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22. Ordentlicher Gewerkschaftstag der IG Metall vom 9. bis 15. Oktober in Karlsruhe

Kurswechsel

Ein gutes Leben für das Kapital

Seit über 2 Jahren sonnt sich die IGM-Führung in Kampagnen von „Gutem Leben“, „guter und fairer Arbeit“, „fairer Leiharbeit“, „besser statt billiger“ und anderem Schnickschnack. Was sich dahinter verbirgt, ist der Aufbau von Wolkenkuckucksheimen, mit dem Ziel die kapitalistische Wirklichkeit sozusagen als Friede-Freude-Eierkuchen Gesellschaft erscheinen zu lassen und zu verkaufen. Es war daher zu erwarten, dass die IGM-Spitze den Gewerkschaftstag dafür nutzt, um ihren der IGM bereits im Vorfeld verpassten Kurswechsel in diesem Sinne fortzusetzen (siehe z. B. KAZ Nr. 333, S. 33 ) Was hierbei das „Gute Leben“ angeht, hat IGM-Vorsitzender Huber zugelegt. Außerhalb der Beschlusslage hat er der IGM eine neue Aufgabe verordnet und in seinem „Zukunftsreferat“ dem Gewerkschaftstag am 12. 10. 2011 erklärt: „Unser großes, übergreifendes Ziel ist das ‚Gute Leben’ für alle Menschen“. Damit wird eine Illusion zur gewerkschaftlichen Zielsetzung erklärt und das Erreichen eines Zustandes vorgetäuscht, der unter kapitalistischen Verhältnissen nie für die ausgebeuteten Lohnabhängigen, sondern immer nur für die Minderheit der Ausbeuter gilt. Wenn bei dieser Art von Gehirnwäsche keine fortschrittlichen Kolleginnen und/oder Kollegen gegenhalten, birgt sie die Gefahr, dass viele Delegierte überwältigt vom „großen übergreifenden Ziel“ und gemeinsamen Erlebnis Gewerkschaftstag vor leuchtenden Augen die tägliche Realität nicht mehr sehen. Das ist auch der Zweck der Übung, Ausblenden der Wirklichkeit, um Stimmung zur Durchsetzung von Vorstandsbeschlüssen zu schaffen und von eigener Verantwortung abzulenken. In diesem Klima hört es sich dann auch gut an, wenn der Vorsitzende in die Zukunft denkend gleich zwei Regierungen ans Fell geht, in dem er erklärt: „Ich verlange von dieser Bundesregierung und von der nächsten auch: Machen Sie endlich Schluss mit der Prekarisierung von Arbeit. Erst dann leisten Sie für uns verantwortungsvolle Regierungspolitik.

Huber schiebt damit das notwendige eigene gewerkschaftliche Handeln auf die im Auftrag des Kapitals handelnde und für alle Deregulierungen verantwortliche Regierung ab – und gleich noch auf die nächste mit. Das kommt einer Aufforderung an die Wölfe gleich – ihre Nachkommen mit eingeschlossen –, endlich mit dem Reißen von Schafen aufzuhören. Damit das dann auch in geordneten Bahnen verläuft, hat der IGM-Vorsitzende die Bundesregierung aufgefordert: „zusammen mit den Gewerkschaften ein großes Projekt ‚Neue Kultur der Arbeit’ aufzulegen.“

Welche Kultur hat nun der IGM-Gewerkschaftstag für die Leiharbeit vorgesehen? In einem Ergänzungsantrag der IGM Bamberg zur Entschließung 3 (E 3) heißt es:

„Die IGM wird nicht nachlassen, langfristig für die Zielsetzung eines Verbots der Leiharbeit in ihrer jetzigen Form entsprechend einzutreten.“

Das ist das Ergebnis der Beratung und Beschlussfassung über eine Entschließung, von 29 Anträgen und dem o. g. Ergänzungsantrag. Ausführlich wurden darin die Auswirkungen von Leiharbeit mit z. B. Spaltung der Belegschaften, Lohndrückerei und fürs Kapital die Möglichkeit des Heuerns und Feuerns der davon betroffenen Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter geschildert. IGM-Vorsitzender Huber hatte hierbei zum Thema erklärt: „Wir wollen keine Apartheid in den Betrieben. Auf der einen Seite die Festangestellten mit allen tariflichen Rechten, auf der anderen Seite befristet Beschäftigte, Leiharbeiter und Beschäftigte mit Werksverträgen.

