Für Dialektik in Organisationsfragen
Das im Folgenden abgedruckte Referat wurde auf der Konferenz „Der Hauptfeind steht im eigenen Land!“ im Mai 2017 in Berlin gehalten. Es wird hier um den ersten Teil gekürzt wiedergegeben, der sich sehr ausführlich mit der damals aktuellen Situation beschäftigt[1]. Hier nur kurz das Wichtigste daraus:
In der öffentlichen Wahrnehmung war ein Zerrbild der Wirklichkeit in Europa entstanden, das der herrschenden Klasse in unserem Land sehr genehm sein konnte: Rechtsgerichtete Regierungen in Ungarn und Polen, verschärfter Staatsterror in der Türkei, sogenannte „Rechtspopulisten“ (die man so nennt, um das Wort Faschisten zu vermeiden) gewinnen rund um uns in Europa an Stärke, Trump als verrückt gewordener rechter Präsident der USA gegen uns demokratische Deutsche ...
Bei diesem Zerrbild, dieser öffentlichen Wahrnehmung handelte es sich um nichts Anderes als um politische Ausprägungen der sich verschärfenden zwischenimperialistischen Widersprüche, in deren Gefolge sich auch die Widersprüche zwischen dem deutschen Imperialismus und den nichtimperialistischen Ländern – Polen, Ungarn, Griechenland, Türkei z.B. – zugespitzt haben. Diese Zuspitzung hat sich in den früheren Jahren eher durch linke Parteien bzw. Regierungen ausgedrückt – insbesondere in Griechenland. Inzwischen wird die deutsche Dominanz in Europa und das weltweit dreiste Auftreten des deutschen Imperialismus mit rechten und faschistischen Reaktionen beantwortet.
Dies wurde natürlich weidlich ausgenutzt, um uns Deutsche in unserem Leuchtturm der Demokratie zusammenzuschweißen, etwa in der Art: Undeutsche Rechtspopulisten bedrohen unsere Leitkultur. Wir sind nicht Burka. Etc.
Auch das ist imperialistische Vaterlandsverteidigung. Es wird ein volksgemeinschaftliches deutsches „Wir“ aufgebaut, „Wir alle“ gegen rechts. Im Schatten dieser Widersprüche wird staatlicherseits das bürgerliche Recht abgebaut: Das Asylrecht wird weiter verschärft, mit dem sogenannten „Gefährder“ wird die „Schutzhaft“ der Nazidiktatur wieder salonfähig gemacht, einfache Strafrechtsverschärfungen, z.B. gegen Einbruchsdelikte geben dem „besorgten Bürger“ Zucker, ganz zu schweigen von den Aktionen der bayerischen Staatsregierung, die mit Gesetzgebungen zur sog. Leitkultur im Stil der Nürnberger Rassengesetze und dem ersten Landesgesetz gegen „Gefährder“ heftigst an der bürgerlichen Demokratie sägt, ohne dass das über die Grenzen von Bayern hinaus großartig beachtet wird.
Wie jeder, der sehen wollte, in den letzten Monaten beobachten konnte, entstand so ein Klima, in dem eine deutsche faschistische Sammlungsbewegung wachsen und gedeihen konnte. Unsere Aufgabe in dieser Situation wird in dem Referat so beschrieben:
Wenn bei uns die Herrschenden ausländische Faschisten bekämpfen und Krokodilstränen um deren Opfer weinen, dann sollten wir uns ihnen nicht anschließen. Für uns gilt der proletarische Internationalismus. Lenin dazu: „Es gibt nur einen wirklichen Internationalismus: die hingebungsvolle Arbeit an der Entwicklung der revolutionären Bewegung und des revolutionären Kampfes im eigenen Lande, die Unterstützung (durch Propaganda, durch moralische und materielle Hilfe) eben eines solchen Kampfes, eben einer solchen Linie und nur einer solchen allein in ausnahmslos allen Ländern.“[2] Wenn es zum Beispiel um die Türkei geht, brauchen wir keine Solidaritätsadressen der Bildzeitung oder Gedichtexperimente von Böhmermann. Es ist beschämend genug, wie wenig wir beim heutigen Kräfteverhältnis tun können hier bei uns gegen das PKK-Verbot, gegen die Terrorprozesse gegen kurdische Demokraten und Antifaschisten, gegen die Inhaftierung von 10 türkischen Genossen in München seit 2015, angeklagt nach den Gesinnungsparagraphen 129 a/b. Wir müssen auch nicht gemeinsam mit der Springerpresse gegen Marine Le Pen kämpfen. Wenn wir endlich wieder die normalsten, einfachsten Streikkämpfe gegen das Kapital kämpfen würden, wenn wir nicht mehr als internationale Streikbrecher dastehen würden, dann würde das die französische Arbeiterklasse in ihrem Kampf gegen den Faschismus tatsächlich entlasten. Und so weiter ...
Schon vor der Bundestagswahl im September hatte Sigmar Gabriel (SPD) behauptet, es werde das erste Mal, dass seit dem Ende des Weltkrieges wieder Nazis im Bundestag sitzen werden. Was ist dazu zu sagen?
Tatsächlich saßen von Anfang an Nazis im Bundestag, allein schon deshalb, weil Parteien wie CDU, CSU und FDP hauptsächliche Sammelbecken für NSDAP-Mitglieder wurden, die es bis in höchste Staatsfunktionen schafften. Die AfD nutzt das jetzt sogar für sich aus und stellt sich nun als Unschuld vom Lande dar, als einzige Partei, die keine alten Nazikader in sich habe![3] Kein Wunder, sie sind die geistigen Enkel der Hitlerfaschisten, sie genießen die „Gnade der späten Geburt“[4]. Weiter hat sich die DP (Deutsche Partei), die zumindest stark faschistisch durchsetzt war, bis 1961 trotz 5-Prozent-Klausel (die 1953 gegen die KPD eingeführt wurde) im Bundestag gehalten, da die CDU ihr geholfen hat, zu Erststimmen und damit zu Direktmandaten zu kommen.
Die alten Nazikader sind weitgehend in Rente oder im Grab, die DP ist selbst alten Menschen nicht mehr so im Gedächtnis. Ist es also tatsächlich etwas seit vielen Jahren völlig Neues, dass Faschisten im Bundestag sitzen?
Wer das meint, der vergisst entweder oder unterschätzt die CSU. Diese bayerische Staatspartei und in den meisten Jahren der BRD Bundesregierungspartei ist zugleich Zentrum der von F.J.Strauß 1970 ausgerufenen „Sammelbewegung zur Rettung des Vaterlandes“. Zur Charakterisierung und Rolle der CSU nimmt das im Folgenden abgedruckte Referat ausführlich Stellung.
Die AfD ist also insofern nichts Besonderes, als immer Faschisten im Bundestag waren, vor allem in ihrer gefährlichen Form der CSU. Das Besorgnis erregende Signal aber, das die Wahl der AfD gegeben hat, ist: Während sich die CSU noch als konservativ-demokratische Partei maskieren kann (und muss), ist die AfD die nicht mehr zu übertünchende Ansage, dass Faschismus wieder salonfähig ist, dass er offen einen Platz in dieser Gesellschaft beansprucht.
Was wir jetzt, im November 2017 erleben, sind typische Kämpfe, die auf eine wachsende faschistische Gefahr deuten. Da ist zum einen der Kampf zwischen CSU und AfD – die CSU wird kaum die Wahlniederlage gegen die AfD auf sich sitzen lassen und gegen die AfD nicht nur in Bayern agieren (auch dazu nimmt das Referat Stellung). In der CSU ist ein Machtkampf entbrannt, der ebenfalls nur um eine Frage geht: Wer kann eine deutsche „Volksgemeinschaft“ schmieden, um dieses Land für die Ansprüche des deutschen Imperialismus kriegsfähig zu machen. Auch dass wir nun „instabile Verhältnisse“ haben und die „Schwampel“ gescheitert ist[5], könnte uns nur freuen, wenn wir Arbeiter und Antifaschisten besser gegen die Bourgeoisie aufgestellt wären. Gefährlich sind auch diese Kämpfe zwischen einer in sich zerstrittenen konservativen CDU, einer mit der CDU und untereinander zerstrittenen faschistischen CSU, einer schicken und modernen FDP, die das Erbe der Altnazis in der FDP sowie des abgestürzten Haider-Fans Möllemann im Gepäck hat und den Grünen-Vertretern, die machtgierig zwischen den Seilen hängen. All das lässt dem Monopolkapital sehr viel Spielraum, mehr und mehr auf die faschistische Karte zu setzen.
