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Für Dialektik in Organisationsfragen

Georgi Dimitroff

Auszug aus dem Bericht auf dem VII. Weltkongreß der Kommunistischen Internationale am 2. August 1935

Quelle: Georgi Dimitroff Ausgewählte Werke Band 2, Seite 8-11

Genossen, man darf sich den Machtantritt des Faschismus nicht so vereinfacht und glatt vorstellen, als faßte irgendein Komitee des Finanzkapitals den Beschluß, an dem und dem Tage die faschistische Diktatur zu errichten. Tatsächlich gelangt der Faschismus gewöhnlich durch zuweilen erbitterten Kampf gegen die alten bürgerlichen Parteien oder gegen einen bestimmten Teil dieser Parteien an die Macht, sogar durch Kampf innerhalb des faschistischen Lagers selbst, der gelegentlich bis zu bewaffneten Zusammenstößen führt, wie wir es in Deutschland, Österreich und anderen Ländern erlebt haben. Das alles verringert aber nicht die Bedeutung der Tatsache, daß vor der Errichtung der faschistischen Diktatur die bürgerlichen Regierungen in der Regel verschiedene vorbereitende Etappen durchlaufen und eine Reihe reaktionärer Vorkehrungen treffen, die den Machtantritt des Faschismus unmittelbar fördern. Wer während dieser Vorbereitungsetappen nicht gegen die reaktionären Maßnahmen der Bourgeoisie und gegen den erstarkenden Faschismus ankämpft, ist nicht imstande, den Sieg des Faschismus zu verhindern, er fördert ihn vielmehr.

Die Führer der Sozialdemokratie vertuschten den wahren Klassencharakter des Faschismus und verschwiegen ihn vor den Massen und riefen nicht zum Kampf gegen die immer schärfer werdenden reaktionären Vorkehrungen der Bourgeoisie auf. Sie tragen die große historische Verantwortung dafür, daß im entscheidenden Zeitpunkt des faschistischen Vormarsches ein bedeutender Teil der werktätigen Massen Deutschlands und einer Reihe anderer faschistischer Länder im Faschismus nicht das blutgierige räuberische Finanzkapital, seinen schlimmsten Feind erkannte, und daß diese Massen nicht zum Widerstand bereit waren.

Wo liegt die Quelle des Einflusses des Faschismus auf die Massen? Dem Faschismus gelingt es, die Massen zu gewinnen, weil er in demagogischer Weise auf ihre besonders lebenswichtigen Bedürfnisse und Forderungen spekuliert. Der Faschismus entfacht nicht nur die in den Massen tief wurzelnden Vorurteile, er spekuliert auch auf die besten Gefühle der Massen, auf ihre Gerechtigkeitsgefühl und mitunter sogar auf ihre revolutionären Traditionen. Warum spielen sich die deutschen Faschisten, diese Lakaien der Großbourgeoisie und Todfeinde des Sozialismus, vor den Massen als „Sozialisten“ auf und geben ihren Machtantritt als „Revolution“ aus? Weil sie bestrebt sind, den Glauben an die Revolution, den Drang zum Sozialismus auszunutzen, der in den Herzen der breiten werktätigen Massen Deutschlands lebendig ist.

Der Faschismus handelt im Interesse der extremen Imperialisten, aber vor den Massen tritt er unter der Maske des Beschützers der gedemütigten Nation auf und appelliert an das verletzte Nationalgefühl, wie zum Beispiel der deutsche Faschismus, der mit der Losung „Gegen Versailles“ die kleinbürgerlichen Massen mitriß.

Der Faschismus strebt die zügelloseste Ausbeutung der Massen an, tritt aber mit einer raffinierten antikapitalistischen Demagogie an sie heran, macht sich den tiefen Haß der Werktätigen gegen die räuberische Bourgeoisie, gegen die Banken, die Trusts und die Finanzmagnaten zunutze und stellt Losungen auf, die im gegebenen Moment für die politisch unreifen Massen am verlockendsten sind: in Deutschland „Gemeinnutz geht vor Eigennutz“; in Italien „Unser Staat ist kein kapitalistischer, sondern ein Korporativstaat“; in Japan „Für ein Japan ohne Ausbeutung“; in den Vereinigten Staaten „Für die Aufteilung des Reichtums“ usw.

