KAZ-Fraktion: „Ausrichtung Kommunismus”
Artikelserie:
10. Oktober 2021: Letzter Staatsbesuch in Israel. Merkel beteuert gegenüber ihrem treuen Freund[1], Premierminister Naftali Bennett – auch im Namen zukünftiger deutscher Regierungen[2] – ihre unverbrüchliche Treue und Freundschaft zu Israel (angeblich als Lehre aus dem Holocaust) und deutsche Staatsräson als Selbstverpflichtung, Unterstützung und Treueschwur zum Projekt „jüdischer Staat“. Die Palästinenser fallen hinten runter; ihr Geschick sind „Einzelfragen“ und Merkel nur eine einzige Nennung ganz am Rande wert.
Was steckt eigentlich hinter dieser deutschen Staatsräson`? Dieser Frage wollen wir in einer losen Folge mehrerer Artikel nachgehen. Sind es wirklich die Lehren aus dem Holocaust, (und wenn ja, welche Lehren werden da gezogen)? Oder spielen etwa noch ganz andere Gründe eine Rolle? Gibt es lange Linien des engen deutsch-imperialen Verhältnisses zum Zionismus?
Bevor wir uns dem Zionismus zuwenden, beginnen wir mit der knappen Nennung einer wenig bekannten deutschen Traditionslinie kolonialer Landnahme und Besiedelung – dem Versuch, Palästina in eine deutsche, christliche Kolonie zu verwandeln. Er begann erheblich früher (und zunächst sogar erfolgreicher) als die jüdisch-zionistische Bewegung, nämlich bereits 1861 durch deutsche lutherisch-pietistische (millenaristische[3]) „Jerusalemfreunde“, die sog. „Templer“[4]. Diese gründeten bereits 1866 ihre erste deutsche Siedlerkolonie in der Nähe Nazareths, 1869 dann in Haifa, gefolgt von weiteren deutschen Kolonien in der Küstenebene, in Galiläa und nahe Jerusalems mit so klingenden Namen wie Walhalla, Waldheim und Wilhelmia. Der deutsche Imperialismus musste diese frühe koloniale Siedlungstätigkeit allerdings mit Waffengewalt gegen die Osmanischen Herrscher absichern. Zur Durchsetzung dieser frühen Form deutscher Staatsräson schickte Kaiser Wilhelm 1877-78[5] Kriegsschiffe vor die Küste Palästinas. So wie heute bei der Merkel‘schen „Sicherheit Israels“, ging es damals der kolonial-kaiserlichen Staatsräson um nichts weniger als die „Sicherheit“ jener Templergesellschaft. Ihr göttlich-germanischer Auftrag war dabei die Umwandlung Palästinas in einen christlichen Staat, welcher nach einem gewonnenen Weltkrieg Deutschland hätte zugesprochen werden sollen. Und genau wie später die Zionisten agierten auch die deutschen Templer in völliger Missachtung etwaiger Rechte der dort ansässigen Palästinenser. Palästinensische Bauern kämpften bereits damals an zwei Fronten, gegen zionistisch-jüdische, wie auch gegen christlich-deutsche Siedler – so etwa während des Aufstands der Jungtürken im Jahre 1908. Wieder schickte Kaiser Wilhelm Kanonenboote nach Palästina für die Sicherheit dieser treuen Träger deutscher Staatsräson. 1914, am Vorabend des 1. Weltkriegs, betrug die Zahl der Templer bereits fast 2.000, also mehr als die Gesamtzahl jüdischer Auswanderer aus Deutschland bis 1933 (über das weitere Schicksal der Templer, siehe nächster Teil).
