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KAZ-Fraktion: „Ausrichtung Kommunismus”

Wie kriegsfähig ist der deutsche Imperialismus (III)

75 Jahre Wiederaufstieg des deutschen Imperialismus – eine Zwischenbilanz

Angesichts der deutschen Beteiligung an regionalen Kriegen wie z.B. Jugoslawien, Afghanistan und Syrien könnte die Frage nach der Kriegsfähigkeit abwegig erscheinen. Ziel des ersten Teils dieser Fragestellung war es aber, diese Kriege als Teil der beginnenden Konfrontation zwischen den Imperialisten selbst zu untersuchen. Zum Auftakt versucht der folgende Artikel, eine kurze Bestandsaufnahme zu geben und die Tendenz sichtbar zu machen, die den deutschen Imperialismus für das kommende Jahrzehnt erneut in der Rolle des Brandstifters sehen wird.

Der zweite Teil behandelte das PESCO-Abkommen und Deutschlands Vorpreschen im Syrien-Krieg als Kennzeichen für eine verschärfte Gangart Deutschlands im Kampf um Bestand und Neuformierung imperialistischer Allianzen.

In diesem Teil ziehen wir eine Zwischenbilanz zum Wiederaufstieg des deutschen Imperialismus und zum Ausmaß der Militarisierung seiner Außen- und Innenpolitik.

Als im Juli im Zusammenhang mit dem Streit um die Erdgas-Pipeline „Nordstream 2“ Präsident Trump den Abzug von US-Truppen aus Deutschland verfügte, kommentierte Gregor Gysi, außenpolitischer Sprecher der Partei die Linke (PdL), diese Entscheidung in einem Interview folgendermaßen: „Wenn wir mit Hilfe Russlands eine Erdgas-Leitung durch die Ostsee legen lassen, aber Trump sein Erdgas bei uns verkaufen will, dann ist er beleidigt, wenn die Bundesregierung das nicht macht. Er straft, indem er US-Soldaten abzieht. Von der Strafe kann ich allerdings gar nicht genug bekommen. Meinetwegen kann er alle Soldaten abziehen und vor allem kann er die Atomwaffen gleich mit zurückholen.“[1]

Dabei verbindet er eine alte und berechtigte Forderung der Friedensbewegung, Europa atomwaffenfrei zu machen, mit dem Wehklagen des bürgerlichen Lagers bis hin zur SPD über die Unzuverlässigkeit und Unberechenbarkeit des amerikanischen NATO-„Bündnispartners“. Zugleich blinzelt er in Richtung derjenigen, die mit der Forderung nach mehr „deutscher Souveränität“ als potenzielle Wähler für eine rot-rot-grüne Bundesregierung in Frage kommen könnten. Wahrlich ein vergiftetes Geschenk – denn damit rückt er die Tatsache aus dem Blickfeld, dass der US-Imperialismus zumindest einen militärischen Pflock ins „Fleisch“ des deutschen Imperialismus geschlagen hat. Waren doch die Einverleibung der DDR und die Politik der EU-Osterweiterung wichtige Stationen für Deutschlands Aufstieg in die Liga der stärksten imperialistischen Länder.

Bei der 1948 gegründeten Westunion (WU), auch als Brüsseler Pakt bekannt, war das demilitarisierte und vom Alliierten Kontrollrat verwaltete Deutschland nicht nur nicht dabei, sondern als Zweck des Bündnisses war genannt: Prävention gegen deutsche Aggressionen. Das von Frankreich, Großbritannien und den Benelux-Staaten gegründete Militärbündnis war als Vorstufe eines transatlantischen Verteidigungspaktes mit den USA gegen die Sowjetunion gedacht. Dieser wurde ein Jahr später mit der NATO gegründet. Die NATO wiederum war ein US-Projekt, nicht nur als aggressives Militärbündnis gegen den europäischen Sozialismus gerichtet, sondern auch zur Absicherung der US-Interessen in Europa und zur Niederhaltung und Einbindung des deutschen Imperialismus aus der Taufe gehoben worden.

Seit der Oktoberrevolution 1917 standen nie wieder so viele US-Soldaten auf osteuropäischem Territorium wie heute: z.B. rund 5.000 in Polen[2] und 3.500 in Rumänien[3]. Von wegen Nichteinhaltung der NATO-Bündnisverpflichtungen, nur eben im Widerspruch zu deutschen Expansionsbestrebungen. Nicht Ausdruck der Unberechenbarkeit, sondern berechenbarer Ausdruck offener Konkurrenz im Kampf um Hegemonie.

Am 19. Oktober erklärte Kanzlerin Merkel in einer Grußbotschaft für die Asien-Pazifik-Konferenz der Deutschen Wirtschaft in Berlin, sie sehe weitere Perspektiven für den Außenhandel in Fernost: „Wir wissen um die weiter wachsende globale Bedeutung der Märkte in der Asien-Pazifik-Region.“ Derzeit gingen etwa drei Viertel der deutschen Asienexporte nach Ostasien, die Hälfte allein nach China. Daher „bieten sich noch viele Möglichkeiten der Diversifizierung und Erschließung weiterer Märkte“ in der gesamten Region, betonte sie.[4]

Angesichts der erreichten deutschen Hegemonie in Europa kann man trotz aller Widerstände, schon mal auf die Idee kommen, dass Belgrad, Kabul, Damaskus, Tripolis und Bamako (Mali) in Sichtweite des Kanzleramtes liegen und der Weg in den Pazifik nicht viel mehr als ein Katzensprung ist. Das ist nicht einfach ein Realitätsverlust, es ist die Realität aller Imperialisten, insbesondere des zweimal zurück gestutzten und daher besonders hungrigen deutschen Finanzkapitals.

Rosa Luxemburg warnte 1911 angesichts des heraufziehenden imperialistischen 1. Weltkriegs: „Dass eine mit der Entwicklungstendenz so wenig übereinstimmende Idee trotz aller radikalen Allüren im Grunde genommen keine fortschrittliche Losung abgeben kann, bewahrheitet sich auch an dem Einzelfall der ,Ver­einigten Staaten Europas’. Nicht von (revolutionären – der Verf.) sozialdemokratischen Parteien, sondern von bürgerlicher Seite ist bis jetzt von Zeit zu Zeit die Idee eines europäischen Zusammenschlusses aufgeworfen worden. Dies geschah aber jedes Mal mit deutlicher reaktionärer Tendenz. Es war z.B. der bekannte Sozialistenfeind Prof. Julius Wolf, der die europäische Wirtschaftsgemeinschaft propagierte. Sie bedeutete aber nichts andres als eine Zollgemeinschaft zum handelspolitischen Krieg gegen die Vereinigten Staaten von Amerika und ist auch so von sozialdemokra­tischer Seite aufgenommen und kritisiert worden. Und jedes Mal, wo bür­gerliche Politiker die Idee des Europäertums, des Zusammenschlusses europäischer Staaten auf den Schild erhoben, da war es mit einer offenen oder stillschweigenden Spitze gegen die ,gelbe Gefahr’, gegen den ,schwarzen Weltteil’, gegen die ,minderwertigen Rassen’, kurz, es war stets eine imperialistische Mißgeburt.“[5]

Lenin konstatierte im August 1915: „Natürlich sind zeitweilige Abkommen zwischen den Kapitalisten und den Mächten möglich. In diesem Sinne sind auch die Vereinigten Staaten von Europa möglich als Übereinkommen der europäischen Kapitalisten ... worüber? Lediglich darüber, wie man gemeinsam den Sozialismus in Europa unterdrücken, gemeinsam die geraubten Kolonien gegen Japan und Amerika verteidigen könnte ...

Die Zeiten, in denen die Sache der Demokratie und die Sache des Sozialismus nur mit Europa verknüpft war, sind unwiderruflich dahin.“[6]

Zu diesem Punkt schrieb R. Corell über die nach dem 2. Weltkrieg entstandene Europäische Union (EU): „Lenin begründet hinreichend die Behauptung, dass die Vereinigten Staaten von Europa entweder unmöglich oder reaktionär seien. Wir können heute hinzufügen: Je mehr die Vereinigten Staaten von Europa in den Bereich des Möglichen rücken, desto reaktionärer werden sie.