Was liegt also näher, als die konsequente Forderung nach einem Verbot der „Apartheid“. Z. B. Aktionstage, Unterschriften und Streiks, um der Leiharbeit, diesem Kampfinstrument des Kapitals, ein Ende zu bereiten (siehe KAZ 336). Doch so einfach ist das bei der IGM nicht. Der o. g. Ergänzungsantrag musste mit der zitierten Formulierung kampfweise gegen die ablehnende Empfehlung der Antragsberatungskommission (ABK) durchgesetzt werden. Die hatte sich auf die umfangreichen Aussagen in Entschließung und Anträgen berufen, die das Ziel hätten, „Leiharbeit weiter zurückzudrängen“. Hierbei wurde gleichzeitig erklärt, dass die Forderung nach einem Verbot der Leiharbeit „noch nicht abschließende Position in der IG Metall sei“ und die Antragsberatungskommission nicht wolle, „dass das Verbot in der Entschließung aufgeführt ist.

Es liegt jetzt wieder in der Hand von fortschrittlichen und kämpferischen Kolleginnen und Kollegen, sich dafür einzusetzen, dass die Forderung nach einem gesetzlichen Verbot der Leiharbeit nicht lang-, sondern kurzfristig zur abschließenden Position in der IGM und im DGB wird. Das ist nicht nur notwendig als Zeichen an die Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter Gewerkschaftsmitglied zu werden, sondern um ihnen ebenso das Gefühl zu geben, dass sie trotz möglicher tarifvertraglicher Verbesserungen, nicht weiterhin („längerfristig“) nur die Reservearmee für die Stammbelegschaften spielen sollen.

„Begräbnis erster Klasse“ für Anträge zum Streikrecht?

So erging es z. B. beim o. g. IGM-Gewerkschaftstag neun Anträgen zur Regelung eines umfassenden Streikrechts in der BRD. Sie wurden mit der Zuordnung zur „Entschließung“ 1 (E 1) und Nichtbefassung zweier Absätze in einem Aachener Antrag als erledigt erklärt. Von ihren ausführlichen Begründungen, politischen Streik als gewerkschaftliches Kampfmittel zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der abhängig Beschäftigten in die Satzung der IGM aufzunehmen, ist die untenstehende Aussage übrig geblieben. Die Europäische Union soll „Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsrechte ausbauen“ und ebenso das Streikrecht für die BRD regeln. Entsprechend heißt es in der „E 1“: „Dazu gehört auch die Verankerung eines umfassenden Streikrechts gemäß der Europäischen Sozialcharta Artikel 6 und der ILO Übereinkommen 87 und 98 (Vereinigungsfreiheit und Recht zu Kollektivverhandlungen).

Abgesehen vom Hinweis auf die ILO-Übereinkommen (Internationale Arbeitsorganisation, d. R.) - haben sich die IGM-Delegierten hierbei vom IGM-Vorstand mit der gleichen Formulierung aufs Kreuz legen und auf die EU vertrösten lassen, wie sie bereits der 21. IGM-Gewerkschaftstag 2007 beschlossen hat. Dabei hieß es für zwölf Anträge zum Streikrecht ebenfalls: erledigt durch Entschließung 1 (E 1). Wir berichteten darüber in der KAZ 322.

Jetzt versucht die IGM-Führung erneut, die Diskussion über Forderungen nach politischem, bzw. evtl. Massen- oder Generalstreik unter Berufung auf die EU abzuwürgen und auf den „Sankt Nimmerleinstag“ zu verschieben. Hierbei verschweigt sie, dass es bereits seit Februar 1998, also seit über 14 Jahren, die Aufforderung durch den Ministerrat des Europarats an die Bundesregierung gibt, das Streikrecht in der BRD dem nach Artikel 6 der Europäischen Sozialcharta (ESC) geltenden Recht anzupassen. Die ESC wurde am 27.1.1965 einschließlich Streikrecht von der BRD ratifiziert. Danach ist die Beschränkung des Streikrechts nur auf die Durchsetzung tarifpolitischer Ziele rechtswidrig und damit die Mehrheit der in der BRD durch Arbeitsrichter ausgesprochenen Streikverbote als Verstoß gegen die Sozialcharta rechtsungültig. Es ginge also zunächst darum, dass die DGB-Gewerkschaften in der BRD dafür sorgen, dass diese Urteile, vom Tisch kommen. Alles andere heißt, sich auch weiterhin von einer Handvoll Arbeitsrichter Streikverbote diktieren und auf den Streik nur für Tarifverträge zurückdrängen zu lassen. Kapital und Regierung können uns dabei weiterhin ungestört das Fell über die Ohren ziehen. Die Merkel-Regierung wird genauso wenig wie ihre Vorgänger für uns das Streikrecht an die EU-Sozialcharta anpassen noch wird das Europäische Parlament irgendein Streikrecht in unserem Sinne durchsetzen. Warum auch, wenn die Gewerkschaftsführer in der BRD es nicht für nötig halten EU-Rechte wahrzunehmen und sich wie jetzt die IGM-Spitze, weitere vier Jahre bis zum nächsten Gewerkschaftstag hinter der EU verschanzen. Die Delegierten der antragstellenden IGM-Verwaltungsstellen u. a. haben es versäumt, sich auf den Gewerkschaftstag zu Wort zu melden und das Thema Streikrecht zu problematisieren. Eine Aufgabe, die offen geblieben ist und nach wie vor für jede fortschrittliche Gewerkschafterin und jeden fortschrittlichen Gewerkschafter steht.