Der Zionismus war geistig ein Kind des 19. Jahrhunderts Mitteleuropas, der Phase bürgerlicher Nationalstaats- und Reichsgründungen, ausgedrückt im Slogan: „Ein Land ohne Volk für Volk ohne Land“. Die in Mitteleuropa verfolgten Juden sollten sich in der Welt umschauen, ein Land aussuchen und sich in diesem niederlassen, um dort ihr „Altneuland“ auszugründen, so die Idee Theodor Herzls. Diese Idee fußte natürlich nicht nur auf dem herrschenden europäischen, dem bürgerlich national-liberalen Denken, sondern im Besonderen auch auf dem seiner grausigen Zwillingsschwester, jener Methode, die gerade ihre traurige Blütephase erlebte – der imperialen Kolonialidee, dem Kolonialismus: Die besondere Brutalität des Kolonialismus, seine kaum aufzuzählenden Gräuel, die Massaker, Ausbeutung, Hungerkatastrophen und Sklaverei, bis hin zum Völkermord sind dabei mitnichten ein „Rückfall ins Mittelalter“; im Gegenteil – sie sind Ausdruck einer damals hochmodernen Ausbeutergesellschaft auf der Höhe ihrer Zeit[6]. Der Zionismus als siedlerkolonialistische Eroberungs- und Herrschaftsform ist hierbei keine Abweichung oder Ausnahme, sondern ein charakteristischer, wenngleich verspäteter Vertreter. Für die frühen Zionisten des 19. Jahrhunderts war der Kolonialismus eine ganz selbstverständliche, hochmoderne Methode.
Es gab jedoch viele unterschiedliche Formen des Kolonialismus. Für welche besondere Richtung nun entschied sich der Zionismus? Die Beantwortung dieser Frage ist nötig, um das besondere Wesen des Zionismus bis hin zum Wesen des heutigen Staates Israel zu bestimmen.
Der klassische Besatzungs- oder Mutterlandkolonialismus setzte eine kleine[7], militärisch-administrative Elite als Staatsbeamte ein, welche die Kolonie und ihre Bevölkerung im Auftrag des Mutterlandes beherrschte und ausbeutete. (So die Mehrzahl der Kolonien in Afrika und natürlich das Kronjuwel des Empires, der Subkontinent der britischen Ostindien-Kompanie. Eine andere Form kolonialer Ausbeutung bot die sog. Pflanzer-Kolonie, die überseeische Plantagenwirtschaft mit Zuckerrohr in Haiti und Kuba, oder mit den Baumwollplantagen in den amerikanischen Südstaaten. Auch das Modell französisch Algeriens (ab 1836[8]) war ein Pflanzer-Kolonialismus[9]. Im Gegensatz dazu stand das Modell des Siedlerkolonialismus, also der Ausgründung und Lossagung vom Mutterland, wie in den abtrünnigen Kolonien Englands – den puritanischen Nordstaaten (USA), der Sträflingskolonie Australien[10] oder der Kapkolonie der Buren (Südafrika).
Vor dieser Entscheidung standen auch die zionistischen Einwanderer im osmanischen Palästina um die Jahrhundertwende. Manche befürworteten das Modell der französischen Pflanzerkolonie – die ersten kolonialen Erfolge erzielte Baron de Rothschild, der palästinensische Latifundien aufkaufte[11] und mit großem Kapital der Jüdischen Kolonisationsvereinigung (JCA)[12] in erfolgreiche Exportplantagen für Orangen und Wein umwandelte. Für ihn sprachen v.a. die wirtschaftlichen Erfolge, die Profitabilität der agrarischen Plantagenindustrie[13], welche jedoch auf Ausbeutung billiger lokaler, also palästinensischer Arbeitskraft beruhte. Hiergegen wandten sich die Führer der Jüdischen Agentur (JA) und der Zionistischen Weltorganisation (WZO), sowie des Jüdischen Nationalfonds (JNF).
Als bestimmendes Merkmal ihres Kolonisierungsansatzes legte der JNF in seiner Präambel die Unveräußerlichkeit einmal erworbenen „jüdischen“ Landes fest, also das Verbot der Rückgabe und sogar der Nutzungsüberlassung für Nichtjuden. Dies war die Grundsatzentscheidung für einen ethnisch reinen Siedlerkolonialismus, das Wesensmerkmal des Zionismus und Israels bis heute – ein Ansatz der unmittelbar, grundsätzlich und systematisch auf Verdrängung der ansässigen Bevölkerung setzte und setzt.