– Reaktionär mit ihrer Frontstellung gegen das sozialistische China.

– Reaktionär gegen die kleineren Mitgliedsländer, denen eine eigenständige Entwicklung selbst auf kapitalistischer Grundlage abgeschnitten wird und die vermittelt über ,Brüssel’ zu Sonderwirtschaftszonen der imperialistischen Länder im EU-Verbund werden, in Abhängigkeit vor allem von der BRD, sowie von Frankreich, Großbritannien und Italien. Wie ,demokratisch’ diese Abhängigkeit geregelt ist, zeigt sich allein schon durch das Abgehen vom Grundsatz eine Nation eine Stimme.“[7]

In Hamburg steht heute noch das sog. 76er-Denkmal am Stephansplatz. Unter der Darstellung von 88 steinernen Soldaten prangt die Parole „Deutschland muss leben und wenn wir sterben müssen“.

Das Symbol des deutschen Militarismus steht bis heute unverändert und ohne Kommentartafel an seinem Platz. Nach der konterrevolutionären Wende errichtet das neue Größerdeutschland das entsprechende Gegenstück im Berliner Bendler-Block für die Toten im Afghanistankrieg. Und die Groko, gerne auch als „Berliner Republik“ bezeichnet, stellt sich damit in die Kontinuität des deutschen Militarismus.

75 Jahre imperialistische Reaktion, Geschichtsrevisionismus und Militarismus

Vor 75 Jahren ging in Europa der Zweite Weltkrieg zu Ende. Am frühen Morgen des 7. Mai unterzeichnete Generaloberst Alfred Jodl im US-Hauptquartier in Reims die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht. Um die Unterzeichnung der Kapitulation auch durch den Oberkommandierenden der Wehrmacht, Wilhelm Keitel, und die Chefs der deutschen Kriegsmarine und Luftwaffe sicherzustellen, wurde eine Ratifizierung vereinbart. Die aus Flensburg-Mürwik eingeflogene deutsche Delegation unterzeichnete die Kapitulationsurkunde am 8./9. Mai im Hauptquartier der Roten Armee in Berlin-Karlshorst. Adolf Hitler hatte sich eine Woche zuvor angesichts der anrückenden Roten Armee im Berliner Führerbunker feige aus der Verantwortung gestohlen. Am 8. Mai 1945 um Mitternacht wurden alle Kampfhandlungen beendet. Im Pazifik dauerte der Krieg weitere fünf Monate bis zur Kapitulation Japans am 2. September.

Rund 70 Millionen Menschen wurden getötet, zwei Drittel davon Zivilisten – unbewaffnete Männer, Frauen und Kinder. Und dabei handelte es sich nicht um „Kollateralschäden“. Die Ausrottung großer Teile der Zivilbevölkerung war von Anfang an erklärtes Ziel des Vernichtungskriegs des faschistischen deutschen Imperialismus, der seinen barbarischen Höhepunkt im Krieg gegen die „jüdisch-bolschewistische Weltverschwörung“ fand. In der planmäßigen industriell organisierten Ermordung von 6 Millionen europäischen Juden wie dem weltanschaulichen Vernichtungskrieg gegen das erste sozialistische Land der Erde – die Sowjetunion.

Allein die Sowjetunion verlor rund 27 Millionen ihrer Bürger, mehr als die Hälfte davon Zivilisten. Von den 13 Millionen Toten in Uniform starben 3,3 Millionen an Hunger und Kälte in deutschen Kriegsgefangenenlagern – an sich schon ein gewaltiges Kriegsverbrechen. Wer als Mitglied der Kommunistischen Partei, Jude oder Partisan deutschen Einheiten in die Hände fiel, wurde auf der Stelle erschossen. Ganze Landstriche wurden ausgehungert, niedergebrannt und vernichtet.

Der mörderische Terror beschränkte sich nicht auf die Front. Neben Juden, die aus ganz Europa in Vernichtungslager wie Auschwitz transportiert wurden, fielen Hunderttausende Sinti und Roma, Mitglieder anderer Minderheiten, Zwangsarbeiter und politische Gefangene den deutschen Faschisten zum Opfer. Rund 200.000 Behinderte wurden im Rahmen des Euthanasieprogramms getötet. Die deutsche Militärjustiz verurteilte 1,5 Millionen Wehrmachtsoldaten wegen „Wehrkraftzer­setzung“ und ähnlichen Taten, 30.000 davon zum Tode. Die Opfer der Ziviljustiz wurden nie genau ermittelt, der sog. Volksgerichtshof verhängte 5.200 Todesurteile.

Die Kriegsführung des deutschen Faschismus öffnete die Büchse der Pandora in der imperialistischen Kriegsführung. Die Zerstörung der baskischen Stadt Guernica im Spanischen Interventionskrieg durch den deutschen und italienischen Faschismus mittels Bombenterrors aus der Luft war ein Fanal der kommenden Barbarei. Der deutsche Luftterror gegen Großstädte wie Warschau, Rotterdam und nicht zuletzt über der englischen Industriestadt Coventry schufen sogar eine eigene Sprache: „coventrieren“ wurde zum deutschen Begriff für die Zerstörung weiterer Städte wie London, Leningrad, Stalingrad und Moskau. Selbst der notwendige Kampf für die Niederringung der faschistischen Allianz führte dazu – wie Brecht es ausdrückte, dass selbst der Kampf für die Befreiung die Gesichtszüge der Gerechten verzerrt.

Und dabei darf nicht vergessen werden – bevor die Hitler-Clique den 2. Weltkrieg mit dem selbst inszenierten polnischen Überfall auf den deutschen Sender Gleiwitz entfesselte, wurde Deutschland selbst mit einem Netz von Konzentrations- und Arbeitslagern überzogen. Die deutschen Faschisten führten zuerst einen Krieg gegen das „eigene“ Volk, bevor sie gegen die Völker Europas losschlugen.

Ohne sich die Dimension der deutschen imperialistischen Kriegsmaschinerie, durchgesetzt und organisiert durch den faschistischen Staatsterror und ausgeführt von einer Wehrmacht und ihrem profaschistischen und halbfeudalen Offizierskorps, kann die Rolle EU-Deutschlands nicht voll erfasst werden. Ein Staat wie der heutige deutsche, der angeblich nur von Freunden umgeben ist und an keiner Landesgrenze bedroht wird, warum militarisiert dieser Staat seine Außenpolitik in einem solchen Ausmaß? Kurt Gossweiler hat die langfristigen Pläne der deutschen Monopolbourgeoisie analysiert: „Der deutsche Imperialismus hat aus den zwei Niederlagen, die er erlitt, ... gelernt und daraus die Schlussfolgerung gezogen: er kann den dritten Anlauf zum Griff nach der Weltherrschaft nicht mehr mit einem durch Waffengewalt unterworfenen Europa als Hinterland unternehmen, sondern nur mit einem Europa, das Deutschland als die stärkste ökonomische und politische Macht des Kontinents als Führungskraft einer Europäischen Union anzuerkennen bereit ist. In der Tat hat die BRD als stärkste ökonomische Macht ... die Vorherrschaft in der Europäischen Union erlangt und strebt danach, die Europäische Union unter deutscher Führung zur ökonomisch, politisch und militärisch den USA zunächst ebenbürtigen, dann aber sie überholenden Macht auszubauen. Noch aber ist diese EU ... wegen der zahlreichen Interessendivergenzen ... ein noch recht labiles Gebilde, das aus der Zone der Einsturzgefahr noch nicht herausgekommen ist, ...“[8]

Es ist kein Spaß, dass die heutige „Verteidigungsministerin“ AKK gemeinsam mit der deutschen Kanzlerin die Anschaffung eines eigenen Flugzeugträgers favorisierte – natürlich gemeinsam mit Frankreich. Als europäisches Feigenblatt gegen die zunehmenden Ängste vor dem deutschen Militarismus ist Frankreich immer gut. Was soll eine deutsche „Schutzmission“ im Iranischen Meer gemeinsam mit Frankreich? Was hat die deutsche Marine vor der chinesischen Küste zu suchen, eventuell mit Frankreich? Weswegen trifft die Bundeswehr Vorbereitungen für den „Winterkampf“ in der Arktis, auch ohne Frankreich? Die deutsche imperialistische Militärpolitik möchte großmächtig sein. Der ökonomische und politische Riese eben kein militärischer Zwerg – frei nach Franz Josef Strauß.