Dem zu begegnen, dazu sollen die folgenden Ausführungen einen Beitrag leisten.
Wie sichert eigentlich das Monopolkapital seine Herrschaft? Es ist klar, dass diese kleine Schicht der Bourgeoisie nicht allein seine Interessen durchsetzen kann, nicht allein seine Kriege führen kann, nicht allein der Gesellschaft seine Ausbeutungsbedingungen diktieren kann ... Da gibt es immer einen unberechenbaren Faktor, auf den die Bourgeoisie angewiesen ist und der zugleich äußerst störend, ja gefährlich für ihre Herrschaft werden kann. Das ist allgemein gesagt: der Mensch; im Konkreten, als Vertreter der Menschheitsinteressen: der Arbeiter.
Die Monopolbourgeoisie kann ihre Herrschaft nicht sichern und ihre Interessen nicht durchsetzen, wenn sie sich nicht auf Teile des Volkes stützen kann, wenn sie keine menschlichen Reserven in der Gesellschaft hat.
Es gibt zwei bedeutende Reserven in der heutigen kapitalistischen Gesellschaft, auf die sich die Monopolkapitalisten stützen können.
Die eine befindet sich innerhalb der Arbeiterklasse. Lenin hat diese Reserve während des 1. Weltkriegs so analysiert:
„Es ist klar, dass man aus solchem gigantischen Extraprofit (denn diesen Profit streichen die Kapitalisten über den Profit hinaus ein, den sie aus den Arbeitern ihres „eigenen“ Landes herauspressen) die Arbeiterführer und die Oberschicht der Arbeiteraristokratie bestechen kann. Sie wird denn auch von den Kapitalisten der ‚fortgeschrittenen‘Länder bestochen – durch tausenderlei Methoden, direkte und indirekte, offene und versteckte.
Diese Schicht der verbürgerten Arbeiter oder der ‚Arbeiteraristokratie‘, in ihrer Lebensweise, nach ihrem Einkommen, durch ihre ganze Weltanschauung vollkommen verspießert, ist die Hauptstütze der II. Internationale und in unseren Tagen die soziale (nicht militärische) Hauptstütze der Bourgeoisie.“[6]
Lenin erwähnt hier die II. Internationale. Das war der Zusammenschluss der sozialdemokratischen Parteien, die in ihrer großen Überzahl den proletarischen Internationalismus verraten hatten und die Arbeiter in den imperialistischen Krieg geschickt hatten. Bei uns also die SPD. Sie ist bis heute der hauptsächliche politische Sammelpunkt dieser Arbeiteraristokratie.
Die zweite Reserve der Monopolbourgeoisie befindet sich außerhalb der Arbeiterklasse. Es handelt sich um das bunte Gemisch kleinbürgerlicher und lumpenproletarischer Unzufriedener, die sich heute in allen möglichen organisatorischen Zusammenhängen und Netzwerken befinden, hetzen, aufmarschieren und brandschatzen. Das ist in der Summe die faschistische Bewegung, deren Bestandteile sich heute erbittert gegenseitig bekämpfen, aber auch unterstützen, die um die Gunst des Monopolkapitals buhlen. Dass das Monopolkapital nach dem 1. imperialistischen Weltkrieg solche Verbände finanzierte und finanziert und schließlich auch Hitler in den Sattel hob, hatte gute Gründe: Die Sozialdemokratie hatte zwar gute Dienste geleistet, aber dennoch hatte in Russland 1917 die proletarische Revolution gesiegt, und in Deutschland hätte sie 1918/19 beinahe gesiegt. Die Sozialdemokratie war also zu bestimmten Zeiten offenbar nicht die zuverlässigste Stütze des Monopolkapitals – ihre Stärke, dass sie innerhalb der Arbeiterklasse wirkt, war in der Situation des Weltkrieges zugleich ihre Schwäche, weil spätestens im imperialistischen Krieg die Arbeiter beginnen, ihre Klasseninteressen zu begreifen, ihre Macht zu spüren.
Wenn wir uns diese faschistische Reserve genauer ansehen, dann sehen wir erstmal das Bestreben, das ganze Volk in die faschistische „Volksgemeinschaft“ einzugliedern, mit sozialer Demagogie (oft betrügerisch verbunden mit von Kommunisten und anderen Linken abgeguckten Forderungen) und mit Terror und Zwang. Es geht darum, uns alle mundtot und kriegsfähig zu machen, uns gegen andere Völker zu rüsten.
Es hängt also von der konkreten Situation ab, auf welche dieser beiden Reserven sich die Monopolbourgeoisie hauptsächlich stützt, d.h. welche sie mehr fördert und finanziert. Während die sozialdemokratische Reserve der bürgerlichen Demokratie entspricht, entspricht die faschistische Reserve der faschistischen Terrorherrschaft. In Deutschland in der Weimarer Republik zum Beispiel bereitete die Monopolbourgeoisie durch den Wechsel der Hauptstütze von der sozialdemokratischen zur faschistischen die Machtübertragung an die Hitlerfaschisten vor. In Italien dagegen war in den ersten Jahren des Faschismus noch die Sozialdemokratie die soziale Hauptstütze – die faschistische Reserve war noch zu schwach, um diese Aufgabe zu erfüllen.
Unter welchen Bedingungen stützt sich nun das Monopolkapital hauptsächlich auf die Sozialdemokratie?
– In akut revolutionären Zeiten. Eine faschistische Bewegung könnte in solchen Zeiten gar nichts ausrichten, sie würde von der Arbeiterklasse hinweggefegt werden und würde dem Monopolkapital gar nichts nützen. In revolutionären Zeiten kann die Monopolbourgeoisie nur hoffen, dass die Festung von innen genommen wird, durch die Arbeiteraristokratie, durch die Sozialdemokratie. Das ist ja in der revolutionären Nachkriegskrise (1918 bis 1923) auch gelungen. Die Revolution wurde verhindert.
– In „friedlichen“, „ruhigen“ Zeiten. In solchen Zeiten – z.B. relative Stabilisierung des Kapitalismus in der Weimarer Republik 1924 bis 1929, oder die Nachkriegsentwicklung in Westdeutschland bis heute (wobei wohl jeder einigermaßen wache Kommunist oder Antifaschist spürt, dass diese „friedlichen“, „ruhigen“ Zeiten auf ihr Ende zugehen – derzeit leider nicht in revolutionärer, sondern in konterrevolutionärer Weise). Es ist die für die Monopolbourgeoisie bequemste Art zu herrschen, deshalb ist die Sozialdemokratie in solchen Zeiten die sicherste Stütze.
Unter welchen Bedingungen aber stützt sich das Monopolkapital hauptsächlich auf die kleinbürgerlich-lumpenproletarische faschistische Bewegung?
– Wenn es darum geht, den Krieg gegen die imperialistischen Konkurrenten systematisch vorzubereiten, wenn zu diesem Zweck die bürgerliche Demokratie zu beseitigen und durch die faschistische Terrorherrschaft zu ersetzen ist, weil die Arbeiter, das Volk den Krieg nicht unbedingt mitmachen wollen. (Es gibt, wie oben schon gesagt, auch die Ausnahme Italien, wo der Wechsel zur faschistischen Hauptstütze erst nach Installierung der faschistischen Diktatur stattfand. Dass es letztlich um die Vorbereitung eines Weltkrieges geht, trifft aber auch hier zu.)