Woher aber kam diese Idee? Wer diente als Leitbild? Wessen Kolonisationsmodell wurde da übernommen?
Hierzu muss man wissen, dass der Zionismus eine mitteleuropäische Bewegung war, deren Führer und Vordenker ganz überwiegend aus dem deutschen Sprachraum stammten. Die Lingua franca der auf dem Ersten Zionistenkongress in Basel 1897 gegründeten Bewegung war nicht etwa englisch, geschweige denn russisch[14] oder jiddisch[15]: Der Kongress sprach deutsch, zumindest seine Führung. Allerdings fand das Anliegen der Auswanderung und Kolonisierung Palästinas unter der Masse deutschen Juden[16] keinen Widerhall: Von 1900 bis 1933 wanderten gerade einmal 2.000 deutsche Juden nach Palästina aus. Das sollte sich mit der Machtübernahme des deutschen Faschismus schlagartig ändern[17] ...
Gleichwohl orientierten sich die zionistischen Planer und Entscheidungsträger an ihrem deutschen, wilhelminischen Umfeld und dabei unmittelbar an den deutschen Kolonialerfahrungen – sie feierten deren Erfolge und übten konstruktive Kritik an ihren „Fehlschlägen“. Sie waren aktive Teilnehmer am deutschen Kolonial-Diskurs, und nicht etwa als Kritiker: Sie waren eng mit den nicht-jüdischen deutschen Kolonialplanern und -Wissenschaftlern bekannt und befreundet, besuchten deren Kolonialtagungen[18] und lasen und publizierten in der Kolonialzeitschrift „Der Tropenpflanzer“[19], etc.
Nach einem Jahrzehnt heißer Diskussionen entschieden sich die Funktionäre der WZO und des JNF gegen den französischen Pflanzer-Kolonialismus in Algerien und für ein, im wörtlichen Sinne, viel näherliegendes Konkurrenzmodell[20]:
Seine besondere Aggressivität verdankt der deutsche Imperialismus nicht zuletzt seiner preußischen DNA, der Herrschaftsform des preußischen Militarismus. Dieser ruhte seit jeher auf zwei Säulen, also lange vor der Deutschen Reichsgründung 1871 und noch lange nach dessen Untergang 1918: Einerseits der räumlichen Expansion, also äußerer Kolonisation durch Krieg, Raub und Annexion und andererseits der demographischen Expansion, der sog. „Inneren Kolonisation“, also ethnischer Säuberung durch Verdrängung, Vertreibung oder Mord. War das Geschäftsmodell des Preußentums seit jeher die gewaltsame Expansion, so war seine Richtung „gen Osten“ – die Eroberung von „Lebensraum“ und seine „Germanisierung“[21]. Ein besonderes Kapitel nahm dabei die Provinz Posen ein, welche das Deutsche Reich in mehreren Schritten nach der zweiten Teilung Polens erobert und schließlich annektiert hatte[22]. Die räumliche Eroberung und gewaltsame Eingliederung ins Deutsche Kaiserreich genügten dem deutschen Imperialismus jedoch nicht.
Im April 1886 beschloss das Preußische Abgeordnetenhaus per Gesetz eine Königliche Kommission[23] für die Ansiedlung Deutscher in den Provinzen Westpreußen und Posen. „Ansiedlung“ war dabei die euphemistische Umschreibung einer beispiellosen Gewaltkampagne mit dem Ziel der „Germanisierung“ Poznańs. Diese umfasste hauptsächlich zwei, miteinander verschränkte Elemente: Landerwerb zum Zwecke der „Neuansiedlung“, sowie Vertreibung; also, zunächst durch systematischen, selektiven und staatlich finanzierten Landkauf von polnischen Bauern. Aus dem Reich sollten „germanische“ Neusiedler angeworben, mit üppigen staatlichen Geldern ansässig gemacht und zu Bauern umgewandelt werden. Die Kampagne steigerte sich von systematischer Diskriminierung hin zu offener Gewalt. Bereits das Ansiedlungsgesetz von 1886 verbot Polen, ein Haus zu bauen. Zugleich war aber der Landaufkauf von polnischen Besitzern zunehmend nicht mehr zu „freiwillig“ bewerkstelligen. Der Ostmarkenverein (gegr. in Posen 1894), angelehnt an die Deutschen Ritterorden und unterstützt durch Altkanzler Bismarck, befand folgerichtig die herrschende Germanisierungspolitik als zu lasch und tolerant und forderte eine aggressivere Siedlungsförderung. Die Kommission schaltete auf eine härtere Gangart um: Das Enteignungsgesetz von 1908 erlaubte es der Kommission, polnisches Land zu enteignen, „zur Stärkung des Deutschtums“.