Dafür gibt es im Berliner Reichstag eine parlamentarische Mehrheit. Das Militärprogramm der AfD, vorgestellt während der Landtagswahlen 2019, will diesen Gleichklang fokussieren und überbietet ihn. Es begleitet die Militarisierung der deutschen Außenpolitik mit einem forschen Orchester, etwas zu laut, etwas zu schrill, aber es ist dasselbe Notenblatt. Noch 1990 stemmten sich die westlichen Weltkriegssieger gegen den Alptraum eines vereinigten Deutschlands, das seine Wirtschaftsmacht erneut ins Militärische wenden könnte. Aber zu diesem Zeitpunkt war es bereits zu spät. Die Bundesrepublik, der Rammbock gegen den sozialistischen Osten, stand nun vor freiem Gelände, als die Mauer fiel. Die Einkaufsrally quer durch Europa, erst im Osten, dann auch im Westen, glich einem Rausch. Deutsche Soldaten stehen heute überall dort, wo die „Wertschöpfungskette“ intakt bleiben muss – wenn nötig, auch „gegen den Willen anderer Staaten“, wie es in dem Militärprogramm der AfD heißt.[9]

Ein Papier der „Heinrich-Böll-Stiftung“ schmälert die Bedeutung des UN-Mandats bei Auslandseinsätzen. Die Grünenchefin Baerbock steigt in die Debatte um einen „gerechten Krieg“ ein und fordert ein stärkeres europäisches Agieren im militärischen Bereich – auch bei Auslandseinsätzen. „Die Grünen sollten Auslandseinsätze der Bundeswehr nicht von einem UN-Mandat abhängig machen“, heißt es im „Impulspapier Nr. 1: Die Zukunft von Auslandseinsätzen“. Wer auf eine solche UN-Mandatspflicht verweise und auf Reformen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen hoffe, mache es sich im gegenwärtigen geopolitischen Kontext zu einfach, so die Autoren des Papiers. Denn eine Sicherheitsratsreform sei im nächsten Jahrzehnt nicht realistisch. „Wer unter diesen Umständen die Debatten um Auslandseinsätze der Bundeswehr für beendet erklärt, sobald der Sicherheitsrat blockiert ist, geht der eigenen Verantwortung für Frieden und Sicherheit aus dem Weg“, lautet die Botschaft. Die Bundesvorsitzende der Grünen, Annalena Baerbock, bestärkte diese Linie und verteidigte die Ausführungen in einer Online-Konferenz mit Journalisten des „Vereins der Ausländischen Presse“ (VAP).[10]

Eine militaristische Provokation der besonderen Art fand über der KZ-Gedenkstätte Dachau statt. Als „historischen Moment“ bezeichnete das deutsche Außenministerium die Ankunft israelischer Kampfjets auf dem Fliegerhorst Nörvenich in NRW. Die Flieger und 200 israelische Soldaten nahmen zwei Wochen lang an einem Bundeswehr- und einem NATO-Manöver teil.

Der Außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jürgen Hardt, erklärte am Vortag, die erste deutsch-israelische Militärübung auf deutschem Boden sei ein Zeichen der tiefen Freundschaft und Verbundenheit zwischen den Ländern. Schließlich sei Israel Deutschlands einziger demokratischer Sicherheitspartner im Nahen Osten. Die Zusammenarbeit der deutschen und der israelischen Luftwaffe ist laut Bundeswehr in den vergangenen Jahren schrittweise intensiviert worden. 2017 und 2019 nahmen deutsche Kampfflugzeuge an Übungen in Israel teil. Seit 2010 nutzt die deutsche Luftwaffe die israelische Kampfdrohne Heron TP und lässt ihre Piloten dafür in Israel ausbilden.[11] Israel ist aber auch der einzige „Sicherheitspartner“ in der Region, der über Atomwaffen verfügt.

Luftwaffeninspekteur Ingo Gerhartz war aber bei soviel Gemeinsamkeit offenbar von Rührung übermannt, als er dichtete, „dass wir erstmals in unserer Geschichte Seite an Seite mit der Israelischen Luftwaffe fliegen“. Das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte sei „uns heute Auftrag, Antisemitismus mit aller Konsequenz zu bekämpfen“.[12] Das „mit aller Konsequenz“ sollte aufmerken lassen.

Im Kampf um die „Definitionshoheit“ bei der Umwertung der Werte passt diese Provokation zu der im Bundestag verabschiedeten Antisemitismus-Erklärung.

Bundeswehr im Inland – Armee für Bürgerkrieg und „Heimatschutz“

Im Potsdamer Abkommen hatten sich die Vertreter der Anti-Hitler-Koalition (siehe dazu die Erklärung der FIR) über wesentliche Punkte zur deutschen Nachkriegsentwicklung geeinigt. Stattdessen müssen wir feststellen:

Es hieß „nie wieder Geheime Staats-Polizei“ – heute hat das Bundeskriminalamt wieder polizei­liche und geheimdienstliche Befugnisse; „nie wieder Zusammenarbeit und Verzahnung von Polizeien, Geheimdiensten und Militär“ aufgrund von Gestapo und Reichssicherheitshauptamt – heute ist dieses Trennungsgebot faktisch abgeschafft, diese Teile des Gewaltenapparates sitzen täglich im gemeinsamen Terrorismus- und Extremismusabwehrzentrum und anderswo zusammen; „nie wieder eine zentrale Poli­zei des Bundes“ – wir haben wieder eine Bundes­polizei; „nie wieder Wehrmacht“ – die Bundeswehr war schnell wieder aufgebaut; „nie wieder deutsche Militärgerichtsbarkeit“ – wieder eingeführt im April 2012; „nie wieder deutscher Generalstab“ – heute hat die Bundeswehr wieder einen von den zivilen Entscheidungsträgern abgekoppelten militärischen Oberbefehlshaber und einen Generalstab in Potsdam („Einsatzführungskommando“); „nie wieder Ermächtigungs- und Notstandsgesetze“ – seit den Notstands­gesetzen der 1960er Jahren können bei Feststellen des Verteidigungsfalls oder Inneren Notstands demo­kratische Grundrechte außer Kraft gesetzt und Kriegsrecht eingeführt werden; „nie wieder Krieg von deutschem Boden aus“ – stattdessen die Bombardierung Jugoslawiens durch deutsche Torna­dos und die Besetzung des Kosovo.

Der Einsatz der Armee im Inneren hat in Deutschland eine traurige und blutige Tradition des Mordens und der Demokratiefeindlichkeit (u.a. Novemberrevolution, Bayerische Räterepublik, Kapp-Putsch, Hamburger Aufstand) und ist des­wegen im Grundgesetz zunächst zu Recht verboten. Seit Einführung der Notstandsverfassung ist er laut Grundgesetz nur in sehr begrenzten Ausnahme­fällen erlaubt. Solche Ausnahmefälle sollten sich im Rahmen der Amtshilfe durch die Armee für andere Behörden bei „besonders schweren Unglücksfällen“ oder „Naturka­tastrophen“ ergeben. Diese Amtshilfe war aber gerade der Hebel, mit dem der Einsatz der Bundes­wehr im Inneren zum Normalzustand wurde.