Ein Sonderfall ist die einverleibte DDR. Ein sozialistisches Land wurde zerstört, in dem es naturgemäß keine Arbeiteraristokratie so wie in den imperialistischen Ländern gab. Die faschistische Reserve dagegen war nach der Einverleibung schnell zur Hand. Die westdeutschen Emissäre auf der faschistischen Seite konnten sehr viel schneller Fuß fassen als die Emissäre der westdeutschen Gewerkschaftsbürokratie, die sich in dem einverleibten Gebiet unter der Bedingung der Zerschlagung des FDGB zugunsten der DGB-Gewerkschaften schlecht zurecht fanden (Bodo Ramelow ist in dieser Hinsicht eine Ausnahme) und keine Basis in den Betrieben hatten. Es blieb der Bourgeoisie gar nichts Anderes übrig, als in dem dazu gewonnenen Territorium hauptsächlich auf die faschistische Sammlungsbewegung zu setzen (die eben nicht, wie bis zum heutigen Tag herumgelogen wird, aus den Strukturen der DDR kam). Ein prominenter Antifaschist schrieb in den neunziger Jahren in seinen Memoiren: „Die neue rechtsextremistische Subkultur breitet sich gerade unter erheblichen Teilen der ostdeutschen Jugend nicht zufällig und ohne Zielstellung aus. Mir scheint, es wachsen hier, gewissermaßen ,in Reserve’, neue SA-Horden für den Fall eines Versagens der übrigen Mittel zur Sicherung der fortschreitenden Umverteilung von Macht und Reichtum heran.“[7]
Kommen wir nun wieder zur Frage, ob und wann die Monopolbourgeoisie die Sozialdemokratie als soziale Hauptstütze austauscht gegen die faschistische, kleinbürgerliche Reserve.
Dabei geht es nicht darum, herauszubekommen, ob dieser Wechsel bereits geschehen ist, als ob wir dann erst unsere Strategie ändern müssten. Vielmehr ist zu prüfen, ob sich derzeit solche qualitativen Änderungen ergeben, dass es ratsam erscheint, uns auf diesen Wechsel der Hauptstütze vorzubereiten. Stellen wir uns mal die Frage, welche Entwicklungen nicht nur die seit Jahren anhaltende Rechtsentwicklung kennzeichnen sondern welche Entwicklungen stellen einen Qualitätssprung dar, also eine sprunghafte, nicht gleichmäßige Veränderung. Und da sehen wir tatsächlich etwas, das nicht nur quantitativ zu werten ist – das Auseinanderbrechen von Deutsch-Europa. Das fängt an mit den scharfen Auseinandersetzungen zwischen Deutschland und Ungarn angesichts der sogenannten Flüchtlingskrise. Und ist bisher bis dahin gegangen, dass der imperialistische Konkurrent Großbritannien seine Austrittsabsichten aus der EU mit einer Volksabstimmung besiegelt. Die Erfolge des Front National in Frankreich sind auch eng mit der Abneigung in der französischen Bevölkerung (und natürlich Teilen der französischen Bourgeoisie) gegen die deutsch dominierte EU verknüpft. Gleichzeitig sucht der EU-Kandidat Türkei und Kettenhund des deutschen Imperialismus, durch das Flüchtlingsabkommen mit der BRD von der Leine gelassen, sein Revier zu erweitern und die Türkei zu einem faschistischen Gefängnis zu machen.
Im Licht dieser Europa-Krise sollten wir uns die Lage der verschiedenen Klassen und Schichten hier im Land vor Augen führen – was spricht für und was gegen einen Wechsel der Hauptstütze durch die Monopolbourgeoisie?
Ich gehe hier von den Thesen zur Strategie und Taktik des Arbeiterbundes für den Wiederaufbau der KPD von 1980[8] aus, in denen Kriterien genau zu dieser Frage genannt sind.
1. Der Grad der allgemeinen Krise, die Zerrüttung der Wirtschaft – hat sie solch einen Grad, solch ein Ausmaß angenommen, dass sie nur noch gewaltsam (durch offene Diktatur und Krieg) gelöst werden kann.
Bisher hat es die Bundesregierung leidlich geschafft, die 2009 begonnene Krise innerhalb der BRD zu dämpfen. Ein Mittel dazu ist die Fortsetzung und Verschärfung der durch die Agenda 2010 staatlich gesteuerten Verelendung und Entrechtung der Arbeiter. Das hat aus verschiedenen Gründen den Export beflügelt, uns „wettbewerbsfähig“ gemacht, wie es die IGM-Führung ausdrücken würde. Damit ist es auch gelungen, die Krise vor allem auf die anderen EU-Länder abzuwälzen. Aber zurzeit werden die Karten neu gemischt, nach sogenannter Flüchtlingskrise, Zuspitzung der Konflikte mit Russland, Brexit, Trump-Wahl und wachsender EU-Müdigkeit. Wie lange die BRD es noch schafft, die Krise auf andere Länder abzuwälzen, wissen wir nicht – was wir wissen, ist, dass ihre Situation angesichts der Zuspitzung dieser Widersprüche alles andere als stabil ist. Letztlich wird die imperialistische Konkurrenz zum Weltkrieg führen, wenn dieser Entwicklung nicht durch die revolutionären Kräfte Einhalt geboten wird. Die EU-Krise ist ein deutlicher Schritt dorthin. Das Monopolkapital wird diese Entwicklung hin zu einem Krieg zwischen imperialistischen Mächten auf Dauer kaum bewältigen, ohne sich in Richtung Faschismus zu bewegen.
2. Der Stand der Auseinandersetzung zwischen der Monopolbourgeoisie und der nichtmonopolistischen Bourgeoisie. Welche Stellung nimmt die Mehrheit der Monopolisten zur Beibehaltung der bürgerlich-demokratischen Republik ein und welche Stellung hat das am meisten reaktionäre, chauvinistische, am meisten imperialistische Finanzkapital, das den Ausschlag gibt.
Diese Frage ist schwierig zu beantworten, da sich die Antwort hinter verschiedenen politischen Aktivitäten verbirgt (z.B. für oder gegen EU, mit oder gegen USA, mit oder gegen Russland ...). So deutliche Aktivitäten wie z.B. die Harzburger Front 1931, wo die Präferenzen der Schwerindustrie sichtbar wurden, sind – jedenfalls nach meiner Kenntnis – heute nicht auszumachen. Vielleicht noch nicht. Weiter ist eine Aufteilung wie in den zwanziger, dreißiger Jahren in Schwerindustrie, Elektroindustrie und Chemieindustrie nicht mehr möglich. Diese Aufteilung zeigte ebenso gewisse politische Vorlieben. Heute sind die umsatzstärksten Branchen in der BRD die Autoindustrie, der Maschinenbau und die Chemieindustrie[9] (das ist jetzt nur nach Umsatz sortiert, es gibt natürlich auch noch andere Kriterien wie z.B. Vermögen etc. Diese Aussage, die nur den Umsatz berücksichtigt, ist also noch sehr lückenhaft).
Zu den Banken hier eine Einschätzung von Rolf Fürst aus der Kommunistischen Arbeiterzeitung: „Der Bankensektor hat dabei trotz seiner immensen Macht und Bedeutung in der derzeitigen Phase Schwierigkeiten, die Rendite aufrecht zu erhalten, der Kapitalüberschuss bremst die Kapitalverwertung. Die Deutsche Bank hat dabei mittlerweile einige Nachteile gegenüber der Konkurrenz, es gab verlustbringende Fehlentscheidungen und es fehlt die klare Ausrichtung. Die Herrscher über Europa waren zu groß und siegessicher. Die daraus folgende, aktuelle Schwäche versucht insbesondere die US-Konkurrenz auszunutzen. Die Deutsche Bank wird zwangsläufig aggressiv reagieren, das deutsche Finanzkapital als Verflechtung von Bank- und Industriekapital rückt näher zusammen.“[10]
Vorsichtig wäre ich, dem heutigen deutschen Finanzkapital einfache Fraktionen wie „Transatlantiker“ und „Europäer“ zuzuschreiben. Dies berücksichtigt nicht den starken Einfluss der scharfen Widersprüche zwischen dem französischen, britischen und italienischen Imperialismus auf der einen und dem deutschen Imperialismus auf der anderen Seite (selbst das ist jetzt sehr vereinfacht dargestellt). Jedenfalls rückt die Frage – Euro ja oder nein, EU ja oder nein – immer mehr in den Vordergrund, zeigt verschiedene Optionen des deutschen Imperialismus – Deutsch-Europa retten oder deutsche Alleingänge, um es mal grob vereinfacht auszudrücken. Beides vergrößert die Kriegsgefahr und damit die faschistische Gefahr.
