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KAZ-Fraktion: „Ausrichtung Kommunismus”

Zur Frage der Massenbasis des Faschismus

Nicht zuletzt in der Auseinandersetzung um die Einschätzung solcher Bewegungen wie die gegen das Projekt „Stuttgart 21“ wurden unseres Erachtens falsche Akzente um die Entstehung und Bedeutung einer Massenbasis für den Faschismus gesetzt.

Wir veröffentlichen deshalb im Folgenden eine (natürlich unvollständige) Sammlung diesbezüglicher Forschungsergebnisse von bedeutenden Wissenschaftlern wie Kurt Gossweiler, Dietrich Eichholtz und Wolfgang Ruge.

Fraktion „Ausrichtung Kommunismus“

„Der Marxismus-Leninismus stellt ... einen antagonistischen Widerspruch zwischen dem imperialistischen (monopolkapitalistischen) Klassencharakter des Faschismus und seiner kleinbürgerlichen sozialen Basis fest. Die Einwände gegen die ,,Mittelstands“-Theorien lassen sich kurz in folgenden Punkten zusammenfassen:

1. Der Widerspruch zwischen Klassencharakter und sozialer Basis ist ein Widerspruch, der alle großbürgerlichen Parteien mit Massenanhang kennzeichnet: Dieser Anhang stammt zum überwiegenden Teil aus dem Kleinbürgertum, der Bauernschaft und aus Teilen der Arbeiterklasse, die Politik dieser Parteien dient jedoch den Interessen des Großkapitals. Bei diesen Parteien ... kommt niemand auf die ldee, ihren Klassencharakter als Parteien der Großbourgeoisie mit dem Hinweis auf ihre kleinbürgerlichen Anhänger- und Wählermassen zu leugnen. Würde man aber das gleiche Kriterium wie bei den faschistischen Parteien anlegen, dann würde man zu dem grotesken Ergebnis gelangen, dass es fast nur noch kleinbürgerliche und Arbeiterparteien gibt und die Großbourgeoisie nahezu ohne politische Repräsentation ist.

2. Die ,,Mittelstands“-Theorien sind in geradezu absurder Weise anachronistisch. Sie schreiben dem Kleinbürgertum die Fähigkeit zu, sich die ganze Gesellschaft zu unterwerfen, als ob diese Gesellschaft noch dieselbe sei wie zur Zeit der französischen Revolution, und nicht die spätkapitalistische Gesellschaft, in der die ökonomische Allmacht der Monopole ,,mit absoluter Unvermeidlichkeit alle Gebiete des öffentlichen Lebens“ durchdringt, ,,ganz unabhängig von der politischen Struktur“, eine Gesellschaft, in der das Kleinbürgertum längst die Fähigkeit verloren hat, sich selbst politisch als Klasse zu organisieren, geschweige denn einen Kampf um die Macht zu führen und sich sowohl Monopolkapital wie Arbeiterklasse unterzuordnen. ...

3. Die Mittelstandstheorie gerät mit sich selbst in einen unlösbaren Widerspruch. Sie spricht dem faschistischen Kleinbürger die fabelhafte Stärke und Fähigkeit zu, sich Monopolkapital und Arbeiterklasse gleichermaßen zu unterwerfen; angesichts dessen muss es aber völlig unverständlich bleiben, wieso die Wirtschaftspolitik des Faschismus eindeutig das Monopolkapital favorisiert und die Existenzgrundlagen des Kleinbürgertums so brutal untergräbt wie kein anderes Regime vor ihm. ...

(Quelle: Kurt Gossweiler, Aufsätze zum Faschismus Band 1, Köln 1988, S. 353 f., Faschismus, Imperialismus und Kleinbürgertum)

„Im Gegensatz dazu engen die Theorien, die den Faschismus als spontane autonome kleinbürgerliche Massenbewegung betrachten, ihr Gesichtsfeld in gefährlicher Weise ein; sie nehmen einen Teil für das Ganze und lassen die Hauptsache außer acht. Für sie ist das Maß für die faschistische Gefahr nicht die Intensität der Demokratiefeindlichkeit des Finanzkapitals und der Grad seiner Entschlossenheit, seine Positionen durch Errichtung einer Form der faschistischen Diktatur zu festigen, sondern die Größe und Stärke faschistischer Parteien und Bewegungen.