Wir können feststellen: Die Ansiedlungskommission folgte hier, anders als der französische, britische oder spanische Pflanzer-Kolonialismus, nicht dem Kalkül optimaler, rentabler Ausbeutung. Im Gegenteil, es ließ sich diese 30-jährige Gewaltkampagne bis zum Untergang des Deutschen Kaiserreiches 1918 und der Abtretung Poznańs an Polen 1920 Unsummen staatlicher Gelder kosten – geschätzt rund eine Milliarde Reichsmark[24]. Zugleich mussten Polen vertrieben werden, denn dies war ja von vornherein das erklärte Ziel. Zunächst geschah das ökonomisch, mit wenig Erfolg; schließlich und deshalb durch stetig wachsende staatliche Repression.
Am Rande sei hier bemerkt: Letztlich scheiterte die Ansiedlungskommission krachend – an inneren Widersprüchen[25], polnischem Widerstand[26] und nicht zuletzt auch dem verlorenen Weltkrieg. (Das hielt den deutschen Imperialismus nicht davon ab, es 20 Jahre später erneut, umso erbitterter, in vielem größerem Maßstab und mit unvergleichlich höherer Gewaltbereitschaft, wieder zu versuchen – im Kampf um deutschen „Lebensraum“ und seine „Germanisierung“ ... Das Rezept hierzu blieb ein und dasselbe: Einerseits Expansion durch „Aneignung“, als Raub; sowie andererseits Besiedlung durch Germanen, also „Verdrängung“ durch Entrechtung, Vertreibung und Massenmord[27].)
Einer der wichtigsten Führer der zionistischen Bewegung war der deutsche Soziologe und Rasse-Eugeniker Arthur Ruppin, geboren in preußisch Posen 1876. Anders als Ben Gurion war dieser „Vater der zionistischen Siedlungsbewegung“ mehr Funktionär und strategischer Planer für die Raumplanung, Landkäufe und Ansiedlung zionistischer Einwanderer, also die „jüdische Kolonisation Palästinas“, insbesondere der Landwirtschaft[28]. Ruppin untersuchte eingehend die v.a. wirtschaftsgeographischen Gegebenheiten osmanisch Palästinas und prüfte sie im Hinblick auf ihre Eignung für die jüdische Kolonisation[29]. Entsandt als Leiter einer Erkundungsmission der zionistischen Exekutive[30] brach er bereits im Juni 1907, nur zwei Wochen nach seiner Ankunft in Palästina radikal mit den vorherrschenden Konzepten der jüdischen Pflanzungen eines Baron Rothschild. Er empfahl stattdessen das deutsche Modell:
„Ich betrachte die Arbeit des JNF als ähnlich wie die der Kolonisierungskommission in Posen und Westpreußen. Der JNF wird Land kaufen, wenn es von Nichtjuden angeboten wird, und es entweder ganz oder teilweise an Juden weiterverkaufen.“[31]
Ein weiterer, fast ebenso wichtiger zionistischer Führer war der Agrarwissenschaftler Otto Warburg[32] (1859-1938), seines Zeichens Mitbegründer des Kolonialwirtschaftlichen Komitees (KWK) des Deutschen Reiches und selbst Mitglied der Königlich-Preußischen Ansiedlungskommission in Posen, sowie später, ab 1911, zehn Jahre lang Präsident der Zionistischen Organisation (ZO) – also während der entscheidenden Jahre der zionistischen Weichenstellung und noch vor dem Zusammenbruch der deutschen Welteroberungspläne[33]. Der Raumplaner und Tropenbotaniker Warburg bestätigte und bekräftigte[34] die königlich-preußische DNA des damaligen Zionismus; über die Methoden der Land-Entwicklungsgesellschaft Palästina (PLDC) betonte er, sie werde:
„keine neuen Wege, keine neuen Experimente unbekannter Natur vorschlagen. Wir gehen stattdessen von der preußischen Kolonisationsmethode aus, wie sie in den letzten zehn Jahren von der Ansiedlungskommission praktiziert wurde.“
Anders als die Arbeit der Ansiedlungskommission für Posen wurde dieses neue, zionistische Projekt der „jüdischen Autonomie“ kein Fehlschlag, sondern ein bahnbrechender Erfolg – aus zionistischer, nicht aus palästinensischer Sicht, versteht sich.