3. Der politische Reifegrad der Arbeiterklasse, ihre Kampfentschlossenheit, der Grad ihrer revolutionären Einheit oder noch vorhandenen Spaltung, ihre Hegemonie gegenüber dem werktätigen Volk und welchen Einfluss besitzt der Sozialdemokratismus gegenüber dem Kommunismus in der Arbeiterklasse, in der Arbeiterbewegung.
Zunächst mal möchte ich was gegen einen verbreiteten Irrtum sagen: Manche Linke und Revolutionäre glauben, dass der Faschismus dann droht, wenn die Arbeiterklasse stark ist. Genährt wird dieser Glaube von dem Bild der zwanziger/Anfang dreißiger Jahre, der Eindruck großer Arbeiteraufmärsche, der KPD als starker Massenpartei, bis der Faschismus dem ein Ende machte.
Wir müssen aber die Situationen der 20er und dreißiger Jahre etwas genauer anschauen. Nehmen wir z.B. den Kapp-Putsch 1920, den ersten Versuch in Deutschland, eine faschistische Diktatur zu errichten. Er wurde durch einen von der Sozialdemokratie ausgerufenen und sogar den Chemiemonopolen unterstützten Generalstreik hinweggefegt. Im Ruhrgebiet bildete sich die Rote Ruhrarmee, die dicht davor war, über den demokratischen Kampf hinauszugehen und dem Kapitalismus ein Ende zu bereiten. Dieser bewaffnete Kampf der Arbeiter wurde niedergeschlagen, mit Hilfe der sozialdemokratischen Führer. Anfang der dreißiger Jahre haben wir ein ganz anderes Bild: Die Arbeiter sind entwaffnet, nicht in der Lage, einen bewaffneten Kampf gegen die faschistische Reaktion zu führen. Selbst die harmloseste Variante, der antifaschistische Generalstreik, wird von der SPD-Führung hintertrieben. Die revolutionäre Nachkriegskrise war schon seit einem Jahrzehnt beendet. Durch die Verelendung infolge der Wirtschaftskrise waren die Arbeiter zwar empört und strömten in Massen zur KPD, von einer politischen Reife konnte aber in diesen kurzen Jahren keine Rede sein. Es stimmt schon, was Clara Zetkin mal zu dieser Frage gesagt hat:
„Er (der Faschismus) ist keineswegs die Rache der Bourgeoisie dafür, dass das Proletariat sich kämpfend erhob. Historisch, objektiv betrachtet, kommt der Faschismus vielmehr als Strafe, weil das Proletariat nicht die Revolution, die in Russland eingeleitet worden ist, weitergeführt und weitergetrieben hat.“[11]
Da die Monopolbourgeoisie sich auf einen größeren Krieg vorbereitete und vorbereitet, musste und muss sie die Schwäche der Arbeiterklasse ausnutzen, um ihrem unausbleiblichen revolutionären Widerstand mit dem Faschismus zuvorzukommen. Das war die Lehre der Monopolbourgeoisie aus der Oktoberrevolution. Die Schwäche der Arbeiterbewegung heute ist also alles andere als beruhigend. Von revolutionärer Einheit kann nicht die Rede sein, auch nicht von einer Hegemonie der Arbeiterklasse gegenüber dem Volk. Ganz im Gegenteil, kleinbürgerliche Ideen werden der Arbeiterklasse nicht nur von der Sozialdemokratie eingeflößt, sondern auch vom demokratischen Kleinbürgertum und teilweise auch vom reaktionärsten Kleinbürgertum, von Faschisten, ohne dass eine wirkliche Abwehrfront z.B. in den Gewerkschaften dagegen zu sehen wäre.
Sozialdemokratismus versus Kommunismus – das ist ein Thema, das es in der Gewerkschaft, in den Betrieben in den 70er teilweise auch 80er Jahren noch gab. Da kämpften Sozialdemokraten um ihre reformistischen Projekte, versuchten, von einem Kapitalismus mit menschlichem Antlitz zu überzeugen und Arbeiter vor kommunistischer Versuchung zu bewahren.
Die Krise des Kommunismus seit spätestens 1989 hat auch zu einer Krise der deutschen Sozialdemokratie geführt. Die Aufgabe, die Arbeiter von der Revolution abzuhalten, ist ihr fast vollständig abhandengekommen, jedenfalls zeitweise (was inzwischen auch dazu führt, dass seit dieser Krise des Kommunismus noch viel mehr als vorher elementare ökonomische Kämpfe abgeblockt oder im Keim erstickt werden). Das hat massiv zur erdrutschartigen reaktionären Entwicklung der deutschen Sozialdemokratie beigetragen.
Dazu kommt noch die ökonomische Zersplitterung der Arbeiter durch Agenda 2010, Leiharbeit, Werksverträge, Niedriglohnsektor. Es ist eine neue Hierarchie unter den Arbeitern entstanden, viel schlimmer und verzwickter als die frühere Hierarchie – Arbeiteraristokraten, Angestellte und Meister, Facharbeiter, ungelernte Arbeiter. Die heute so starke Zersplitterung und Differenzierung hat zu Angst und Entsolidarisierung geführt. Die daraus entstehende Disziplinierung der Arbeiter ist ein entscheidender Beitrag zur Militarisierung der Gesellschaft, zur Möglichkeit, eine faschistische Diktatur zu errichten und die Arbeiter in den Krieg zu hetzen.
4. Die Stellung des Kleinbürgertums, wie nah oder fern steht es der einen oder der anderen der beiden Hauptklassen. Welche Sympathie bringt es dem Proletariat entgegen oder wie weit folgt es noch der Monopolbourgeoisie.
Fangen wir mit der Sympathie gegenüber dem Proletariat an: Sie ist schon in den achtziger Jahren gesunken, seit 1989 wächst die Verachtung der Arbeiterklasse durch das Kleinbürgertum – zum Teil, indem man einfach ihre Existenz leugnet, zum Teil, indem man über einen Teil von ihr, den am meisten verelendeten Teil, herzieht. Was sich am besten machen lässt, wenn der auch noch aus Marzahn kommt – der Ossiprolet. Das Schimpfwort „Proll“ ist Allgemeingut geworden. All dies geht bis tief in das demokratische Kleinbürgertum. Gegnerschaft gegen die Monopolbourgeoisie äußert sich – auch beim demokratischen Kleinbürgertum – sehr oft in rückwärtsgewandten, die Entwicklung der Produktivkräfte verneinenden Aktionen.