Wer nutzt wie die Konkurrenz unter den Kapitalisten?

Die Situation ist ja eher günstig für diesen Kampf: Nicht nur die Aufforderung durch den Ministerrat des Europarats, das BRD-Recht an das ESC anzupassen, ist Ausdruck der Konkurrenz unter den europäischen Imperialisten. Die Kapitalisten der anderen EU-Länder sind sauer auf die BRD, weil sich die deutschen Kapitalisten Konkurrenzvorteile durch die Rechtlosigkeit der Arbeiter in der BRD verschaffen. Und nicht nur das: seit dem vorigen Jahr steigt der Unmut der Konkurrenten gegen das deutsche Kapital, das sich mit Billiglöhnen „Wettbewerbsvorteil“ verschafft. Und diese Billiglöhne haben eine Ursache in der Rechtlosigkeit der Arbeiter hierzulande. Das heißt also: das deutsche Kapital steht unter Druck der benachbarten Kapitalisten. Eine gute Voraussetzung für unseren Kampf! Aber der IGM-Gewerkschaftstag hat sich in der Frage der Widersprüche unter den Imperialisten stattdessen letztlich auf die Seite unserer Ausbeuter geschlagen – auf die Seite, für die Konkurrenz dann auch mal Krieg heißen kann. So gab es zwar mehrere Diskussionsbeiträge von Kollegen, die sich z.B. gegen die Studie des „Wehrpolitischen Arbeitskreises“ der IG Metall wendeten (zu diesem Arbeitskreis siehe der Artikel aus AUF DRAHT „Weltordnungspolitik). Aber die Kritik wurde von Huber abgebügelt, die kriegerischen Zielsetzungen dieser Studie wurden vom Gewerkschaftstag nicht verurteilt und bleiben Grundlage für den IG-Metall-Vorstand..

Arbeitsgruppe „Stellung des Arbeiters in der Gesellschaft heute“

(Sämtliche Informationen aus Entschließungen, Anträgen und Gewerkschaftstagsprotokollen der IGM)

Was Huber nicht wissen will …

„Die Wege des Kapitals sind nicht im mindesten wunderbar. Mit der gleichen naturgesetzlichen Notwendigkeit, die das Wasser den Berg hinuntertreibt, strömt das Kapital an den Ort des höchsten Profits. Ihm moralische Skrupel welcher Art immer ansinnen, hieße dem Wasser zumuten, bergan zu laufen oder dem Felde zufliegen.“ (Liebknecht contra Rüstungskapital, Dietz Verlag 1961, S. 37)

IG Metall-Vorstand

Weltordnungspolitik

Die „Einsatzfähigkeit“ der Kriegsmarine gegen die „Bedrohung des freien Warenverkehrs“ muss ebenso sicher gestellt werden wie die „Exportfähigkeit“ deutscher Waffen.

Das kommt nicht aus der Vorstandetage von Blohm und Voss. Es kommt auch nicht aus dem Mund eines Rüstungslobbyisten im Bundestag.

