 2018 verfügt China auch über das moderne Kampfflugzeug Chengdu J-20. Daneben entwickelt es ein modernstes, elektronisch und digital gesteuertes Drohnenprogramm als Ergänzung zur bemannten Luftwaffe. Zuletzt wurde einer der größten Militärtransporter weltweit, das Großraum-Transportflugzeug Y-20 Kunpeng, in Dienst gestellt. Damit ist China neben den USA und Russland die dritte Nation, die über die Fähigkeit zum Bau solcher Großflugzeuge verfügt. Gleichzeitig brachte die chinesische Aviation Industry Corporation mit der AG600 das größte Wasserflugzeug der Welt mit einer Reichweite von 4.500 km auf den Markt, das unter militärischen Gesichtspunkten die Verbindung zu abgelegenen Inseln im südchinesischen Meer ohne Landebahn herstellen kann. Besondere Aufmerksamkeit bekam im Dezember 2020 die erstmalige Vorstellung eines Prototypen des ersten chinesischen Langstreckenbombers H-20, der ebenfalls mit einer Tarnkappenfunktion ausgestattet ist und daher unerkannt eine Reichweite von ca. 8.500 km erreicht.
Die VR China hat es immer ganz bewusst abgelehnt dem INF-Vertrag beizutreten, da die Mittelstreckenraketen der VBA ein essentieller Garant für die Verteidigung gegenüber den USA darstellen. Sie sind die überlebenswichtige Rückversicherung dafür, dass bei einem Angriff z.B. von den amerikanischen Militärstützpunkten in Japan auf Okinawa, in Süd-Korea, auf Guam im Pazifik oder auch auf den Philippinen und Nord-Australien mit einem Gegenschlag entsprechend reagiert und diese ausgeschaltet werden können. Einer der Hauptgründe, weshalb die USA den INF-Vertrag gekündigt haben, ist genau das Ziel, landgestützte Mittelstreckenraketen auf ihren Militärstützpunkten rund um China installieren zu können. Diese könnten dann zusätzlich zu den seegestützten Raketen und Marschflugkörpern zum Einsatz gegen die VR China kommen.[13] Seit einigen Jahren verfügen die USA in Südkorea zusätzlich über eine sogenannte Raketenabwehr, das THAAD-System (Terminal High Altitude Area Defense), das gegen Nordkorea gerichtet sein soll, aber in erster Linie durch sein Hochleistungsradarsystem zur Früherkennung von chinesischen Interkontinentalraketen dient, um diese frühzeitig ausschalten zu können.[6]
Während die USA, Japan und die EU am Handel mit der VR China interessiert sind, solange es ihren Interessen dient und im Wesentlichen ihre Absatzmöglichkeiten verbessert, wollen sie andererseits die weitere wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung Chinas blockieren und zurückdrehen oder zumindest verlangsamen. Dies geschieht durch Behinderung des freien Handels, durch Restriktionen der Aktionsfreiheit von Kapital aus China in westlichen Industrieländern, schließlich durch Sanktionen und Verbote gegenüber chinesischen Firmen. Dabei geht es vor allem um den Wettstreit bezüglich technologischer und damit auch ökonomischer und militärischer Führerschaft. Hier versuchen die westlichen Staaten der VR China auf verschiedenste Weise zu schaden. So z.B. zuletzt durch das US-amerikanische Verbot der Lieferung von Mikrochips, die China noch nicht in der Lage ist, in ausreichender Menge selbst zu produzieren.