Natürlich gibt es beim demokratischen Kleinbürgertum auch Lichtblicke. So fand vor kurzem in Köln ein Tribunal „NSU-Komplex auflösen“ statt. So günstig und nützlich diese Aktivität ist, ihre Schwachstelle liegt gerade in kleinbürgerlichen, antiproletarischen Anschauungen. So heißt es in auf der Internetseite dieses Tribunals bei den „Häufig gestellten Fragen“ zu der berechtigten Frage: „Warum wird nicht der deutsche Staat an sich angeklagt?“ – „Den Staat anzuklagen war die Tradition der Russel-Tribunale der 1960er und 1970er Jahre, sowie eines Staatsverständnis, wie es ein kruder Antiimperialismus bis in die 1980er Jahre vertreten hatte. Wir verstehen den Staat als einen Kompromiss gesellschaftlicher Kräfte und nicht als einen unabhängigen Akteur. Die Geheimdienste konnten nur deshalb so konsequent die rechte Szene bewirtschaften, weil auch der gesellschaftliche Blick nach rechts milde gestimmt ist; ebenso konnten die Ermittlungsbehörden die Angehörigen der Mordopfer nur deshalb jahrelang weiter terrorisieren, weil es eine flankierende Medienberichterstattung gab, die aus den Angegriffenen gefährliche Kriminelle fantasierte und entsprechend hetzte. Viele zivilgesellschaftliche Initiativen sind staatlich finanziert, gleichwohl machen sie gute Arbeit. Und viele nichtstaatliche Akteure gehören absolut auf die Anklagebank.“[12]
Das bedeutet eine gewaltige Unterschätzung dieses Staates als Unterdrückungsinstrument des Kapitals, der vollständig unter der Fuchtel der Monopolbourgeoisie steht. Überhaupt nicht erkannt wird die Verstrickung von Staat und faschistischer, terroristischer Bewegung, von der wir auch jetzt sicherlich nur die Spitze des Eisbergs sehen. Als Dank für diese schonende Behandlung hat übrigens dieser Staat einen für dieses Tribunal vorgesehenen Referenten, einen Aktivisten der Roma, wenige Tage vor der Veranstaltung in den Kosovo abgeschoben! Wie auch immer, an solchen Aktionen wie dem Tribunal zum NSU zeigt sich: Das demokratische Kleinbürgertum ist durchaus noch in der Lage, auch richtige und äußerst wichtige Kämpfe wie diesen zu initiieren. Aber es verliert dann den Faden, verliert den Gegner aus den Augen, vermutet ihn irgendwo in der Gesellschaft, nur nicht an den Schalthebeln der Macht, wo die Politik für das Monopolkapital gemacht wird.
Und nun noch eine weitere Entwicklung, die die ambivalente Stellung des demokratischen Kleinbürgertums zeigt. Ich meine die unglaublich schnell aufgebaute und effektive Organisation der Flüchtlingshelfer 2015. Wenn man das gesehen hat, was da an Organisation, Menschenliebe, Opferbereitschaft, Kompetenz und Fachwissen zustande kam, dann fängt man als Kommunist von einer gigantischen Rote-Hilfe-Organisation zu träumen an. Aber der Klassengegner ist stärker und träumt von was anderem. Die Flüchtlingshelfer haben die ehrenamtliche, unentgeltliche Arbeit, die eigentlich der Staat machen müsste, mit erstaunlicher Effektivität gemeistert. Die Förderung des Ehrenamtes durch den Staat hat einen gewaltigen Schub erhalten. Diese Organisation der Flüchtlingshilfe könnte 1:1 zur Organisation der Lazarette im Kriegsfall übernommen werden. Sie könnte zum Arbeitsdienst umfunktioniert werden, der freiwillig ist und dessen Verweigerung jedem Erwerbslosen die gesellschaftliche Ächtung einbringen würde. Rote Hilfe oder Vaterlandsverteidigung – das ist die Kräftefrage, vor der wir stehen, wenn wir diese gewaltige Bewegung der Flüchtlingshilfe vor uns haben. Und diese Kräftefrage sieht zurzeit nicht gut für uns aus (das muss gesagt werden trotz der vielen Flüchtlingshelfer, die durch wachsenden Widersprüche zu den staatlichen Stellen nach links politisiert worden sind und z.B. Aktionen gegen Abschiebungen organisieren, die aber eine Minderheit im demokratischen Kleinbürgertum sind).
Zum reaktionären Kleinbürgertum ist zu sagen, dass es selbstbewusster, organisierter und krimineller agiert. Zielscheibe zur Übung für die Verstärkung und Vernetzung terroristischer Strukturen waren und sind die geflüchteten Menschen. Seit zwei bis drei Jahren haben die mörderischen Aktivitäten und deren mehr oder weniger offene Billigung durch dem Schein nach friedlichere Bürger in einem großen Ausmaß zugenommen. Aufgepeitscht wurden sie durch die Erfindung einer „Flüchtlingskrise“, was nur als Aufruf zur Tat verstanden werden konnte. Zwischen 2013 und 2015 schnellte die jährlich registrierte Zahl der Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte von 58 auf 1077 hoch. Die Chancen für eine faschistische Sammlungsbewegung – mit terroristischen Elementen – stehen so gut wie schon lange nicht mehr.
5. Das Kräfteverhältnis zwischen Kapital und Arbeit in organisierten Bataillonen. Welche Bataillone hat die Arbeiterklasse (z.B. Zahl und Organisierungsgrad der kommunistischen Partei, Gewerkschaften, militärische Schutzorganisationen etc.) gegenüber den terroristischen – teilweise – bewaffneten Verbänden und den „offiziellen“ reaktionär-faschistischen Organisationen.
Zunächst zu den Bataillonen der Arbeiterklasse (Kommunistische Partei, Gewerkschaften, militärische Schutzorganisationen):
Wir haben keine einheitliche kommunistische Partei. Sie wäre dringend notwendig zur Herstellung der Arbeitereinheit gegen den Faschismus. Über die Frage warum, und wieso es die kommunistische Partei nicht gibt, wird heftig gestritten. Meiner Ansicht nach geht es um die folgenden drei wichtigen Streitfragen:
– Kann die Annexion der DDR uns dazu verhelfen, dass einfach eine gesamtdeutsche kommunistische Partei gegründet werden kann? Oder müssen historisch gewachsene verschiedene Organisationsformen (z.B. die Organisierung von Kommunisten in der Linkspartei) sowie verschiedene Kampfbedingungen in Ost und West berücksichtigt werden?
– Ist es möglich, die in verschiedenen Organisationen/Parteien befindlichen Kommunisten durch Deklaration programmatischer kommunistischer Grundsätze zu vereinigen? Oder sind vor allem erstmal strategische und taktische Fragen des jetzigen konkreten Klassenkampfes zu klären?
– Ist eine antimonopolistische Strategie erforderlich, oder ist ein Herankommen an die Revolution nur möglich durch die Abwehr eines faschistischen Angriffs?
Es ist hier nicht der Platz, das weiter auszuführen, Tatsache ist, dass die kommunistische Organisierung in einem katastrophalen Zustand ist, eine gemeinsame Arbeit der Kommunisten aber sehr viel im Angesicht der Rechtsentwicklung bewirken könnte.
Zu den Gewerkschaften:
Der DGB hatte 1991 als Folge der Zerschlagung des FDGB über 11 Millionen Mitglieder und hat jetzt etwas über 6 Millionen. Er hat also sehr Federn gelassen.
Die IG Metall hat zurzeit 2,2 Millionen Mitglieder.
Wobei die Mitgliederzahlen derzeit gar nicht so das Entscheidende sind, sondern die Stillhaltepolitik, die Sicherung der Exporte des deutschen Imperialismus gegen dessen Konkurrenten auf dem Weltmarkt. Diese Art der Vaterlandsverteidigung ist es, was die Gewerkschaften zurzeit schwächt und unfähig macht, den antifaschistischen Kampf aufzunehmen, bis dahin, dass sie unfähig ist, sich gegen das Eindringen der AfD in die Gewerkschaft zur Wehr zu setzen. Einige Faktoren dazu habe ich auch schon weiter oben genannt (Hierarchisierung der Arbeiterklasse mit Hilfe der Gewerkschaftsführung).
Zu den proletarischen militärischen Schutzorganisationen: Bekanntlich haben wir sie nicht und wir bräuchten sie unbedingt. Leider wird dieses Problem viel zu wenig als Problem gesehen. Es werden Menschen bedroht, ermordet, ihnen wird das Dach über dem Kopf angezündet. Diese Menschen besitzen nichts, sie sind einfach nur Arbeiter wie wir. Die Staatsorgane geben sich machtlos gegen die faschistischen Banden. Fest steht, dass sie teilweise an rassistischen Morden beteiligt sind (siehe NSU), wie weit das geht, weiß in Wirklichkeit niemand. Der tief verwurzelte deutsche Legalismus hindert Gewerkschafter, Antifaschisten daran, solche Schutzorganisationen überhaupt ins Auge zu fassen. Es sind wenige zersplitterte Gruppen, die revolutionäre Gewalt in diesem Fall nicht scheuen, die aber weitgehend isoliert von der Arbeiter- und demokratischen Bewegung sind.