Bei Papstbesuchen, der Vogelgrippe, Hochwasser, Stürmen, Sport-, religiösen und sonstigen Großver­anstaltungen oder dem Oktoberfest. Bei der Nato- Sicherheitskonferenz in München übernimmt die Bundeswehr beispielsweise das Hausrecht im Hotel Bayerischer Hof, vor dem die Gegendemonstration stattfindet. 2008 wurden zu diesem Anlass 420 Sol­daten eingesetzt. Ein Sprecher des Innenministeri­ums sagte der Süddeutschen Zeitung: „Die Soldaten würden jedoch bei einem sicherheitsrelevanten Vor­fall eingreifen und dabei gegebenenfalls von ihren Dienstwaffen Gebrauch machen.“[13]

Im Dezember 2013 fragte etwa das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge um Unterstützung durch Soldaten bei der Bearbeitung von Asylanträgen an: Überprüfen von Dokumenten und Personalien, das Nehmen von Fin­gerabdrücken im Rahmen der erkennungsdienstli­chen Behandlung, die Kontrolle vorgelegter Doku­mente usw.[14] Das Landeskommando Thüringen der Bundeswehr unterstützte die Polizeidirektion Nord­hausen im Mai 2012 nicht nur bei der „Absicherung“ des Landesparteitags der NPD, sondern half auch, eine Demonstration der Nazipartei zu schützen. Im Juni letzten Jahres schließlich kam die Polizeidirekti­on Suhl in den Genuss der von Seiten des Landes­kommandos gewährten „Amtshilfe“: Die Truppe ver­sorgte die 1.100 zum Schutz des „Thüringentags der nationalen Jugend“ eingesetzten Polizisten bereitwillig mit „Marschverpflegung“.[15]

Was es mit der Amtshilfe aber wirklich auf sich hat, hat sich deutlich während des G8-Gipfels 2007 in Heiligendamm gezeigt: Hier wurde auf Tage die Ver­fassung außer Kraft gesetzt und in großem Maßstab das Ineinandergreifen der verschiedenen Teile des Gewaltenapparats geprobt. Ein ganzer Landstrich wurde in ein Heerlager verwandelt, nicht nur inner­halb des Zauns 12 Kilometer um den Versamm­lungsort, sondern in einer bis zu 100 km tiefen Zone. Die Bevölkerung in dieser Sperrzone wurde faktisch kaserniert, ihre Bewegungsfreiheit abgeschafft. Abso­lute Willkür bereits im Vorfeld: Haus- und Arbeits­platzdurchsuchungen, Entnahme von Geruchspro­ben, Bruch des Postgeheimnisses, Aufhebung des Demonstrationsrechts, Schnellgerichte u.v.m.

Das Neue dabei war, dass die Bundeswehr in Zu­sammenarbeit mit Bundes- und Landespolizei einen großangelegten militärischen Einsatz durchführte. Eingesetzt waren Tornados der Luftwaffe, Transall- Transportflugzeuge, Hubschrauber, Abfangjäger Phantom, Kriegsschiffe der Marine, Panzerspähwa­gen, der Sanitätsdienst der Bundeswehr und eine Aufstandsbekämpfungseinheit der Feldjäger, die sonst im Kosovo ihren Dienst tut und mit Maschinengewehren bewaffnet war. Die Bundeswehr übernahm das Kommando über das zivile Krankenhaus in Bad Doberan und kommandierte dort das zivile medizini­sche Personal. Sie bewachte das Tagungsgelände und saß in allen Führungs- und Krisenstäben mit am Tisch. Tornados wurden zur Überwachung der De­monstranten eingesetzt und flogen rechtswidrige Kampfeinsatzübungen über den Protest-Camps. Die Polizei konnte sich dann fröhlich aus den Überwa­chungsfotos bedienen. Bei diesem Einsatz der Bun­deswehr wurden Parlament und Kriegsministerium umgangen, die Militärführung ordnete eigenständig, in Absprache mit der Polizei, den Einsatz von Torna­dos und das Unterfliegen der gesetzlichen Mindest­höhe an.

Von der Amtshilfe war dieser Einsatz je­doch schon nicht mehr gedeckt, da die Bundeswehr hierbei nur solche Mittel einsetzen darf, die auch der Polizei zur Verfügung stehen.

In der „Konzeption der Reserve“ aus dem Jahr 2012, einem Papier der Bundeswehr, heißt es etwa: „Alle verfügbaren Kräfte einschließlich Reservisten werden im Bedarfsfall zur Wahrnehmung von Aufgaben im Heimatschutz herangezogen. Dies kann den Einsatz von Kräften über den im Frieden ausgeplanten Umfang hinaus erfordern. Heimatschutz ist eine ge­samtstaatliche Aufgabe. Der Beitrag der Bundes­wehr zum Heimatschutz umfasst alle Fähigkeiten der Bundeswehr zum Schutz Deutschlands und seiner Bürgerinnen und Bürger auf deutschem Hoheitsgebiet.“ Für den hier beschriebenen Einsatz im Inland wurden ab 2006 – ohne Beschluss des Bundestags – eigene „Heimatschutz“-Strukturen aufgebaut. In knapp 500 sogenannten Verbindungskommandos in allen Land­kreisen, kreisfreien Städten, auf Bezirks- und Lan­desebene sitzen zusammengenommen etwa 5.500 Offiziere und Reservisten in Rathäusern, Feuerwehr­leitstellen und anderen zivile Einrichtungen. In nicht näher bestimmten „Katastrophenfällen“ oder bei „ter­roristischen und asymmetrischen Bedrohungen“ sol­len sie militärische Lagebilder erstellen, die zivilen Rettungskräfte koordinieren und mit schwerem Gerät im Inland eingesetzt werden. Die Bundeswehr bekam damit direkten Zugriff auf die rund 3,5 Millionen Frei­willigen – meist Jugendliche – in zivilen Rettungs­diensten wie Feuerwehr, Rotes Kreuz, ASB, Malteser Hilfsdienst, DLRG, Johanniter usw. Im „Krisenfall“ (Naturkatastrophen, Papstbesuche etc.) sitzt seither die Armee am Tisch der örtlichen Krisenstäbe und entwirft taktische Einsatzpläne für bis dato zivile Helfer. Diese Freiwilligenorganisationen werden laufend in Übungen mit der Bundeswehr eingebunden, die zum Teil von der Armee geplant und befehligt werden. So hatte bei einer groß angelegten Übung von Bevölke­rungsschutz, Polizei und Nachrichtendiensten als „letztem großen Test vor der Fußball-WM“ 2006 das Streitkräfteunterstützungskommando in Köln-Wahn die Führung inne.[16]

PESCO[17]: Ausrichtung der EU-Rüstungsindustrie gegen die US-Rüstungsexporte nach Europa ...

Die Bedeutung von PESCO für europäische Rüstungsprojekte wurde in der KAZ 369 (Kriegsfähigkeit II) dargestellt. Im Folgenden geht es daher um die Frage, in welchem Ausmaß EU-Deutschland seine Ziele im Rüstungsexport gegenüber dem US-Imperialismus neu bestimmt.

PESCO-Projekte stehen auch Drittstaaten offen, aber nur in „Ausnahmefällen“ und unter dem Vorbehalt, dass sie zu einem „erheblichen Mehrwert“ beitragen – und auch dann wird betont, Nicht-EU-Staaten hätten „keine Entscheidungsbefugnisse im Rahmen der Steuerung der PESCO“l[18] Diese Regelungen schmeckten insbesondere den USA überhaupt nicht, wie aus einem im Mai 2019 an die EU-Außenbeauftragte adressierten Brandbrief zweier hoher Penta­gon-Vertreterinnen überdeutlich wurde: „Das Schreiben an Federica Mogherini ist nicht weniger als eine neue US-Kampfansage gegen die EU. Auf vier eng bedruckten Seiten kritisieren die beiden Rüstungs-Staatssekretärinnen Ellen Lord und Andrea Thompson zwei zentrale Projekte der EU – die Abmachungen für mehr Kooperation bei der Verteidigung und den milliardenschweren Fonds zur Ent­wicklung von EU-Rüstungsprojekten. (...) Konkret moniert Washington, dass US-Firmen von den geförderten Entwicklungsprojekten durch ‚Giftpillen’ in den entsprechenden Verträgen ausgeschlossen seien. (...) Die Heftigkeit des Briefs hat viele Diplomaten bei der EU überrascht. Zwar kannte man die Vorbehalte gegen den Versuch, sich im Rüstungsbereich unabhängiger zu machen. Nun aber droht Washington mit Strafmaßnahmen, wenn die EU nicht einlenkt.“[19]

Merklich angesäuert keilte die Euro­päische Union daraufhin umgehend zurück, bei Zeit-Online hieß es dazu: „Die EU hat Kritik der US-Regierung an Plänen für eine europäische Verteidigungsunion zurück­gewiesen. In einem vierseitigen Brief an das Außen- und Verteidigungsministerium in Washington heißt es, die von den USA kriti­sierten EU-Initiativen zur Stärkung der euro­päischen Verteidigungskooperation zielten nicht darauf ab, amerikanische Unternehmen von vornherein (Hervorhebung durch den Verf.) auszuschließen.“[20]