In den letzten Jahren schon hat der Wettlauf zwischen den USA und der EU einerseits und China andererseits um die Quantentechnologie im Computerwesen und Internet begonnen. China steht dabei derzeit an vorderster Front dieser Entwicklung.[14] Die Quantentechnologie wird einerseits die Rechnergeschwindigkeit dramatisch erhöhen und gleichzeitig die digitale Angreifbarkeit und Spionage von Großrechnern weitgehend unmöglich machen! Der Wettkampf um die Quantentechnologie wird sich in den nächsten 5-10 Jahren weiter erheblich verschärfen. Der Ausgang dieser Rivalität wird entscheidend sein im ökonomischen Krieg des Westens gegenüber der VR China. Der Kampf wird mit aller Härte gegen China geführt werden, um die weltweite Hegemonie insbesondere der USA auch weiterhin durchsetzen zu können.
Gleichzeitig versuchen die USA, Japan, die EU und Australien aber auch durch politische Aktivitäten China zu schaden, wie z.B. durch die bewusste Delegitimierung der „Ein-China-Doktrin“ durch Unterstützung von separatistischen Bewegungen in Hongkong, Taiwan, Tibet oder auch in Xingjiang. Der „Verstoß“ gegen westlich-parlamentarische Regeln, die selbstherrlich gegenüber der KP Chinas eingefordert werden, und die Kritik an der „sozialistischen Marktwirtschaft“ als unfair wie auch an der chinesischen Sicht und Schwerpunktsetzung der Menschenrechte wird ungeniert und aggressiv in Form einer propagandistischen und auch direkten geheimdienstlichen Einmischung in die inneren Angelegenheiten des chinesischen Staates umgesetzt. Diese bewusste ökonomische und politische Einkreisung der VR China wird in den letzten Jahren immer häufiger mit einer militärischen Bedrohung und Einkreisung verbunden, um China immer weiter in seiner Bewegungsfreiheit einzuschränken. Die VR China steht dabei einem militärisch überlegenen Gegner gegenüber. China verteidigt jedoch nur seine unmittelbaren nationalen und regionalen Sicherheitsinteressen gegenüber den imperialistischen Aggressoren mit den USA an der Spitze.
Die Stärke des chinesischen Staats besteht dabei in seiner breiten Verankerung in der chinesischen Nation und in der breit aufgestellten und durch die historischen Erfahrungen gestählten KP, seiner ökonomischen und intellektuellen Macht sowie auch der zunehmend modernen Verteidigungsstreitmacht der VBA. Weiterhin nutzt die Führung der VR China sehr geschickt die Wiedersprüche zwischen den imperialistischen Mächten aus, um die Gegner in ihrem aggressiven Kampf um die Neuaufteilung der Welt sowohl ökonomisch wie militärisch zu schwächen. Auch wenn die Hauptkriegsgefahr in den nächsten zwei Jahrzehnten von den USA ausgeht, gehen die VR China und ihre KP in nächster Zeit nicht von einem Krieg aus und betreiben unter ihrem Präsidenten Xi Jinping eine Außenpolitik, die auf der Grundlage der fünf Prinzipien der friedlichen Koexistenz[15] den Aufbau einer „Schicksalsgemeinschaft der Menschheit“ einfordert:
„... Kein Land kann im nationalen Alleingang die verschiedenartigsten Herausforderungen der Menschheit meistern und sich auf die Insel der Selbstisolation zurückziehen. Wir appellieren an alle Völker, mit geeinten Kräften eine Schicksalsgemeinschaft der Menschheit zu gestalten und eine Welt aufzubauen, die durch dauerhaften Frieden, allgemeine Sicherheit, gemeinsame Prosperität sowie Offenheit und Inklusion gekennzeichnet, sauber und schön ist. ... . China wird sich keinesfalls auf Kosten der Interessen anderer Staaten entwickeln, es wird umgekehrt auch nie auf seine legitimen Rechte und Interessen verzichten, niemand sollte also erwarten, dass China die bittere Pille des Verlustes seiner eigenen Interessen schlucken würde. China verfolgt eine defensive Landesverteidigungspolitik. Chinas Entwicklung bedroht kein Land. Gleichgültig, wie weit sich China auch immer entwickelt hat, es wird niemals nach Hegemonie und Expansion streben.“[16]