Frappierend sind hierbei die Ähnlichkeiten der beiden Unternehmen, bis ins planerische Detail:
– Die Größe des Landes – Posen war gleich groß wie Palästina
– Landwirtschaftliche Anbauarten und -formen
– Die durchschnittliche Farmgröße der Neusiedler
– Die eingesetzten finanziellen Mittel: Landkauf und staatliche, bzw. proto-staatliche Zuteilung
– Unterordnung des Profits unter die politische Zielstellung[35]: Raumplanung & Demographie
– Vor allem aber die einseitige und grundsätzliche Feinderklärung gegen das bereits ansässige, hierbei hinderliche Volk,
– und die Zielstellung der demographischen Verdrängung, bis hin zur Wahl der hierfür erforderlichen Mittel (Verdrängung, ökonomische Austrocknung, gewaltsame Vertreibung)
Vor allem in diesem letzten Punkt, der Verdrängung der Palästinenser zum Zwecke der Herstellung einer jüdischen Mehrheit zeigte er sich als ein gelehriger Schüler Theodor Herzls. Denn Herzl schrieb schon 1896 seinen Vorschlag in dem Buch „Der Judenstaat. Versuch einer modernen Lösung der Judenfrage“ nieder, die Juden sollen sich in Palästina ansiedeln und einen „Schutzwall gegen Asien“ bilden: „Wir würden den Vorpostendienst der Kultur gegen die Barbarei besorgen.“ Die Amtssprache sollte Deutsch sein, Deutschland sogar die Schutzmacht[36]. Zum Vergleich: Ziel und Auftrag der Preußischen Ansiedlungskommission war: Ein „lebendiger Wall gegen die slawische Flut“[37].
Bevor wir diesen historischen Abriss in den nächsten Ausgaben fortsetzen, sei hier bereits festzuhalten: Die heute wieder ausgerufene Staatsräson richtet sich nicht nur unmittelbar gegen die elementaren Lebens- und Freiheitsinteressen des palästinensischen Volkes. Indem sie die deutsche Unterstützung israelischer Kriegsverbrechen heute auf das „historische Erbe“ des Holocaust und damit die ganze deutsche Geschichte auf diese einzige Ereignis reduziert, verharmlost sie all die anderen finsteren Kapitel der Geschichte des deutschen Imperialismus und versucht sie vergessen zu machen. Eine neue Tradition wird erfunden. Sie beinhaltet die Verdrängung und sogar Leugnung der fortdauernden Kontinuitäten deutscher Kolonial- und Kriegsverbrechen – vom Völkermord an den Herero und Nama[38] bis zur kolonialen Raubkunst, dem Luf-Boot im Berliner Humboldt-Forum. Der Holocaust mutiert damit vom Gipfelpunkt deutscher Kriegsverbrechen zu einem einmaligen Ausrutscher, einem Betriebsunfall einer ansonsten blitzsauberen Nationalgeschichte, oder wie Gauland von der AfD es ausdrückt: „ein Vogelschiss in über 1.000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte“.