Die Zitate stammen aus einer Studie vom Dezember 2010 des „Wehrpolitischen Arbeitskreises“, der beim Vorstand der IG Metall aufgehängt ist![1] Im kernigen Vorwort, verfasst vom damaligen geschäftsführenden Vorstandsmitglied Rohde, heißt es: „Der Erhalt der wehrtechischen Kernfähigkeit im Maschinenschiffbau ist für die IG Metall von nationaler Bedeutung.“

Die Studie war durch die regierungskritische Internetplattform German Foreign Policy im Oktober dieses Jahres veröffentlicht worden.

Ist das noch unsere IG Metall?

Ist das die mächtige Industriegewerkschaft, die doch bisher immer am 1. September, dem internationalen Antikriegstag, die Losung „Nie wieder Krieg!“ hochgehalten hat? (Die Jugend zumindest.) Wir schließen uns in der IG Metall zusammen, um unsere Existenzbedingungen wie Lohn und Arbeitszeit zu sichern. Und auch, weil zu den Zielen unserer Organisation gehört, dass sie für „Frieden, Abrüstung und Völkerverständigung“ eintritt[2]. Dieser Auftrag der Satzung ist diktiert von der Erfahrung, die die Arbeiterklasse in zwei Weltkriegen machen musste – die von deutschem Boden ausgingen.

(Für Frieden und Abrüstung eintreten, das könnten wir mit dieser Organisation wirkungsvoller als jede Friedensdemonstration, weil wir den Rüstungskapitalisten den Saft abdrehen könnten. Einfach Hebel runter.)

EADS der Meere

In der Studie, die sich vor allem dem „militärischen Schiffbau“ widmet, favorisiert der kriegerische Arbeitskreis eine „europäische Lösung“ und ebensolche Beschaffungsprogramme. Das Ziel bestehe dabei in der Errichtung einer „gemeinsamen Basis der Rüstungsindustrie als Element der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik“. Konkret werden hierunter „übergreifende Kooperationen“ der wirtschaftlich stärksten und technologisch fortgeschrittensten Waffenschmieden verstanden - etwa in Form der Herausbildung einer „EADS der Meere“[3].

Drecksdinger ohne Nährwert

Diese Fregatten, Kreuzer und was sonst noch alles in den Köpfen des Arbeitskreises herum schwirrt, haben keinerlei Nutzen. Auf Draht berichtete, wie die deutschen U-Boot-Lieferungen an Portugal und Griechenland die Schuldenlast dieser Länder erhöhen. Ein solches Drecksding kostet einige Hundert Millionen Euro.

Der Vorstand der IG Metall macht sich natürlich Sorgen um die Arbeitsplätze, „oberste Priorität“ sagt er.

Tatsächlich arbeiten etwa 40.000 Menschen in deutschen Rüstungsfabriken. Würde die Bundesregierung jedem von ihnen 50.000 Euro pro Jahr in die Hand drücken, dann könnten die Kollegen spazieren gehen, Schach spielen oder Tauben züchten, statt Kriegsgerät zu bauen[4].

Woher die zwei Milliarden? Aus dem Verteidigungshaushalt natürlich. Der müsste lediglich um sechs Prozent, nämlich von zur Zeit 31,5 Milliarden Euro auf 29,5 Milliarden Euro gesenkt werden[5].

Ganz unkritisch übernimmt der Vorstand und sein Arbeitskreis das – imperialistische – „Konzept weltweit mobiler Streitkräfte, die flexibel an wechselnden Schauplätzen für militärische Einsätze zur Verfügung stehen“. Sollen unsere Söhne und Töchter, auf Schlachtschiffen daher kommend, die Völker in aller Welt bedrohen? Sollen sie ihnen die Rohstoffe rauben mit Zustimmung unserer Organisation?

Ein solcher Arbeitskreis hat in unserer IG Metall nichts zu suchen!

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1 Alle Zitate, soweit nicht anders angegeben, aus: IG Metall Vorstand - Wirtschaft, Technologie, Umwelt: Perspektiven der deutschen militärischen Schiffbaukapazitäten im europäischen Kontext. Frankfurt, Dezember 2010

2 Satzung der IG Metall, gültige Fassung vom 1.1.2008, § 2.

3 Die European Aeronautic Defense und Space Company (EADS) ist der zweitgrößte Rüstungskonzern Europas, der von deutschem und französischem Monopolkapital dominiert wird. Der Airbus A400M, der Eurofighter und diverse Kampfhubschrauber kommen aus dieser Waffenschmiede. Der deutsche Hauptsitz ist in München-Ottobrunn.

4 Zahlen aus: www.steinbergrecherche.com/deutschekrieger.htm

5 Ebenda

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