aus Rotfuchs Februar 2012, S. 21, gestützt auf „Solidaire“, Brüssel
Katrien Demuynck, die Koordinatorin der belgischen Initiativa Cuba Socialista, und der flämische Schriftsteller Marc Vandepitte hatten den seit 13 Jahren im Hochsicherheitsgefängnis der USA arretierten kubanischen Kundschafter Gerardo Hernández bereits im Juli 2004 besuchen können. Gerardo ist – wie vier seiner Genossen – wegen der Ausspähung gegen sein Land von Miami aus operierender antikubanischer Terrorgruppen zu einer drakonischen Strafe verurteilt worden. Die „Cuban Five“, wie das Quintett der Wagemutigen inzwischen weltweit genannt wird, waren nach dem Richterspruch auf weit voneinander entfernte spezielle Haftanstalten für Schwerverbrecher in verschiedenen USA-Bundesstaaten verteilt worden.
Die beiden beherzten Belgier erhielten unerwarteter Weise grünes Licht für eine erneute Gelegenheit, Gerardo zu sehen. Er befindet sich derzeit in dem aus einem früheren Militärobjekt zum Bundesgefängnis umgebauten, rund 100 km von Los Angeles entfernten riesigen Zellenkomplex bei Victorville in der Mojavewüste. Das hermetisch abgeriegelte Terrain hat die etwa 100fache Ausdehnung eines Fußballfeldes.
Gerardo, der täglich Post aus aller Welt, viele Anrufe erhält und häufiger als andere Besucher empfängt, wird vom Wachpersonal inzwischen mit einem gewissen Respekt behandelt. Doch seine tapfere Frau Adriana hat Gerardo seit 13 Jahren nicht gesehen und bemüht sich seitdem vergeblich darum, ein Einreisevisum in die Vereinigten Staaten zu erhalten.
Als die namhaften belgischen Antifaschisten ihren kubanischen Gesinnungsgenossen im großen Besuchersaal der Haftanstalt, wo 25 von Sitzgelegenheiten eingefasste kleine Tische aufgestellt sind, begegnen, wirkt Gerardo trotz härtester Haftbedingungen auf sie nicht nur heiter und gelassen, sondern sprüht geradezu vor revolutionärem Optimismus. Er erzählt seinen Freunden aus Westeuropa, wie er es zuwege gebracht habe, dass ihnen trotz anfänglicher Zugeknöpftheit der Anstaltsleitung eine zweite Besuchserlaubnis erteilt worden sei.
Ein im Gefängnis beschäftigter Sozialarbeiter sei dafür gerüffelt worden, dass er den bekannten Schauspieler Danny Glover auf Gerardos Besucherliste gesetzt habe, obwohl dieser als „Außenstehender“ nicht hatte zugelassen werden dürfen. Die Ablehnung des in den USA populären Darstellers habe in den Medien für einigen Wirbel gesorgt. Um die Wogen etwas zu glätten, sei daraufhin mit Katrien und Marc gnädig verfahren worden, zumal er, Gerardo, ein Foto mit den beiden habe vorweisen können, was bei deren erster Visite im Besucherraum der Anstalt gemacht worden sei. Auf Fragen der Belgier nach den Vollzugsbedingungen in Victorville berichtete ihnen der prominenteste Insasse des Gefängniskomplexes, dass sich in der für 960 Personen ausgelegten Anstalt derzeit mehr als 1.600 Haftlinge befanden, die – von ihm abgesehen – ausnahmslos wegen krimineller Delikte bestraft worden seien. Trotz der strengen Überwachung bestehe im Hochsicherheitstrakt kein Mangel an Rauschgift, Alkohol und Messern, für deren Vertrieb im Gefängnis operierende Gangs zuständig seien. Überdies begünstige die enorme Überbelegung ständige Reibereien und Gewalttätigkeiten unter den Einsitzenden. Er selbst habe in dieser Hinsicht allerdings bislang Glück gehabt, auch sei er auf Grund seines eher europäischen Aussehens von rassistischen oder rechtsextremistischen Anfeindungen verschont geblieben.
Inzwischen wisse in Victorville wohl nahezu jeder, dass er Kubaner und Kommunist sei, sagte Gerardo. Er habe sogar den Spitznamen „Cuba“ erhalten. Übrigens genieße er unterdessen bei etlichen Mitgefangenen ein gewisses Ansehen.
Nach dreistündiger Unterhaltung wurde Katrien und Marc mitgeteilt, dass die Besuchszeit nunmehr beendet sei, obwohl den beiden Belgiern laut Genehmigungsschein fünf Stunden zugebilligt worden waren. Die intensiven Kontrollen und schier endlosen Wartezeiten wurden mit angerechnet.
Die aus Europa angereisten Genossen waren jedoch auch so mit dem äußerst lebhaften, viele wichtige Themen – von der längst weltumspannenden Kampagne für die Freilassung der „Cuban Five“ bis zur gefährlichen Lage in verschiedenen Regionen der Welt – berührenden Gespräch sehr zufrieden. Sie verließen Gerardo glücklich und tief beeindruckt. „Sein Optimismus und sein unerschütterliches Zukunftsvertrauen bewegen uns ebenso wie die Tatsache, dass er trotz all des Schweren, was er durchmacht, seinen Sinn für Humor behalten hat“, bemerkte Katrien später gegenüber der belgischen Wochenzeitung „Solidaire“: „Mehr als einmal haben wir bis zu Tränen gelacht – trotz der hohen Mauern und des Stacheldrahtes, hinter denen unser Gespräch stattfand.“
Mit Adriana telefoniere und korrespondiere Gerardo regelmäßig, habe er die beiden Besucher wissen lassen. Weder der Schmerz noch die lange Trennung von seiner Frau hatten ihre Beziehung getrübt. Und mit Blick auf die sicher nicht kurze Wegstrecke bis zu seiner Freilassung – Präsident Obama hätte ihn jederzeit begnadigen oder eine Haftverkürzung anordnen können, wenn er gewollt hätte, womit wohl kaum zu rechnen sein werde – sagte Gerardo bei der Verabschiedung Katriens und Marcs: „Was auch immer geschehen wird – ich stehe hundertprozentig zur Revolution und zu Fidel. Nichts vermag meine Sicht auf die Dinge zu ändern.“
„Und Gerardo“ – schließen die beiden Belgier ihren bewegenden Report – „kann mit uns rechnen. Wir werden den Kampf für ihn und seine Kameraden nun noch mehr verstärken!“
Gerardo Hernández - hier mit dem Schauspieler Danny Glover