AG China
Wie schon der Name sagt gehört dieses Meer seit Jahrtausenden zum Einzugsbereich des chinesischen Reichs, was die VR China mit vielen historischen Dokumenten immer wieder belegt hat. Doch auch andere Anrainerstaaten haben Ansprüche, die, wie China betont, in bilateralen Verhandlungen geklärt werden sollen und z. T. auch schon geklärt werden konnten. Dies schlägt zumindest die VR China gegenüber Japan, den Philippinen, Vietnam oder Malaysia, Brunei und Indonesien vor. Getrieben und beeinflusst jedoch durch die USA (siehe auch KAZ 347 – Vietnam und China: Was steckt hinter dem Streit um Inseln?) haben die Philippinen ein Rechtsverfahren vor dem ständigen Schiedsgerichtshof angestrengt, der 2016 ein international umstrittenes Urteil zu Gunsten der Philippinen für das südchinesische Meer gefällt hat.[17], [18] Die VR China hat von Anfang an dieses Verfahren kritisiert, die Zuständigkeit des internationalen Schiedsgerichtshofs dafür abgelehnt und sich daher auch geweigert, an dem Verfahren teilzunehmen, da dieses die nationale Souveränität in Frage stellt. Völkerrechtlich ist das Urteil daher nicht verbindlich und nicht durchsetzbar.
Die Philippinen wollten erreichen, dass Chinas Gebietsansprüche im Rahmen der UN-Seerechtskonvention (UNCLOS) für ungültig erklärt werden. Die UNCLOS-Konvention wurde 1982 von mehr als 160 Nationen unterzeichnet, darunter auch China und den Philippinen.
Die imperialistischen Mächte benutzen das Urteil heute nur, wenn es ihren Interessen nützt.[19] Sie haben jedoch selbst ein gespaltenes Interesse an diesem Urteil. So treten die USA einer Reihe von internationalen Vereinbarungen wie z.B. dem Seerechtsübereinkommen nicht bei, um zu verhindern, dass kleine Staaten das internationale Recht gegen die USA zur Anwendung bringen können. China hält sich dem gegenüber an internationales Recht und ist bislang internationalen vertraglichen Verpflichtungen nachgekommen.
Die USA, Japan und auch neuerdings England, Frankreich und Deutschland benutzen fadenscheinig diese regionalen Territorialkonflikte mit den Anrainern, um die sogenannte »Freiheit der Schifffahrt« zu verteidigen, die angeblich durch China bedroht ist. China kann aber kaum ein Interesse an einer Beschränkung der kommerziellen Schifffahrt seiner Nachbarn haben. Selbst in einer Krisensituation könnte China daran kein Interesse haben, da die Seewege, durch die der gesamte Seehandel Chinas erfolgt, großteils in der Hand potenzieller Alliierter der USA sind, von Süd-Korea im Nordosten, über Japan, Taiwan und die Philippinen bis nach Thailand, Myanmar und Indien. Um die »Freiheit der Schifffahrt« geht es, wie China zurecht betont, durchgängig nur, um die Freiheit für militärische Operationen in Küstennähe anderer Staaten durchzusetzen. Dies wird mit großangelegten Marinemanövern, an denen sich neuerdings auch die deutsche Marine beteiligt, realisiert. Während China die eigene unmittelbare nationale Sicherheit gegen fremde Aufklärung und Aggressionen verteidigt, geht es den USA darum, ihre militärische Hegemonie im pazifischen Raum abzusichern, damit auch zukünftig ihre Rechtsauffassung international dominiert.