Um zu belegen, dass die USA keinen Grund zur Klage hätten, wurde eigens eine Analyse im hauseigenen „Institut der Europäischen Union für Sicherheitsstudien“ (EUISS) angefertigt, die die „rüden und fragwürdigen Anschuldigungen“ kritisierte, die jeglicher Grundlage entbehren würden. Schließlich hätten die USA zwischen 2014 und 2016 Militärgüter im Wert von 62,9 Mrd. Dollar in die Europäische Union exportiert, um­gekehrt seien es im selben Zeitraum lediglich 7,6 Mrd. Dollar gewesen. Der US-Vorwurf, die EU beabsichtige ihren Rüstungsmarkt abzuschotten, sei haltlos, so das EUISS: „Im Kern befürchtet Washington, dass EVF und PESCO US-Firmen aus dem europäischen Markt aussperren könnten. (Doch) die quan­titativen Zahlen belegen, dass der europäi­sche Verteidigungsmarkt um einiges offener ist als der US-amerikanische.“[21]

Die USA fürchten dabei aber nicht allein den Verlust von Anteilen am EU-Rüstungsmarkt – der Verkauf von Großwaffen­systemen verschafft einem Land auch einen nicht unerheblichen Einfluss auf den Emp­fänger, was Washington in der Vergangen­heit gerne genutzt hat, um seinen Interessen innerhalb der EU Geltung zu verschaffen. Da­rüber hinaus ist es nicht nur der EU-Markt, um den die USA fürchten, schließlich ist es das erklärte Ziel der PESCO, die EU-Rüstungsprodukte wettbewerbsfähiger zu machen, wodurch sie in Konkurrenz zu den USA um Anteile auf dem globalen Waffen­markt treten würden. So kritisierte Ulrike Franke vom „European Council on Foreign Relations“: „Meine persönliche Ansicht ist, dass der Hauptgrund, warum die Amerikaner diesen ganzen Anstrengungskatalog – insbe­sondere den Verteidigungsfonds – so negativ sehen, die Sorge ist, dass aus diesem Fonds und aus den PESCO Projekten sich Hoch­technologieprojekte entwickeln könnten, bei denen sie dann, entweder nicht dabei sind – also bei denen amerikanische Unternehmen nicht dabei sind – oder wenn sie dabei sind, dass sie – nach den aktuellen Regelungen – die Handhabe über Exporte verlieren.“[22]

Interessant ist, dass es Washington nicht bei verbaler Kritik beließ, sondern Mitte Juni 2019 das „European Recapitalization Incentive Program“ (ERIP) auflegte, ein zunächst mit 190 Mio. Dollar gefüllter Fonds, mit dem Griechenland, Albanien, die Slowa­kei, Bosnien-Herzegowina, Nordmazedonien und Kroatien davon überzeugt werden sollen, Waffen von den USA, anstatt von Russland oder eben auch der EU zu kaufen. Der Fachjournalist Björn Müller wertet das Vorhaben explizit als gegen PESCO gerichtet: „Die Amerikaner star­ten ihren Fonds zum Kauf von US-Waffen zu einer Zeit, in der die europäischen US-Verbündeten erhebliche eigene Anstrengungen über die EU unternehmen, um ihre zersplit­terten Rüstungsindustrien zu konsolidieren und versuchen, ihre unterschiedlichen Aus­rüstungen zu vereinheitlichen. PESCO heißt das Zauberwort.“[23]

Auf mittlere Sicht ist es dennoch wahrschein­lich, dass sich die USA mit einem stärkeren rüstungsindustriellen EU-Sektor und den da­mit für sie verbundenen Nachteilen arrangie­ren werden. Nicht erst seit Donald Trump die US-Präsidentschaft übernahm, drängt Wa­shington die Europäer massiv dazu, ihre mi­litärische Schlagkraft auszubauen, um ihnen bei der zunehmend schwieriger werdenden Absicherung der imperialistischen Weltordnung stärker „unter die Arme zu greifen“.

Hier ist sie wieder, die Einheit im Widerspruch. Der momentane Weg, über den die Mehrzahl der EU-Länder bereit ist, dies zu tun, läuft über die PESCO und die damit ange­strebte Konsolidierung ihres eigenen Rüstungssektors. In einer bürgerlichen Analyse heißt es dazu: „Traditionell stehen die USA Vorstößen zur Stärkung der strategischen Autonomie Euro­pas kritisch gegenüber. Die Trump-Regierung versucht, diese zu untergraben. Jedoch er­kennen immer mehr US-Politiker und Analysten den Wert eines unabhängige­ren, handlungsfähigeren Europas. Langfristig könnte die strategische Autonomie Europas zu einem unverzichtbaren Element einer konstruktiven transatlantischen Beziehung werden.“[24] Als die niederländischen Fokker-Flugzeugwerke, um nicht im Wettbewerb Europas gegen die USA unterzugehen, sich in den Airbus-Konzern eingliederten, waren sie ein paar Jahre später als Flugzeugproduzent vom Markt verschwunden – das nennt man dann Marktbereinigung. Als die spanische Firma Casa den gleichen Schritt machte, blieb sie als eigenständige Marke erhalten. Sie bediente ein Marktsegment, in das der Airbus-Konzern nicht einsteigen wollte und erweiterte ihr Geschäftsfeld. Als die kanadischen Bombardier-Flugzeugwerke in finanzielle Schwierigkeiten gerieten, übernahm Airbus die immer noch lukrative Produktion moderner Geschäftsreiseflugzeuge, klebte aber das Airbus-Label drauf. So steht die Frage: Welches monopolistische „Bündnis“ bringt den größeren Profit und wie groß ist dein „Kampfgewicht“, um darin zu überleben oder aufgesogen zu werden.

Je nach dem wie sich diese „Partnerschaften“ entwickeln werden, dürfte der US-Imperialismus seinerseits eigene „Giftpillen“ wie das ERIP verteilen. Zumindest die EU-Mitglieder Slowakei und Kroatien scheinen sie bereits geschluckt zu haben: Sie beabsichtigen, den US-Fonds zu nutzen. Darüber hi­naus soll das Programm im nächsten Haus­haltsjahr wohl in ausgebauter Form in eine neue Runde gehen. Viele kleine und mittlere EU-Länder könnten sich so vor einer Situ­ation sehen, in der die USA ihre ohnehin meist günstigeren Rüstungsprodukte auch noch mit Subventionen versüßen. Sie müss­ten sich dann entscheiden, was ihnen mehr Wert ist, kostengünstige Produkte oder die deutsch-französische „Vision“ einer Verteidi­gungsunion.

So heißt es in der bereits erwähnten EUISS-Analyse: „Das ERIP ist darauf ausge­legt, die Europäer von alten sowjetischen Sys­temen wegzulotsen, es ist aber auch eine Sub­vention für die US-Industrie. Sollten die USA versuchen das ERIP aufgrund von EVF oder PESCO hochzufahren, haben die Mitglieds­staaten die Wahl zwischen potenziell (wenn auch nicht immer) billigeren Standardpro­dukten aus den USA oder EU-Prozessen, die die langfristige Entwicklung eigener Vertei­digungskapazitäten und -industrien fördern und dabei helfen, die europäischen techno­logischen Innovationen dabei zu sichern.“

... und der Griff nach der Bombe?

Atomwaffen in Deutschland sind derzeit noch immer Teil der Atomwaffenpolitik der NATO. Die Bundesrepublik zählt zu den Unterzeichnern des Atomwaffensperrvertrags. Im Rahmen der nuklearen Teilhabe sollten auch Einheiten der Bundeswehr mit Nuklearsprengköpfen ausgestattet werden, die sich in Deutschland befinden. Dies trifft heute nur noch auf die einzig verbliebenen Atomwaffen in Deutschland, soweit bekannt am Fliegerhorst Büchel, zu.