Wir haben also einiges zu tun, um uns in Stellung zu bringen.
Kommen wir nun zur politischen Organisierung der Gegenseite.
In den Thesen zur Strategie und Taktik ist die Rede von „terroristischen – teilweise – bewaffneten Verbänden und den ‚offiziellen‘ reaktionär-faschistischen Organisationen.“
Genau hierüber gibt es unter Linken, unter Antifaschisten, unter Kommunisten Meinungsverschiedenheiten. Sehr verbreitet ist die Ansicht, dass man faschistische Parteien und terroristische, bewaffnete Banden gar nicht trennen kann, dass der Unterhalt terroristischer Banden und Bataillone unabdingbare Bedingung für eine faschistische Partei sei. Ich meine, das ist eine sehr einseitige Anschauung, die nur die Form der NSDAP als faschistische Partei gelten lässt. Nach dieser Anschauung gibt es faktisch keine faschistischen Parteien in der BRD. Aber auch so eine Partei wie der Front national in Frankreich wäre dann keine faschistische Partei. Tatsächlich geht es um was ganz anderes:
Aus historischen, aus innen- wie außenpolitischen Gründen ist es derzeit noch jeder rechten Partei in diesem Land unmöglich, selbst offen terroristische, militärische Formationen aufzubauen. Auf der anderen Seite können Faschisten nicht auf Terror verzichten. Um ihre Ziele zu erreichen, sind Worte zu wenig. Sie müssen die bürgerliche Demokratie zerbomben und zu Tode brandschatzen lassen. Für diesen Widerspruch hatte der einstige Führer der rechten Sammlungsbewegung, F.J. Strauß, eine geradezu geniale Lösung, die in seinem bekannten Ausspruch gipfelte: „Man muss sich der nationalen Kräfte bedienen, auch wenn sie noch so reaktionär sind. ... Mit Hilfstruppen darf man nicht zimperlich sein.“ „Nicht zimperlich“ hat eine doppelte Bedeutung: Zum einen lässt man den Pöbel die Drecksarbeit machen, gegen Einwanderer und Asylsuchende, gegen Linke, gegen Menschen, die Menschen bleiben wollen. Das hat eine lange Tradition. Zum Beispiel hielt die bayerische Staatsregierung jahrelang ihre schützende Hand über die Wehrsportgruppe Hoffmann, die dann 1980 den Massenmord an 12 Menschen auf dem Münchner Oktoberfest verübte. Während der Pöbel mordet und marodiert, nimmt sich die CSU der „Sorgen der Bürger“ an und sorgt als Staatspartei „für Ordnung“. Zum anderen werden faschistische Gruppierungen auch gar nicht „zimperlich“ bekämpft. Es war die CSU, die das erste (gescheiterte) Verbotsverfahren gegen die NPD im Jahr 2000 in Gang setzte. Aber auch nach einem NPD-Verbot gäbe es die Nazis, die die Drecksarbeit machen, während die CSU in ihrem Marsch gegen die bürgerliche Demokratie in aller Ruhe den Staatsapparat nutzen kann. Sie versteht es gerade mit Hilfe der angeblichen „Flüchtlingskrise“, ihre Möglichkeiten als Staatspartei zu nutzen. Den Startschuss dazu gab sie mit ihrem Entwurf zu dem – inzwischen verabschiedeten – bayerischen „Integrationsgesetz“.
Die CSU ist nach wie vor Zentrum und Schwergewicht der faschistischen Sammlungsbewegung in der BRD– auch wenn sie nach dem Tod von Strauß erstmal Federn lassen musste. Sie unterscheidet sich durch ein sehr wesentliches Merkmal von einer NSDAP in der Weimarer Republik: Sie ist als seit Jahrzehnten regierende Partei in Bayern Staatspartei, passt sich dem parlamentarischen System an, war seit der Existenz der BRD in der Mehrzahl der Jahre in Bundesregierungen vertreten – sozusagen als Ersatz-CDU in Bayern, wo es keine CDU gibt. Dadurch sollte man sich nicht täuschen lassen: CDU und CSU sind in ihrer Geschichte und ihrer Funktion sehr unterschiedlich und von heftigen Kämpfen gegeneinander gezeichnet. Die CDU ist eine konservative Partei, keine Partei der faschistischen Massenbewegungen, auch wenn sie faschistische Elemente in sich hat, und auch wenn die Ost-CDU, die sie als Beute aus der DDR-Annexion übernommen hat, ein unberechenbares reaktionäres Potenzial ist.
Durch die sogenannte Flüchtlingskrise hat die CSU ihre langdauernde Krise überwunden. Diese Krise war eingeleitet durch den Tod ihres starken Mannes Strauß 1988. Es folgte ihre schwere Niederlage 1989/90, als sie versuchte, mit ihrer Neugründung DSU in der DDR Fuß zu fassen. Ihre Schwierigkeiten mit der einverleibten DDR hielten an – die CDU bekam die Ost-CDU, die CSU bekam von der Beute des Sieges über die DDR nichts. Die CSU kam nicht gut mit dem eroberten Territorium zurecht. 2005 disqualifizierte sich Edmund Stoiber endgültig als neuer Führer der faschistischen Sammlungsbewegung vor allem durch seine Hetze und Beleidigungen gegen die gesamte Bevölkerung der DDR. Ein Peter Gauweiler, der es verstand und versteht, sich querfrontmäßig bei den DDR-Bürgern bis hin zu Genossen anzubiedern, konnte sich bislang nicht durchsetzen. Aber wie gesagt, durch die sogenannte Flüchtlingskrise hat die CSU Aufwind bekommen, sie ist wieder voll aktiv, drängt u.a. mit Leitkultur- und Gefährder-Gesetz die Republik nach rechts und sammelt wieder die reaktionärsten Kräfte.
Allerdings nicht ganz unbehelligt. Die AfD ist eine Konkurrenz für die CSU. Sie hat zwar nicht den Vorteil Staatspartei zu sein wie die CSU (Regierungspartei in Bayern seit Jahrzehnten, mitregierend in Bundesregierungen), kann aber entsprechend offener faschistisch agieren und ist bundesweit vertreten. Dies auch – was überhaupt nicht unwichtig ist – in der annektierten DDR (siehe vorhin meine Bemerkung über die besonderen Bedingungen auf diesem Gebiet). Natürlich kann die CSU die AfD auf Dauer nicht neben sich dulden. Nebenbei droht sie manchmal mit ihrer bundesweiten Ausdehnung, zurzeit hält sie das offenbar nicht für opportun. Bezüglich des Eindringens in das DDR-Gebiet zeigt sie aber bereits Aktivität – so mit der gemeinsamen Verabschiedung eines Leitkultur-Papiers mit der CDU in Sachsen, einem der reaktionärsten CDU-Verbände im DDR-Gebiet.
Woran erkennt man eigentlich, dass CSU und AfD faschistische Parteien sind?
Um dem Monopolkapital ihre Dienste anbieten zu können, müssen sie die bürgerliche Demokratie und die bürgerliche Rechtsgleichheit angreifen, sie müssen in der Lage sein, kleinbürgerliche, enttäuschte, verbitterte Massen um sich zu sammeln und aggressiv in Stellung zu bringen, sie müssen beweisen, dass sie geschworene und aggressive Feinde der Arbeiterbewegung sind, sie müssen beweisen, dass sie eine „Volksgemeinschaft“ herstellen können, die sich gegen andere Völker, notfalls gegen die ganze Welt richtet. Nationalismus, Rassismus, völkischer Rückgriff auf vorbürgerliche Gesellschaftszustände, Abstammungsmythen etc. sind das Arsenal, das sie je nach Fall zum Einsatz bringen.