Dabei ist es nicht verwunderlich, dass insbesondere die Entscheidung des Schiedshofs, der größten Insel der Spratlys (Taiping, Itu Aba) den Inselstatus abzuerkennen, international keinen Bestand hat. Gegen diesen Schiedsspruch wenden sich nicht nur China und Taiwan gemeinsam wegen gleicher Interessen an den Spratly-Inseln. Alle ehemaligen Kolonialmächte wie z.B. die USA, Frankreich und Großbritannien, aber auch Japan sowie eine Reihe anderer Staaten wenden sich mehr oder weniger entschieden gegen den Schiedsspruch des internationalen Gerichtshofs. Denn sie alle besitzen riesige Meeresgebiete einschließlich der dort vorhandenen Bodenschätze auf der Grundlage der Souveränität über kleinste Erhebungen im Meer, die sie zu exklusiven Wirtschaftszonen erklären! Vor dem Hintergrund des Urteils könnten mittelfristig alle diese Territorien formal »entnationalisiert« werden. Doch dazu wird es nicht kommen, solange die Imperialisten die Macht und das Sagen haben.
1 KAZ 346, Rolf Berthold; China nach dem XVIII. Parteitag der KP Chinas und der Tagung des NVK.
2 CHINA FIRST-Die Welt auf dem Weg ins chinesische Jahrhundert, Theo Sommer, aktualisierte und erweiterte Auflage 2020, im Folgenden sind Fakten und Zitate aus diesem -nicht eben KP Chinas freundlichen Buch- als Belege entnommen, sofern nicht anders gekennzeichnet.
3 KAZ 356: „Die VR China soll eingekreist werden – Dagegen: unsere Solidarität!“.
4 www.auswaertiges-amt.de/blob/2380500/33f978a9d4f511942c241eb4602086c1/200901-indo-pazifik-leitlinien–1—data.pdf.
5 www.isor-sozialverein.de/cms/fileadmin/user_upload/isor/pdf/Aktuelle_Beitraege_zum_Zeitgeschehen/Akt._Beitraege_2-2015_-_China.pdf .
6 slub.qucosa.de/api/qucosa %3A37767/attachment/ATT-0/.
7 Die Geopolitik des maritimen Welthandels, Tom Stevenson, Le Monde diplomatique, August 2020.
8 Globaler Wirtschaftskrieg, Der Aufstieg Chinas. Zerbricht der Westen? ISW Report Nr. 115, .alter Listl, Die USA auf dem Weg vom Handelskrieg zum heißen Krieg? Und Fred Schmid, Trumps Wirtschaftskrieg gegen China.
9 Der neue Systemkonflikt, www.german-foreign-policy.com/news/detail/7771/.
10 Gemeinsam, nicht allein; Gastbeitrag von Wu Ken, Botschafter der VR China in Deutschland, JW5./6.12.2020.
11 www.sipri.org/sites/default/files/YB20%2010%20WNF.pdf
12 Fred Schmid, Die Rückkehr der Atomraketen, isw-information, Dezember 2018.
13 „Ein Alptraumszenario für China“ www.german-foreign-policy.com/news/detail/7761/.
14 ADA-heute das morgen verstehen; Ausgabe 1, 2021, S. 15-21, Handelsblatt Media Group.
15 Gegenseitige Achtung der territorialen Integrität und Souveränität; gegenseitige Nichtangriffsverpflichtung; gegenseitige Nichteinmischung in innere Angelegenheiten anderer Staaten; Anerkennung der Gleichberechtigung zum gegenseitigen Vorteil; friedliches Nebeneinanderbestehen und Lösung aller strittigen internationalen Fragen mit friedlichen Mitteln.
16 Xi Jinping am 18. Oktober 2017 auf dem XIX. Parteitag der KP Chinas nach Eike Kopf, KAZ 375..
Internationale Pressekonferenz beim 19. Parteitag der KPCH zur Militärstrategie (ab Zweiter von li.): Liu Rui/Luftwaffe, Liu Fang/Internat. militärische Kooperation, Wang Feixue/Universität f. Verteidigungstechnologie, Wang Rui/Kommandeur einer komb. Waffenbrigade.
Das weltweit größte Wasserflugzeug AG-600 und im Hintergrund das Großraum-Transportflugzeug Y-20 Kunpeng.