Da bekommt es doch gleich ein ganz anderes Gschmäckle, wenn Tornado-Piloten des Bundeswehr-Jagdbombergeschwaders 33 auf dem Fliegerhorst Büchel den Abwurf von Atombomben üben und von der Luftwaffe 46 Luftfahrzeuge Tornado IDS zur Sicherstellung der Dauereinsatzaufgabe „Nukleare Teilhabe“ als „erforderlich“ bezeichnet werden. In Büchel lagern jedoch „nur“ 10 bis 20 US-amerikanische Wasserstoffbomben vom Typ B61-12.

In Deutschland wird im Moment über den Abzug der US-amerikanischen Atomwaffen diskutiert. Anscheinend beschäftigt sich aber kaum jemand mit den Änderungen die am Kriegswaffenkontrollgesetz im Jahr 1990 vorgenommen wurden. § 16 sagt aus, dass die Verbote nur für Atomwaffen gelten, die nicht der Verfügungsgewalt von Mitgliedsstaaten der NATO unterstehen. Das heißt, dass Deutschland demnach für sich selbst und jeden anderen NATO-Staat Atomwaffen entwickeln und bauen darf oder andere NATO-Staaten für Deutschland Atomwaffen entwickeln dürfen.

Aus Gründen der „nationalen Sicherheit“ ist offensichtlich keiner der Bundestagsabgeordneten, die im Herbst 1990 der Gesetzesänderung zugestimmt haben, bereit und in der Lage, über die Hintergründe der Änderung zu sprechen. Man bekommt deshalb anscheinend auch keine Antworten auf die Fragen, wer diese Gesetzesänderung initiiert hat und welche Forschungseinrichtungen und Industriezweige sich in Deutschland mit Atomwaffen beschäftigen. Die Stille zu dem Thema ist gruselig. Weder Friedensforscher, Kirchen, Juristenvereinigung beschäftigen sich damit. Was ist da los?

Laut Schätzungen von Historikern lagerten zeitweise mehr als 5.000 US-amerikanische Atomwaffen in Deutschland. Dazu kamen Atomwaffen der hier stationierten Streitkräfte der Briten, Holländer, Belgier und Kanadier. Zum stationierten Arsenal in Deutschland zählten atomare Fliegerbomben, Gefechtsköpfe für Raketen, sowie Granaten und Minen. Für die Haubitzen M109 und M110 standen verschieden starke Atomsprengköpfe zur Verfügung. Die Atomminen waren tragbar.

Die Atomwaffen standen auch der Bundeswehr für die Ausbildung und Anwendung im Kriegsfall („Verteidigungsfall“) zur Verfügung. Der Abwurf atomarer Bomben wurde auf den Luft-Boden-Schießplätzen Nordhorn- und Siegenburg Range trainiert.

Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde im Rahmen des deutschen Uranprojekts zuerst in Berlin, später am Reaktor Haigerloch an der Entwicklung von Atomwaffen gearbeitet. Das Uran stammte aus dem Revier Sankt Joachimsthal, heute Jáchymov. Norsk Hydro im norwegischen Rjukan lieferte schweres Wasser. Zwischen 1943 und 1945 beobachteten die Geheimdienste der Vereinigten Staaten im Rahmen der Alsos-Mission die deutschen Bestrebungen, eine Atomwaffe zu entwickeln.

In diesem Kontext könnte auch eine alte Protokollnotiz aus dem Jahr 1974 noch heute eine Rolle spielen und sogar den deutschen Zugriff auf eine „europäische Bombe“ möglich machen. Sie bildet die Grundlage für Bestrebungen, dass sich Deutschland an einer „Europäisierung“ der französischen Atomwaffen beteiligen könnte, wie sie jüngst zum Beispiel vom einflussreichen Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, gefordert wurde: „Die atomaren Einsatz-Optionen Frankreichs sollten nicht nur das eigene Territorium, sondern auch das Territorium der EU-Partner mit abdecken.“[25]

Im Zusammenhang mit der Aufkündigung des INF-Vertrages (Mittelstrecken-Nuklearstreitkräfte-Vertrag) tauchen immer wieder mediale Impulse auf, wie die folgende Überschrift aus der Welt am Sonntag: „Brauchen wir die ,EU-Bombe‘?[26]

Der Artikel erinnert daran, dass der frühere Außenminister Guido Westerwelle den Abzug der US-Atombomben aus Deutschland gefordert hatte und postuliert, dass daran heute niemand mehr denken würde. Die Autorin, Martina Meister, fordert als Konsequenz aus der Krimkrise und der unkalkulierbaren Politik von Trump, dass Europa atomar auf eigenen Füßen stehen solle.

Der Nichtverbreitungspakt wird dabei etwa mit dem Konzept der atomaren Teilhabe vielfach unterlaufen. Dass deutsche Piloten mit deutschen Flugzeugen und in Deutschland gelagerten Atomwaffen deren Einsatz für den Ernstfall üben, ist ein klarer Vertragsverstoß. Trotzdem wird mit Verweis darauf, dass diese Waffen ja im US-Besitz seien, ein deutscher Vertragsbruch zurückgewiesen.

Das Konzept der atomaren Teilhabe ist kein Auslaufmodell, sondern eines, das möglicherweise zukünftig auch im Rahmen der EU zum Einsatz kommen könnte. Frankreich ist im Moment im Besitz von 10 Atomwaffen, die von Flugzeugen abgeworfen werden können. 250 der französischen Atomwaffen sind seegestützt und 40 stationäre Interkontinentalraketen. Auf diese Waffen haben manche deutsche „Sicherheitspolitiker“ schon länger ein Auge geworfen, auch um dieses Potential noch auszubauen.

Da die Tornados 2025 ersetzt werden müssen und der dafür vorgesehene technisch umgerüstete Eurofighter bisher keine US-Zulassung bekommen hat, droht das Auslaufen des Konzepts der nationalen Teilhabe. Am intensivsten wird ein Projekt diskutiert, das im Kontext von PESCO (Ständige Strukturierte Zusammenarbeit) entwickelt wird, das so genannte Future Combat Air System (FCAS). In einer gemeinsamen deutsch-französischen Erklärung wurde dies bereits zum Thema gemacht und die ersten Entwicklungsverträge wurden im Februar 2019 abgeschlossen. Dieses neue Kampfflugzeug soll nach dem Willen der Beteiligten auch als atomares Trägersystem fungieren können.

Eine Lösung für das Dilemma wäre, eine, die vollständig in der Hand der europäischen Militärunion liegt, also europäische Kampfflugzeuge bestückt mit europäischen Atombomben. Dieses Szenario wird von deutschen und französischen Sicherheitspolitikern diskutiert und ist besonders für diejenigen, die eine noch stärkere deutsche Militärmacht fordern, attraktiv.

Bekanntlich scheiterten die Versuche von F. J. Strauß, direkten Zugriff auf Atomwaffen zu erhalten an der Haltung Franreichs. (vgl. Matthew Karnitschnig, German bomb debate goes nuclear, Politico, 03.08.2018) Charles de Gaulle wollte Frankreich als die zentrale und möglichst auch einzige Atommacht auf dem westeuropäischen Kontinent verankern. In jüngerer Vergangenheit hat sich diese französische Haltung jedoch etwas verändert und der damalige Präsident Sarkozy hatte 2007 ein Angebot an die deutsche Regierung gemacht, über die französischen Waffen mit verfügen zu können, im Gegenzug für eine substanzielle finanzielle deutsche Beteiligung.[27]

Damals wurde das Angebot in Berlin nicht positiv autgegriffen, was sich aber dann vor etwa 2 Jahren durch einen CDU-Politiker änderte. Roderich Kiesewetter fragte den Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages, ob es völkerrechtliche Hindernisse gäbe, die einer Ko-Finanzierung von Atomwaffen durch Deutschland im Wege stünden (Wissenschaftliche Dienste, Völkerrechtliche Verpflichtungen Deutschlands beim Umgang mit Kernwaffen, 23.5.2017). Die Antwort wurde in Deutschland medial kaum zur Kenntnis genommen. Auch wenn die Idee einer Europäischen Abschreckung „The European Deterrence Initiative“ später von Wolfgang Ischinger und anderen aufgegriffen wurde (Karnitschnig a.a.O.). International gab es einen größeren Widerhall, in der New York Times etwa konnte man lesen: „Ein europäisches Nuklearwaffenprogramm wäre legal, besagt eine deutsche Prüfung.“[28] Das 11seitige Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes kommt zu dem Schluss: „Im Ergebnis schließt die fehlende Staatspraxis eine Möglichkeit zur Finanzierung ausländischer Atomwaffenpotentiale rechtlich nicht aus. Auch aus dem allgemeinen Völkerrecht ergibt sich derzeit (!) kein Finanzierungs- und Unterstützungsverbot für ausländische Atomwaffenpotentiale.“ Zusätzlich wurde in dem Gutachten die Frage erörtert, ob dies über den EU-Haushalt finanziert werden könnte. Der Wissenschaftliche Dienst wies darauf hin, dass es einen EU-Verteidigungshaushalt, der vergleichbar mit den nationalen Haushalten wäre, nicht gäbe.[29]

Im Mai dieses Jahres sorgte ein Vorstoß aus der SPD-Spitze für eine Beendigung der Stationierung von US-Atomwaffen in Deutschland in der Union für große Aufregung. „Die Naivität von Teilen der SPD-Führung ist gefährlich für die Sicherheit Deutschlands“, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Henning Otte, der Deutschen Presseagentur.