Die Feindschaft zur bürgerlichen Demokratie wird heute gern verborgen, es geht darum, faschistisch zu sein, ohne als faschistisch zu gelten. Es entspricht dem typischen Pragmatismus von Faschisten, dass es zum heutigen Alltagsgeschäft gehört, ein biederes parlamentarisches Gesicht zu zeigen. Mit diesem auf die Spitze getriebenen Pragmatismus ist bei Faschisten immer zu rechnen. Die faschistische Demagogie kann alle erdenklichen Losungen und Aufrufe gebrauchen oder missbrauchen. Es ist aus diesem Grund auch verfehlt, z.B. Frauke Petry einer angeblich demokratischeren Strömung in der AfD zuzuordnen[13]. Sie verhält sich nur wie eine gute Schülerin von Josef Goebbels, der vor dem spektakulären Wahlerfolg der NSDAP 1930 seine Partei ermahnt hatte, den Antisemitismus diesmal mehr beiseite zu lassen, um bürgerliche Wähler nicht zu verschrecken. Dieser Pragmatismus ist grenzenlos, anders als z.B. der Pragmatismus der Sozialdemokratie, dem durch das Ziel der Klassenversöhnung gewisse Grenzen gesetzt sind. Faschisten müssen dagegen nur eins unter Beweis stellen: dass sie in der Lage sind, die offene, terroristische Diktatur der reaktionärsten, chauvinistischsten, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals zu errichten. Woran liegt es, dass ihre tatsächlichen Vorstöße gegen die bürgerliche Demokratie – bei der CSU sogar durch handfeste Taten – oft nicht erkannt werden? Es liegt daran, dass die Arbeiter- und demokratische Bewegung durch den ständigen Abbau der bürgerlichen Demokratie an die Wand gedrängt worden sind, dass die Sensoren für den Unterschied zwischen Recht und Willkür gar nicht mehr gut funktionieren.
Fassen wir zusammen, wie es mit dem Kräfteverhältnis zwischen Kapital und Arbeit in organisierten Bataillonen aussieht.
Auf unserer Seite sieht es schlicht gesagt katastrophal aus. Wir haben daran zu arbeiten, das zu ändern.
Und die andere Seite? Die faschistische Sammlungsbewegung hat seit der sogenannten Flüchtlingskrise einen mächtigen Schub bekommen. Fertig und wirklich zentralisiert ist sie noch nicht. Ein gesicherter Zugriff des Monopolkapitals, ein relativ risikoloser Wechsel der sozialen Hauptstütze ist in diesem Zustand der faschistischen Bewegung noch nicht möglich.
Leider können wir mit dieser Feststellung noch nicht aufatmen. Ich hatte vorhin gesagt, dass in Italien der Faschismus errichtet wurde, ohne dass schon die faschistische Bewegung die soziale Hauptstütze der Monopolbourgeoisie war. Die faschistische Bewegung war noch nicht genügend aufgebaut, noch nicht schlagkräftig genug, um diese Aufgabe zu erfüllen. Königtum und katholische Kirche waren die Faktoren, die tatkräftig dazu beitrugen, dass die italienische Arbeiterklasse überrumpelt werden konnte. Erst drei Jahre später konnte die faschistische Reserve als soziale Hauptstütze etabliert werden.
Gibt es bei uns solche Faktoren, die eine faschistische Diktatur möglich machen, ohne dass in der ersten Zeit schon die soziale Hauptstütze ausgewechselt wurde? Ich meine ja. Ein wichtiger Faktor ist die große Schwäche der Arbeiter- und demokratischen Bewegung sowie die ungeheure Wucht, mit der die Staatsgewalt – unter tatkräftiger Unterstützung der Sozialdemokratie – die bürgerliche Demokratie unterhöhlt. Es kann ein Faschismus im parlamentarischen Gewand errichtet werden, wenn der dringende Bedarf des Finanzkapitals danach vorhanden ist.
Nun zu einer weiteren Frage.
Was wir hier deutlich sehen können, ist, dass sich der 2. Weltkrieg vom 1. Weltkrieg drastisch unterschieden hat. Der 1. Weltkrieg, bei dem sich der deutsche Imperialismus hauptsächlich auf die Sozialdemokratie gestützt hat, war hauptsächlich nationalistisch geprägt. Den Arbeitern wurde in den mörderischen Schlachten vor Augen geführt, dass sie einen Bruderkrieg führen. Die Gewehre umzudrehen und die imperialistischen Kriegstreiber zu stürzen, lag nahe und wurde dann in Russland sogar vollzogen – in Deutschland hat man es wenigstens versucht. Im 2. Weltkrieg dagegen, von den Faschisten im Auftrag des deutschen Imperialismus vom Zaun gebrochen, stand das Völkische im Vordergrund. Der Krieg wurde unter dem Banner des Rassenkriegs und des Vernichtungskriegs geführt. Dazu möchte ich aus der KAZ 300 zitieren:
„Mit der Kampfansage der Faschisten an das „Weltjudentum“, das vernichtet werden sollte, war von Anbeginn an die Kampfansage an die realen Feinde des deutschen Imperialismus verbunden: an den „jüdischen Bolschewismus“, also an die Arbeiterklasse im Lande, v.a. aber an die Arbeiterklasse an der Macht in der UdSSR, deren Macht ja nicht nur gebrochen werden sollte, sondern deren Land und Reichtümer geraubt werden sollten. An das weltweite „Finanzjudentum“, also an die überlegenen imperialistischen Konkurrenten England, Frankreich und die USA, die ein für alle Mal so vernichtend geschlagen werden sollten, dass sie dem Expansionsstreben der deutschen Monopole nicht mehr im Wege stehen konnten. Jede Maßnahme, die Hitler, an die Macht gebracht, dann gegen die jüdische Bevölkerung richtete, hatte entsprechend eine doppelte Funktion: Sie dienten der Kriegsvorbereitung im Inneren des Landes und trugen gleichzeitig auch immer schon den Keim der Vernichtungskrieges gegen den äußeren Feind in sich. Welche Verbrechen gegen jüdische Menschen wann, wo und in welcher schließlich an Grausamkeit nicht mehr zu überbietenden Form durchgeführt wurden, hing dabei vom konkreten Kriegsverlauf und damit immer auch von den jeweiligen politischen Kräfteverhältnissen ab, auf die auch der faschistische deutsche Staat Rücksicht nehmen musste.“ [14]
Ein weiterer grausamer Effekt in diesem Krieg war, dass den Arbeitern, dem ganzen Volk, bewusst eine Mitschuld an den ungeheuren Verbrechen eingeimpft wurde. Es handelte sich nicht um das schlechte Gewissen normaler Menschen, wenn sie in Verbrechen einbezogen werden. Sondern die Verbrechen hatten umgekehrt die Funktion, alle zu Mitschuldigen zu machen. Warum: damit sich niemand die Niederlage der eigenen Ausbeuter wünscht, denn die Rache der Sieger würde furchtbar sein. Über diese Angst wurde auch von sehr vielen Zeitzeugen berichtet.
Auf diese Weise entstand eine furchtbare Demoralisierung der deutschen Arbeiter. Sie konnte im Osten Deutschlands noch einigermaßen durch die demokratisch-antifaschistische Umwälzung aufgefangen werden. Im Westen hatten die demokratisch-antifaschistischen Arbeiterkämpfe spätestens 1947 die entscheidende Niederlagen erlitten – der Arbeiterstolz wurde gebrochen, die Hauptverbrecher saßen wieder an den Schalthebeln von Besitz und Macht. Die kommunistische Führung ging der Arbeiterklasse in den folgenden Jahren weitgehend verloren.