AG Palästina
1 und ehem. Chef des sog. „Siedlerrates“
2 Im nur 12 Seiten kurzen ersten Sondierungspapier der neuen Ampelkoalition muss bereits, und ohne jeden inhaltlichen Zusammenhang, diese Staatsräson beteuert werden.
3 Eine christliche Heils- und Endzeitlehre; eine ihrer Ausprägungen ist auch als christlicher Zionismus bekannt.
4 Ihren Namen entlehnten diese nicht den gleichnamigen Orden aus den Kreuzzügen des Mittelalters; vielmehr wollten sie vor dem nahenden Weltuntergang eine eigene Kirche, einen rettenden, einzig wahren „Deutschen Tempel“ in Palästina errichten.
5 Während des osmanisch-russischen Krieges.
6 in schroffem Kontrast, geradezu als Zerrspiegelung jener bürgerlichen Freiheitsideale, die sich die Französische Revolution aufs Panier geschrieben hatte und im Inneren, in den Mutterländern des Kolonialismus, wenngleich zu unterschiedlichem Grad, durchsetzte.
7 Nur 20.000 britische Kolonialbeamte und Truppen herrschten über 300 Millionen Inder (ein „Bevölkerungs“-Anteil von 0,007%)!
8 Mit einer Politik der sog. „begrenzten Kolonisation“ ab 1837; fr.wikipedia.org/wiki/Algérie_française
9 Auch der deutsche Imperialismus hatte beiden Optionen im Auge, sei es als Überseegebiete und Hafenstützpunkte wie der sog. Musterkolonie Kiautschou in China oder den typischen Plantagenkolonien der deutschen Kolonialzeitschrift: „Der Tropenpflanzer“ in tropischen Regionen Afrikas – in Togo, Kamerun und Deutsch-Ostafrika.
10 Anders als Neuseeland.
11 Petah Tiqwah (1878), Zikhron Yaakov (1882)
12 Einer 1891 in London nach englischem Recht gegründeten Aktiengesellschaft.
13 Diese erforderte auch große Investitionen in Abfüllanlagen, Eisenbahnstrecken zu den Häfen, etc.
14 Die riesige Masse der Juden Europas lebte im damaligen Zarenreich, welches auch Polen umfasste.
15 Jiddisch war eine eigene Sprache der osteuropäischen Juden, eine Mischung, bzw. Abwandlung des Deutschen mit vielen hebräischen Lehnswörtern aber ansonsten deutschem Wortschatz und deutscher Grammatik. Im Gegensatz zu den Zionisten sprach der Jüdische Bund, die sozialdemokratische, revolutionäre Arbeiterbewegung im zaristischen Russland, Jiddisch. Die Bundisten waren scharfe Gegner der bürgerlichen Zionisten und ihrer Auswanderungspläne. Sie kämpften für den Sozialismus, an der Seite ihrer nichtjüdischen Klassengenossen, für ein sozialistisches Russland ohne Antisemitismus und ohne jede Klassenunterdrückung und Rassismus. In Osteuropa vertrat der Bund die riesige Mehrheit der modernen nicht-orthodoxen Juden, v.a. des Proletariats.
16 Wenngleich die Zionisten unter den Juden Deutschlands im Jahre 1900 nur eine verschwindende Minderheit von 4% darstellten.
17 siehe nächster Teil der Artikelserie.
18 „Köthener Kurse für koloniale Technik“ (1905); in: „Altneuland: Monatsschrift für die wirtschaftliche Erschließung Palästinas“; sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/periodical/titleinfo/2266000.
19 Welche vom späteren Zionisten Otto Warburg initiiert worden war.
20 Bis 1916 erwartete Ben Gurion, die Deutschen und Osmanen würden den 1. Weltkrieg gewinnen. Deshalb bemühten sich die Zionisten von Anbeginn um eine Konvergenz mit den deutschen Kolonial-Interessen und ihren Konzepten (z.B. der Bagdadbahn ...).