Der SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hatte zuvor dem Tagesspiegel in einem Interview gesagt: „Atomwaffen auf deutschem Gebiet erhöhen unsere Sicherheit nicht, im Gegenteil.“ Es sei daher an der Zeit, „dass Deutschland die Stationierung zukünftig ausschließt“. Mützenich verwies auch auf US-Präsident Donald Trump: „Trumps Regierung hat verkündet, dass Atomwaffen nicht mehr nur der Abschreckung dienen, sondern Waffen sind, mit denen man Kriege führen kann.“ Praktisch zeitgleich stellte der SPD-Kovorsitzende Norbert Walter-Borjans die „nukleare Teilhabe“ insgesamt in Frage. In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung schrieb er: „Ich vertrete eine klare Position gegen Stationierung, Verfügungsgewalt und erst recht gegen den Einsatz von Nuklearwaffen.“ Deshalb lehne er es ab, „Nachfolger für die Kampfflugzeuge zu beschaffen, die für den Einsatz als Atombomber vorgesehen sind“.

Innerhalb der großen Koalition laufen Gespräche über den Ersatz für die als überaltert geltende Tornado-Flotte der Luftwaffe. Deutschland setzt diese auch zur sog. nuklearen Teilhabe ein – ein Abschreckungskonzept der NATO, bei dem Verbündete Zugriff auf US-Atomwaffen haben. Kriegsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) will dazu US-Kampfflugzeuge vom Typ F-18 beschaffen.

Die nukleare Teilhabe ist ein wichtiger Baustein unserer Sicherheitsarchitektur“, sagte Otte. „Die Union teilt die Vision einer Welt frei von Atomwaffen. Aber solange diese Waffen außerhalb der NATO existieren, bleibt die Abschreckung der Garant unserer Sicherheit“, so der CDU-Politiker, der hinzufügte, dass sich auch das SPD-geführte Auswärtige Amt zu diesem Grundsatz bekannt habe.[30]

Über einem generellen Verzicht auf Atomwaffen – ob nun bei der deutschen Bundeswehr oder gar der Europäischen Armee – verlor keiner der Diskutanten auch nur ein Wort.

Was heißt eigentlich Zukunft – wessen Welt ist die Welt?

Das deutsche Finanzkapital hat sich insbesondere nach 1989/90 mächtig entwickelt – vom von der NATO und der EG eingehegten westdeutschen Teilstaat zum Größerdeutschland und Hegemon in der EU. Er ist wieder das „Land, wo die Kanonen blühen“ (Kästner), scheinbar ohne faschistische Optionen. Bürgerliche Reaktion und Militarismus sind kaum zu bremsen. Die alten Weltmachtbestrebungen schießen ins Kraut, aber dabei wird den Kriegstreibern im waffentechnischen und logistischen Bereich das Hemd hinten und vorne zu kurz.

Geht es nach dem Willen der Finanzoligarchie, sähe unsere „Zukunft“ so aus: „Dem Kapitalismus ist es zu eng geworden in den alten Na­tionalstaaten, ohne deren Bildung er den Feudalismus nicht stürzen konnte. Der Kapitalismus hat die Konzentration his zu einem solchen Grade entwickelt, dass ganze Industriezweige von Syndikaten, Trusts, Verbänden kapitalistischer Milliardäre in Besitz genommen sind und dass nahezu der ganze Erdball unter diese ,Kapitalgewaltigen’ aufgeteilt ist, sei es in der Form von Kolonien, sei es durch die Umstrickung fremder Länder mit den tausendfachen Fäden finanzieller Ausbeutung. Der Frei­handel und die freie Konkurrenz sind ersetzt durch das Streben nach Mo­nopolen, nach Eroberung von Gebieten für Kapitalanlagen, als Rohstoff­quellen usw. Aus einem Befreier der Nationen, der er in der Zeit des Ringens mit dem Feudalismus war, ist der Kapitalismus in der imperiali­stischen Epoche zum größten Unterdrücker der Nationen geworden. Früher fortschrittlich, ist der Kapitalismus jetzt reaktionär geworden, er hat die Produktivkräfte so weit entwickelt, dass der Menschheit entweder der Übergang zum Sozialismus oder aber ein jahre-, ja sogar jahrzehnte­langer bewaffneter Kampf der ,Großmächte’ um die künstliche Aufrechterhaltung des Kapitalismus mittels der Kolonien, Monopole, Privi­legien und jeder Art von nationaler Unterdrückung bevorsteht.“[31] Lenins Schlussfolgerung beinhaltet gleichzeitig die Antwort – doch was bedeutet dem Kampf um den Sozialismus einen entscheidenden Schritt näher zu kommen?

Auf alle von der Monopolbourgeoisie verursachten Krisen und Probleme hat sie nur noch eine Antwort: den Notstand. Dabei bringen sie neben dem demokratischen Kleinbürgertum zunehmend Teile der wissenschaftlichen Intelligenz in der Corona-Frage gegen sich auf. In der imperialistischen Konkurrenz gilt zudem die Erkenntnis des alten Clausewitz: „Man weiß freilich, dass der Krieg nur durch den politischen Verkehr der Regierungen und der Völker hervorgerufen wird; aber gewöhnlich denkt man sich die Sache so, dass mit ihm jener Verkehr aufhöre und ein ganz anderer Zustand, eintrete, welcher nur seinen eigenen Gesetzen unterworfen sei. Wir behaupten dagegen, der Krieg ist nichts als eine Fortsetzung des politischen Verkehrs mit Einmischung anderer Mittel.“[32]

Unsere Aufgabe wird deshalb darin bestehen, in den Bereichen Krieg und Frieden (imperialistische Expansion, Kampf um Demokratie), die richtige Behandlung der Widersprüche in den Protestbewegungen (Klima und Wohnungsfrage etc.) und der Organisationsfrage (Aufbau einer revolutionären Arbeiterpartei) alle am Marxismus orientierten Kräfte zu sammeln, um den Standpunkt der Arbeiterklasse wieder aufrichten zu können.