Es kann durchaus der Fall eintreten, dass sich der deutsche Imperialismus, ohne schon genügend vorbereitet zu sein, zu einer kriegerischen Auseinandersetzung mit anderen imperialistischen Ländern gezwungen sieht. Dann könnte es sein, dass er sich noch nicht hauptsächlich auf eine faschistische Bewegung stützen kann. Es hört sich vielleicht sehr ungewöhnlich an, aber ich möchte es doch aussprechen: Wenn dieser Fall eintritt, und wir einen Krieg unter diesen Bedingungen nicht verhindern können, dann ist ein solcher Krieg unter sozialdemokratischer Vaterlandsverteidigung für uns immer noch günstiger als ein faschistischer, und das sind wir dann verpflichtet auszunutzen. Denn es wird unter der sozialdemokratischer Vaterlandsverteidigung immer noch leichter sein, den Krieg in den Bürgerkrieg zu verwandeln und das Monopolkapital zu stürzen. Und diesmal wird uns bei einem faschistischen Krieg keine Sowjetunion befreien, das dürfen wir auch nicht vergessen. Wir müssen also gegen den Faschismus kämpfen, um den Krieg zu verhindern, und, wenn wir den Krieg unter der Bedingung – soziale Hauptstütze ist die Sozialdemokratie – nicht verhindern können, müssen wir verhindern, dass die faschistische Reserve zur sozialen Hauptstütze der Bourgeoisie wird. Nur so können wir in diesen beiden Fällen an die proletarische Revolution herankommen.
Wie wir angesichts dieser Lage kämpfen müssen, das wäre eigentlich ein eigenes Referat zu unseren strategischen und taktischen Aufgaben angesichts der Lage. Aber einige wenige Schlussfolgerungen sind hier doch zu ziehen.
Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass die Monopolbourgeoisie so wie in den dreißiger Jahren die soziale Hauptstütze wechselt, sich beginnt hauptsächlich auf die faschistische Bewegung zu stützen.
Wir müssen uns aber auch darauf vorbereiten, dass womöglich eine faschistische Diktatur in bürgerlich-parlamentarischem Gewand errichtet wird, wobei die Sozialdemokratie vorläufig immer noch Hauptstütze der Monopolbourgeoisie bleibt.
Kurz gesagt, es ist notwendig, den antifaschistischen Kampf zu organisieren und dabei die Hauptakteure, das ist vor allem die CSU und dann auch die AfD (zurzeit jedenfalls, das kann sich auch wieder ändern) anzugreifen. Dabei muss bedacht werden, dass die Kampfbedingungen in Westdeutschland und der einverleibten DDR verschiedene sind.
In diesen Kampf müssen Sozialdemokraten, Parteilose, Arbeiter und Demokraten verschiedener Weltanschauungen einbezogen werden. Und hier besteht die Chance, dass auch solche Menschen einbezogen werden, die den Hauptfeind nicht im eigenen Land sehen, aber sich der drohenden faschistischen Gefahr entgegenstellen wollen.
Gleichzeitig muss in aller Schärfe gegen solche angeblich gegen rechts gerichteten Kämpfe vorgegangen werden, die nur den außenpolitischen Interessen des deutschen Imperialismus oder der Konkurrenz zwischen faschistischen Kräften dienen. Der proletarische Internationalismus ist auch in antifaschistischen Bündnissen eine wesentliche Richtschnur, die wir nicht aus dem Auge verlieren dürfen. Ohne uns von anderen antifaschistischen Kräften zu isolieren, muss doch die Leitlinie unseres Handelns Liebknechts Mahnung sein: Der Hauptfeind steht im eigenen Land!
Erika Wehling-Pangerl
„Da läuft´s einem eiskalt über den Rücken runter,“ dachte ich mir, als ich am Samstag, 4. November am Münchner Gewerkschaftshaus ankam.
Die Schwanthalerstraße gesperrt, Absperrgitter der Polizei, rechts ein Aufmarsch der AfD, links eine Dauerversammlung von PEGIDA, dazwischen unser Gewerkschaftshaus. Egal woher man kam, man musste durch ein Spalier von Nazis und anderen Rechten, wurde fotografiert. Dreist zeigten sie, die angeblich den kleinen Mann vertreten, wer sie sind: Feinde der arbeitenden Menschen und ihrer Organisationen, den Gewerkschaften.
Aber: Vor dem DGB-Haus eine dreitägige Schutzwache von Mitgliedern aller Gewerkschaften und eine Kundgebung am Samstag mit über 200 Menschen.
Sie stellten sich stellvertretend für die Millionen Gewerkschaftsmitglieder vor unser Haus, in dem in diesen Tagen ein Treffen junger Antifaschisten stattfand.
Sie wussten und zeigten: Die Rechten sind die Feinde der arbeitenden Menschen, sie stehen für die Interessen der Kapitalisten. hk
Quelle: > „Auf Draht“, eine Zeitung, die vor Münchner Betrieben verteilt wird. Herausgegeben von DKP München und Gruppe KAZ München
1 Das vollständige Referat ist dokumentiert unter www.gegen-den-hauptfeind.de/texte/2017/faschistische_gefahr/.
2 Lenin, Werke Bd. 24, S. 60
3 www.freiewelt.net/nachricht/mit-der-afd-kommt-die-erste-nazi-freie-partei-in-den-bundestag-10072215/
4 So begründete einmal Helmut Kohl die Reinwaschung der nachwachsenden Reaktionäre in der BRD.
5 Dies ist der Stand zum Redaktionsschluss – 24. November
6 Lenin, Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus, Vorwort zur französischen und deutschen Ausgabe, LW Bd. 22, S. 198
7 Karl Schirdewan, Ein Jahrhundert Leben. Erinnerungen und Visionen, Berlin 1998, S. 303.
8 Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD, Thesen zur Strategie und Taktik – Ein Versuch, einen strategischen Plan für die westdeutsche Revolution vorzugeben, 1980, S. 76 f.
9 www.gevestor.de/details/das-sind-die-5-umsatzstaerksten-branchen-in-deutschland-766100.html
10 KAZ 357
11 Clara Zetkin: Der Kampf gegen den Faschismus, Bericht auf dem Erweiterten Plenum des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale (20. Juni 1923), in: Ausgewählte Reden und Schriften, Bd. 2, Berlin 1960, S. 690.
12 www.nsu-tribunal.de/wir/
13 Daran ändert sich auch nichts, nachdem sich herausgestellt hat, dass Petry die AfD reingelegt hat und an einer weiteren faschistischen Partei strickt. Selbst wenn ihr Projekt durch Neuwahlen in den Gully gespült werden sollte – es wird in der faschistischen Bewegung immer die (ggf. zeitweise) „Vernünftigen“ geben, die sich eine Wirkung auf schwankende Bürger versprechen – und denen man niemals demokratische Bestrebungen andichten sollte.
14 KAZ 300, S. 14 f
Wir haben keine Sowjetunion mehr, die uns die Niederschlagung des Faschismus abnehmen könnte. Aber wenigstens eins haben wir heute: die geschichtliche Erfahrung, wie die Monopolbourgeoisie den Faschismus durchsetzen und uns in den Krieg treiben konnte. Lernen wir daraus!
GroKo in der Endlosschleife? Letztes Aufgebot der Reste der bürgerlichen Demokratie? Letzte „demokratische“ Experimente auf dem Weg zur faschistischen „Volksgemeinschaft“? Warten wir es lieber nicht ab!
Eine gute Initiative (Mai 2017). Dass aber die staatlichen Instanzen nicht als Hauptverantwortliche der grausamen NSU-Morde erkannt werden, hat mit der heutigen Schwäche der Arbeiterklasse zu tun, ihrer ideologischen und organisatorischen Entwaffnung durch rechtssozialdemokratischen Einfluss v.a. in den Gewerkschaften.
Es ist notwendig, den antifaschistischen Kampf zu organisieren und dabei die Hauptakteure, das ist vor allem die CSU und dann auch die AfD, anzugreifen. So wird auch der ständige, durch die Staatsgewalt behinderte Kampf gegen die blutrünstigen Hilfstruppen leichter.