..., obwohl Griechenland und Chile gezeigt haben, dass im Zeichen imperialistischer Militärpakte der Faschismus auch auf neuen Wegen an die Macht gebracht wird, wenn die kleinbürgerlichen Massen keine (oder noch keine ausreichende) Neigung zeigen, dem Faschismus ... Gefolgschaft zu leisten.

Indem diese Theorien fixiert bleiben auf den Faschismus als Massenbewegung, müssen sie versagen bei der Aufgabe, Anleitung zum Handeln zu sein gegen die andersartigen Formen faschistischer Gefahr in unserer Zeit. Als Hauptproblem stellt sich den Verfechtern dieser Theorien die Frage dar: Wie kann man verhindern, dass es wieder zu einer faschistischen Massenbewegung kommt? Würde dieses Problem gelöst, dann wäre nach ihrer Ansicht die Gefahr des Faschismus bereits für immer gebannt.

„Unsere Polemik gegen die Mittelstandstheorie bedeutet nicht, dass der Marxismus-Leninismus der Frage der Massenbasis des Faschismus keine oder nur geringfügige Bedeutung zumisst. Die Polemik bezieht sich einzig und allein auf die Feststellung, dass die soziale Basis des Faschismus nicht zum Kriterium seines Klassencharakters gemacht werden darf. ...“

(Quelle: Kurt Gossweiler-Aufsätze zum Faschismus Band l, Pahl-Rugenstein-Verlag Köln 1988, S. 355 f. und S. 357 f., Faschismus, Imperialismus und Kleinbürgertum)

,,Dort, wo die neue Synthese von Terror und Demagogie zur Maxime der Regierungspolitik erhoben werden konnte, geschah dies – wie es sich aus der Natur der Sache ergibt – durch jene Kreise der Monopolbourgeoisie, die auf Grund ihrer ökonomischen und politischen Position am wenigsten zu Zugeständnissen und Kompromissen geneigt, also am skrupellosesten und brutalsten waren. Mit anderen Worten: durch die ,,reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals“, deren offene terroristische Diktatur der Faschismus darstellt.

Viele antimarxistische Faschismusforscher versuchen, das Wesen des Faschismus zu verfälschen, indem sie auch die Frage der Massenbasis in die Bestimmung seines Klassencharakters mit einbeziehen und den Faschismus dementsprechend als Bewegung des Kleinbürgertums, der Landbevölkerung, des Lumpenproletariats oder anderer nichtmonopolistischer Bevölkerungsgruppen etikettieren ...

Demgegenüber unterstreicht die marxistische Geschichtsschreibung mit aller Entschiedenheit, dass die Frage der Massenbasis für das Verständnis des Faschismus zwar eine wichtige Frage ist, ‚aber für die Bestimmung des Klassencharakters, nicht von primärer Bedeutung sein’ kann.“

(Quelle. Eichholtz/Gossweiler (Hrsg), Faschismusforschung-Positionen, Probleme, Polemik, Akademie-Verlag Berlin 1980, S. 127 f., Wolfgang Ruge, Monopolbourgeoisie, faschistische Massenbasis und NS-Programmatik in Deutschland vor 1933)

Letzteres Zitat nimmt Bezug auf Georgi Dimitroffs Referat und Schlusswort auf dem VII. Kongress der Kommunistischen Internationale (1935) ,zitiert und analysiert in Elfriede Lewerenz's Buchveröffentlichung ,,Die Analyse des Faschismus durch die Kommunistische Internationale (Berlin 1975):

Es folgen dann im nachfolgenden Text Beispiele, die belegen (und deshalb nachgelesen werden sollten), wie weit die Schaffung einer faschistischen Massenbasis direkt von Angehörigen der Monopolbourgeoisie beeinflusst bzw. gelenkt wurde. Mit welchen Mitteln versucht wurde, die mehrheitlich aus dem Kleinbürgertum (ökonomisch wie sozial) rekrutierte und immer wieder antikapitalistische Tendenzen hervorbringende Basis als proimperialistisches Klassenkampfinstrument intakt zu halten und in welche Widersprüche sie sich dabei verstrickten.

Kurt Gossweiler, Der Putsch, der keiner war – Die Röhm-Affäre 1934 und der Richtungskampf im deutschen Faschismus

496 Seiten, 28,00 Euro, ISBN 978-3-89438-422-7, PapyRossa Verlag, Köln

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