Damit wieder eine Entwicklung möglich wird, die Karl Marx am Beispiel der Klassenkämpfe in Frankreich einmal so gekennzeichnet hat: „Während so die Utopie, der doktrinäre Sozialismus, der die Gesamtbewegung einem ihrer Momente unterordnet, der an die Stelle der gemeinschaftlichen, gesellschaftlichen Produktion die Hirntätigkeit des einzelnen Pedanten setzt und vor allem den revolutionären Kampf der Klassen mit seinen Notwendigkeiten durch kleine Kunststücke oder große Sentimentalitäten wegphantasiert, während dieser doktrinäre Sozialismus, der im Grunde nur die jetzige Gesellschaft idealisiert, ein schattenloses Bild von ihr aufnimmt und sein Ideal gegen ihre Wirklichkeit durchsetzen will, während dieser Sozialismus von dem Proletariat an das Kleinbürgertum abgetreten wird, während der Kampf der verschiedenen Sozialistenchefs unter sich selbst jedes der sogenannten Systeme als anspruchsvolle Festhaltung des einen der Durchgangspunkte der sozialen Umwälzung gegen den anderen herausstellt – gruppiert sich das Proletariat immer mehr um den revolutionären Sozialismus, um den Kommunismus ... Dieser Sozialismus ist die Permanenzerklärung der Revolution, die Klassendiktatur des Proletariats als notwendiger Durchgangspunkt zur Abschaffung der Klassenunterschiede überhaupt, zur Abschaffung sämtlicher Produktionsverhältnisse, worauf sie beruhen, zur Abschaffung sämtlicher gesellschaftlichen Beziehungen, die diesen Produktionsverhältnissen entsprechen, zur Umwälzung sämtlicher Ideen, die aus diesen gesellschaftlichen Beziehungen hervorgehen.“[33]

Fraktion Ausrichtung Kommunismus, AG Antimilitarismus

Geschichte des Hamburger 76er Kriegerdenkmals

Die 76er, amtlich das Infanterie-Regiment „Hamburg“ (2. Hanseatisches) No. 76 und das Reserve-Infanterie-Regiment No. 76, waren ein am 30. Oktober 1866 aufgestellter Traditionsverband der preußischen Armee. Im Ersten Weltkrieg hatten die 76er in mehreren Schlachten an der Westfront einen furchtbaren Blutzoll entrichten müssen. Von den mehr als 3.000 Mann des Regiments, die im August 1914 in die Schlacht zogen, überlebten nur 647 Mann. Insgesamt kämpften im Ersten Weltkrieg in diesem Regiment fast 20.000 Soldaten.

Diese Zahl zeigt, wie häufig das Regiment wegen der schweren Verluste immer wieder aufgefüllt werden musste. Ende 1918 kehrten die 76er nach Hamburg zurück. Sie wurden ab 16. Dezember 1918 demobilisiert und anschließend aufgelöst. Die Veteranen schlossen sich im Bund der 76er Vereine zusammen und betrieben seit 1925 die Errichtung eines Denkmals für ihre Gefallenen.

Doch in der Zeit der Weimarer Republik verweigerte der linksliberale Senat die Förderung des Projekts. Die Stadtväter verwiesen auf das von den nationalen Verbänden abgelehnte Ehrenmal für die Weltkriegs-Opfer von Ernst Barlach am Rathausmarkt. Erst der NS-Senat unter Bürgermeister Carl Vincent Krogmann unterstützte das Vorhaben, dessen Finanzierung auch durch Benefizkonzerte, Werbemärsche und eine Straßenlotterie gesichert wurde. Die Inschrift „Deutschland muss leben und wenn wir sterben müssen“ stammt aus dem 1914 entstandenen Gedicht „Soldatenabschied“ von Heinrich Lersch.

Nach 1945 wollte die britische Militärregierung das Denkmal zunächst sprengen. Das scheiterte jedoch am Widerstand des Denkmalrates, der eine Verfügung erließ, nach der lediglich die Reliefs und Inschriften entfernt werden sollten und das Kriegerdenkmal zum „Mahnmal“ umdeklariert wurde. Auch die geplanten Änderungen unterblieben in der Folgezeit. Die glorifizierende Darstellung des Krieges und die fehlende Distanz rufen vor allem nach den verheerenden Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs anhaltende Kritik hervor. Nachdem in der 1970er Jahren die öffentliche Kritik am Denkmal immer lauter wird, schreibt der Senat einen Wettbewerb zur „künstlerischen Umgestaltung der Denkmalsanlage“ aus. 1983 beginnt der Wiener Bildhauer Alfred Hrdlicka mit einem vierteiligen Gegendenkmal, das allerdings wegen der steigenden Kosten nur in Teilen umgesetzt wird. 2015 wird zusätzlich ein drittes Denkmal eingeweiht: Das Deserteursdenkmal erinnert an die Opfer der NS-Militärjustiz.

1 Finanznachrichten.de, 19.10.2020.

2 ZEIT-online.de, 03.08-2020.

3 StN.de (Stuttgarter Nachrichten), 27.07.2017.

4 Finanznachrichten.de, 19.10.2020..

5 Rosa Luxemburg, Gesammelte Werke, Bd. 2, S. 498, Friedensutopien (Mai 1911).

6 W.I. Lenin, Über die Losung der Vereinigten Staaten von Europa,.LW Bd. 21, S. 345.

7 R. Corell, Zur Debatte über die EU, Theorie & Praxis, Ausgabe 24 – April 2011.

8 Kurt Gossweiler: Der deutsche Imperialismus und der Platz des Faschismus in seinem Herrschaftssystem heute (2005) KAZ 343, S. 17.

9 www.youtube.com/watch?v=FrO-Wc2phSI.

10 Sputniknews.com, 13.06.2020, Debatte um den „gerechten Krieg“: Die Grünen zwischen Weltmachtansprüchen und Friedenssicherung?.

11 UZ 21.08.2020.

12 jW 18.08.2020.

13 SZ vom

14 Neues Deutschland,. 06.12.2013.

15 Heinelt: Geprobter Bürgerkrieg. In: Junge Welt v. 03.04.2013.

16 Ulrich Sander, Bundeswehr im Innern. Über die Rückkehr zum preu­ßisch-deutschen Militärstaat. In: Magazin für antifaschistische Politik und Kultur, Ausgabe Mai / Juni 2006.

17 PESCO (englisch Permanent Structured Cooperation, kurz PESCO, deutsch: Ständige Strukturierte Zusammenarbeit, kurz SSZ).

18 Beschluss (GASP) 2017/2315 des Rates vom 11. Dezember 2017.

19 USA attackieren EU-Pläne für Verteidigungsfonds, Spiegel Online 14.05.2019.

20 EU weist US-Kritik an Verteidigungsunion zurück. Zeit Online. 16.05.2019.

21 Daniel Fiott, The poison pill: EU defence on US terms? EUISS Brief. Nr. 7/Juni 2019, S. 2 und 4.

22 Björn Müller, Kon­kurrenz zur EU-Rüstungspolitik? US-Fonds soll mittelosteuropäische Staaten zum Kauf von US-Waffen bewegen, NDR4, Streitkräfte & Strategien. 24.08.2019, S. 16.

23 Ebd., S. 14.

24 Jack Thompson, Die strategische Autonomie Europas und die USA, CSS-Analyse zur Sicher­heitspolitik, Nr. 248, September 2019, S. 1.

25 n-tv, 09.02.2019.

26 Welt am Sonntag, 29.12.2017.

27 Spiegel Online, 15.9.2007.

28 New York Times 5.7.2017.

29 Informationsstelle Militarisierung (IMI), Atommacht Europa? 10.04.2019.

30 Alle Zitate nach jW vom 09.05.2020.

31 W. I. Lenin, Sozialismus und Krieg, LW Bd. 21, S. 301f.

32 Carl von Clausewitz, Vom Kriege, Berlin 1957, S. 727/728.

33 Karl Marx, Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848-1850, MEW Bd. 7, S. 89, III – Folgen des 13. Juni 1849.

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Das 76er Kriegerdenkmal am Stephansplatz in Hamburg.

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In der Nacht vom 8. auf den 9. Mai 1945 unterzeichnete Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel als Chef des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW) im sowjetischen Hauptquartier in Berlin-Karlshorst die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht. Laut der Anklage im Nürnber Kriegsverbrecherprozess war er für die Verstrickung der Wehrmacht als Institution in die verbrecherischen Aktionen des Hitler-Regimes besonders verantwortlich und zum Tod durch den Strang verurteilt.

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8. Mai 2015 Berlin Treptow: 70. Jahrestag der Befreiung vom Hitlerfaschismus und Ende der Zerstörung der Zivilisation in Europa.

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„Dein Jahr für Deutschland“ ist als Teil des „Heimatschutzes“ zu sehen, wurde im Sommer 2020 vorgestellt und sollte am 1. April 2021 beginnen.

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Im Jugoslawienkrieg brach der „Kanzler der Bosse“ Gerhard Schröder das Völkerrecht, Außenminister Joschka Fischer entdeckte Auschwitz in der Nähe von Belgrad. Beide öffneten die Tür für Kriegseinsätze der Bundeswehr …

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... Kanzlerin Merkel, die Mutter aller Deutschen, marschierte durch die offene Tür …

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… und wer wird die imperialistische Quadratur des Kreises lösen?

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