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Für Dialektik in Organisationsfragen

Die Bezahlkarte für Asylsuchende:

Harmlos klingende Schikane

Bayern ist wieder einmal vorne dran, wenn es darum geht, die Rechte von Geflüchteten noch weiter einzuschränken. Stolz erklärte der bayerische Ministerpräsident Söder, Bayern wäre eines der ersten Bundesländer, das den Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz mit Bundeskanzler Scholz vom November 2023 nun auch umsetze und zum 1. April eine Bezahlkarte für Asylbewerber einführe. Die Karte schaue aus wie eine Kredit- oder EC-Karte, so werde keiner diskriminiert. Mit der Wirklichkeit hat diese Behauptung wenig zu tun.

Ausgeschlossen von Alltäglichem

Die betreffenden Menschen erhalten eine spezielle Karte, auf die der Betrag gebucht wird, der ihnen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (ca. 100.- Euro weniger als der Regelsatz nach dem Bürgergeld) zugestanden wird. Lächerliche 50.- Euro davon können sie abheben. „Uns ist wichtig, dass wir das verfügbare Bargeld, das es noch gibt, geringer ansetzen als in anderen Bundesländern“, betont der Ministerpräsident in BR 24 am 20. März.[1] Mit dieser Karte können die Menschen nur in den Geschäften bezahlen, die dieses System eingeführt haben. Viele haben es bisher nicht eingeführt, viele, v.a. kleinere Geschäfte werden es auch nicht einführen, da das Geld kostet. Mal schnell beim Bäcker eine Breze kaufen, wenn das Bargeld aufgebraucht ist? Kopfschütteln bei der Verkäuferin, die Karte können wir nicht annehmen. Geld für den Schulausflug des Kindes? Da müssen die Eltern dann wohl zum Amt, um das irgendwie zu regeln, denn die Schule hat natürlich auch kein entsprechendes Gerät – oder das Kind kann nicht mitfahren.

Keine Diskriminierung?

Überweisen kann man mit dieser Karte nichts und das soll ausdrücklich auch so sein. Überweisungen in die Heimatländer sollen unterbunden werden. Was bedeutet das? Ein Beispiel.

Zu viel der Menschlichkeit

In der Tagesstätte, in der ich gearbeitet habe, betreuten wir zwei kleine Jungs. Ihre Mutter war mit ihnen aus Nigeria hierher geflüchtet. Die älteren zwei Töchter musste sie bei der Großmutter zurücklassen. Sie hoffte, sie irgendwann nachholen zu können, was ihr, solange wir das verfolgen konnten, stets verwehrt worden ist. Diese Familie sparte sich jede zusätzliche Scheibe Brot vom Munde ab, um wenigstens eine kleine Summe nach Nigeria überweisen zu können, um die Großmutter bei der Versorgung der Enkelinnen etwas zu unterstützen. Denn auch die Großmutter war arm. Doch dieses kleine Stück Menschlichkeit ist schon zu viel für die CSU und inzwischen auch für die Regierungskoalition. Während Milliarden Euro um die Welt transferiert werden, stets auf der Suche nach möglichst profitträchtigen Anlagen, ist eine solch selbstverständliche Fürsorge einer Mutter um das Wohl der Kinder mit der Bezahlkarte nicht mehr möglich. Es könnten ja Schulden an sog. Schlepper, in grauer Vorzeit einmal Fluchthelfer genannt, überwiesen werden. „Mit dieser Karte senken wir Zuzugsanreize und bekämpfen Schlepperkriminalität“, so das bayerische Innenministerium. Es ist inzwischen bei allen, die sich mit Fluchtursachen beschäftigen bekannt, dass sowohl die eine wie die andere Behauptung Unfug ist. Menschen, die die Strapazen einer Flucht auf sich nehmen, bei der sie nicht einmal wissen, ob sie unversehrt ankommen, haben anderes im Kopf als zusätzliche Schikanen in den Zielländern. Sie wollen einfach weg von Elend, Hunger, Chaos, Krieg, Verfolgung. Ebenso ist bekannt, dass die Überweisungen von Geflüchteten ins Heimatland äußerst gering sind, was nun wirklich keinen erstaunen kann. Warum also diese Bezahlkarte?

Ausgrenzung

Nicht einmal eingespart wird damit irgendetwas. Im Gegenteil, die Einführung dieses Systems kostet Geld, wieviel will Söder noch nicht verraten.[2] Er verkündet nur großzügig, dass der bayerische Staat die Kosten übernimmt, die Kommunen also nicht zusätzlich belastet werden. Mit diesem Geld könnte sicherlich auch für jeden Asylsuchenden ein Bankkonto eingerichtet werden, auf das die Ämter die entsprechenden Gelder überweisen, so wie es heute üblich ist. Dann wären die Ämter auch den Verwaltungsaufwand los, das Geld jeden Monat an die Flüchtlinge bar auszahlen zu müssen – ohne Ausgrenzung und Diskriminierung.

Doch offensichtlich geht es genau darum. Es geht ganz offen nur um die Botschaft, dass Geflüchtete hier nichts zu suchen haben und deshalb für sie nicht gelten soll, was für alle anderen alltägliches Recht ist. So schürt man Rassismus und treibt die Gesellschaft weiter nach rechts.

gr

1 Die CSU-geführte Bayerische Staatsregierung hat sich wieder einmal durchgesetzt. Auf der Ministerpräsidentenkonferenz vom 20.6.2024 wurde ein landesweiter Bargeldbeug von 50.- Euro beschlossen. Nur Bremen, Thüringen und Rheinlandpfalz bestanden in Protokollerklärungen auf der Möglichkeit eines höheren Bargeldbezuges.

2 Auch heute sind die Kosten nicht bekannt. Am 7. Mai antwortet die Bayerische Staatsregierung auf eine entsprechende Anfrage: „Über die Höhe können keine Angaben gemacht werden, da es sich um ein Geschäftsgeheimnis der PayCenter GmbH handelt.“

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