Der Faschismus liefert das Volk den korruptesten, käuflichsten Elementen auf Gnade und Ungnade aus, tritt aber vor dem Volke mit der Forderung nach einer „ehrlichen und unbestechlichen Macht“ auf. Der Faschismus, der auf die tiefe Enttäuschung der Massen über die Regierungen der bürgerlichen Demokratie spekuliert, entrüstet sich scheinheilig über die Korruption (zum Beispiel die Barmat- und Sklarek-Affäre in Deutschland, die Stavisky-Affäre in Frankreich und mehrere andere).

Der Faschismus verlockt im Interesse der reaktionärsten Kreise der Bourgeoisie die enttäuschten, den alten bürgerlichen Parteien den Rücken kehrenden Massen. Er imponiert aber diesen Massen durch die Schärfe seiner Angriffe gegen die bürgerlichen Regierungen, durch die Unversöhnlichkeit seiner Einstellung. gegenüber den alten bürgerlichen Parteien.

Der Faschismus, der durch seinen Zynismus und seine Verlogenheit alle anderen Spielarten der bürgerlichen Reaktion in den Schatten stellt, paßt seine Demagogie den nationalen Besonderheiten jedes Landes, ja, sogar den Besonderheiten der verschiedenen sozialen Schichten in einem bestimmten Land an. Und die Massen der Kleinbürger, sogar ein Teil der Arbeiter, werden durch Not, Arbeitslosigkeit und Existenzunsicherheit zur Verzweiflung getrieben, sie werden zu Opfern der so­zialen und chauvinistischen Demagogie des Faschismus.

Der Faschismus kommt als Partei des Vorstoßes gegen die revolutionäre Bewegung des Proletariats, gegen die in Aufruhr begriffenen Volksmassen zur Macht, er gibt aber seinen Machtantritt als eine „revolutionäre“ Bewegung gegen die Bourgeoisie im Namen der „ganzen Nation“ und zur „Rettung“ der Nation aus (man denke an Mussolinis „Marsch“ auf Rom, an Pilsudskis „Marsch“ auf Warschau, an Hitlers nationalsozialistische „Revolution“ in Deutschland usw.).

Aber welche Maske der Faschismus sich auch aufsetzen, in welchen Formen er auch auftreten, auf welchem Wege auch immer er zur Macht gelangen mag,

Faschismus ist der grausamste Vormarsch des Kapitals gegen die werktätigen Massen;

Faschismus ist zügelloser Chauvinismus und Raubkrieg;

Faschismus ist wütende Reaktion und Konterrevolution;

Faschismus ist der schlimmste Feind der Arbeiterklasse und aller Werktätigen!

Bildungspolitik auf faschistisch

1937, vier Jahre nach den Bücherverbrennungen: „Leistungsbilanz“ der Essener Bücherei

Die Gesundung.

Rückgang der Vielleserei

Im Krisenjahr 1932:

Beängstigendes Ansteigen von Entleihungsziffern und Lesesaalbenutzung:

643.000 Buchentleihungen

315.000 Lesesaalbesucher.

Arbeitslosigkeit trieb die Menschen in die Büchereien!

Nach 4 Jahren Aufbau 1937:

Gesundes Verhalten von Entleihungsziffern und Lesesaalbenutzung:

412.000 Buchentleihungen

217.000 Lesesaalbesucher.

Neue Aufgaben nahmen die Leser in Anspruch:

1. Die Rückkehr an die Arbeitsplätze

2. Die politische Betätigung für Volk und Staat

3. Die Arbeitsdienstpflicht

4. Der Heeresdienst

Die Ausleihziffer sank demnach um ein Drittel, die Zahl der Leser nur um ein Siebentel [1932: 21.765 Leser, 1937: 18.907 Leser]. Das bedeutet, daß die Bücher gründlicher gelesen werden und so eine nachhaltigere Wirkung ausüben.

Hinweis: Dieses Dokument ist ein Original. Der Text wurde unverändert wiedergegeben.

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