21 Pate stand hierbei der Deutsche Orden, ein Ritterorden seit den Kreuzzügen im späten 12. Jahrhundert.
22 Auch hier war die räumliche militärische Expansion nach außen – in Konkurrenz zum Zaren- und Habsburger Reich – ständig begleitet von innerer Expansion und Aggression, also der Niederschlagung polnischer Aufstände gegen die preußische Unterjochung und Fremdherrschaft.
23 mit Sitz in Posen.
24 Zu einer Zeit, da das monatliche Durchschnittseinkommen im Deutschen Reich 58,– RM betrug.
25 Willige Neusiedler aus dem Reich ließen sich kaum finden – im Gegenteil: Immer mehr verarmte Reichsdeutsche wanderten nach Westen ab, Richtung Industrie. Zugleich erpressten die bankrotten Junker den preußischen Staat mit der Androhung von Landverkauf. Preußen kaufte letztlich vor allem ihnen, und nicht Polen Land ab – zu horrenden Preisen – genau wie wir es hundert Jahre später durch die Treuhand erleben sollten.
26 Die Polen Poznańs gründeten eine eigene, erfolgreichere Landkaufbank (Bank Ziemski) und nicht zuletzt führten gerade die preußischen Gewaltmaßnahmen zu einem Aufschwung der polnischen Nationalbewegung mit vielfältigen Widerstandsformen auf allen Ebenen, genau wie Jahrzehnte die Palästinenser.
27 Der „Hungerplan“ der deutschen Generalität und Staatssekretäre vom Mai 1941 sah die Ermordung von 32 Millionen slawischer „Untermenschen“ vor.
28 So sein Buch von 1925: „Die landwirtschaftliche Kolonisation der zionistischen Organisation in Palästina.“ (Berlin, Aufbau), www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/EAMEFO2BTUUSJZKL426GB3C5G4ORB7KL
29 A. Ruppin (1916): „Syrien als Wirtschaftsgebiet“. www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/XZGNBOXOORYVH4TRF35G3IGA6ECL4XUJ
30 Später Leiter des „Palästinaamts“, der offiziellen Vertretung der Zionistischen Weltorganisation (WZO)
31 Brief an den Präsidenten des JNF, Juni 1907; zit. nach: Kressel, G. (1951): „Korot“ („Die Ereignisse“). Der Jüdische Nationalfonds, Jerusalem (auf Hebräisch), S. 60.
32 Nicht zu verwechseln mit dem Freiburger Biochemiker und Nobelpreisträger Otto Heinrich Warburg ...
33 Ab 1920 und bis zu seinem Tod 1938, vertrat Warburg die WZO in Berlin
34 Brief an Ussishkin (1908); zit. nach G. Shafir (1989): Land, Labour and the Origins of the Israeli-Palestinian Conflict. 1882-1914. Cambridge
35 Was jedoch nichts mit „Sozialismus“ zu tun hat, wie oft missverständlich interpretiert wird
36 www1.wdr.de/stichtag/stichtag3000.html
37 Die Hetze gegen angebliche „Fluten“ fremder Einwanderer, sog. „Asylanten“, ist längst wieder täglicher Sprachgebrauch der herrschenden Klasse. Beim Abzug der deutschen Truppen aus Kabul, im August 2021, tönte es unisono, von Grünen bis AfD, eine „Flutwelle“ wie „2015 darf sich nicht wiederholen“.
38 Noch im Mail 2021 verweigerte Steinmeier Reparationszahlungen an die Nachkommen der Opfer in Namibia, www.fr.de/politik/ich-habe-deutsche-vorfahren-dank-einer-vergewaltigung-90988520.html
Angela, die „Kanzlerit“ und ihr Freund Naftali – Jerusalem, 10. Oktober 2021.
Preußische Polenvertreibungen (Rugi pruskie); Gemälde von Wojciech Kossak, 1909 (Bezirksmuseum Toruń, Polen). (Preußische Massendeportationen von Polen und Juden mit russischen und österreichischen Pässen aus Preußen in den Jahren 1885–1890.)
Modell eines Kibbuz, 1938.