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KAZ-Fraktion: „Ausrichtung Kommunismus”

Massenproteste gegen Macron-„Agenda“ in Frankreich

Hunderttausende gingen seit 12. September in Frankreich auf die Straße, um gegen die von Präsident Emmanuel Macron geplante „Reform“ des Arbeitsrechts zu protestieren. Zu den Aktionstagen mit hunderten Kundgebungen und tausenden Streiks hatte vor allem die Gewerkschaft CGT aufgerufen. Worum geht es dabei?

Macron soll liefern, wo seine Vorgänger Hollande und Sarkozy aus Sicht der Kapitalisten versagt haben: Die französischen Unternehmer sehen sich gegenüber der deutschen Konkurrenz im Nachteil, nachdem bei uns die Schröder-Regierung mit der „Agenda“ in den Jahren 2002 bis 2005 die Lohnkosten gesenkt hatte: Stichworte Niedriglohnsektor, kaputtreformierte Sozialversicherung. Schröder und sein Kanzleramtsminister Steinmeier konnten damals die Massenproteste bei uns deckeln, weil sie geschickt und nicht immer offen einflussreiche Gewerkschafter eingebunden hatten.

Der elitegeschulte Macron, Jahrgang 1977, wurde nach Abschluss einer Elite-Universität auf eine lukrative Stelle im Finanzministerium gehievt, wo er Leute traf, die seine politische Begabung erkannten. Die wurde ausgebildet im Institut Montaigne, einer Stiftung „für den sozialen Zusammenhalt“, initiiert vom Finanzkonzern Axa. Von dort aus durfte er, 30 Jahre alt, Erfahrung sammeln als Direktor bei der Investment-Bank Rothschild, wo er eine politische Milliarden-Fusion fingerte: Nestlé übernahm eine französische Tochter des US-Pharmagiganten Pfizer. Nestlé ist in einem Aktionärspakt dem Bettencourt-Clan (L’Oreal, Sanofi) verbunden, der seit den 30er Jahren als Spinne im Netz des französischen Finanzkapitals angesehen werden kann. Nachdem Macron so einige Millionen auf dem eigenen Konto hatte, konnte er sich näher an die politische Macht positionieren: Mit Hilfe seines Elite-Netzwerks aus Staat und Finanzoligarchie war er 2014 Wirtschaftsminister bei Hollande. Als dessen Reformpläne am Massenprotest scheiterten, zog sich Macron zurück und bot sich als „neue Kraft zwischen links und rechts“ an.

Seine Idee: Reformen und Umsetzung bei Schröder abkupfern: „Wenn ihr die Rechten (hier le Pen) verhindern wollt, müsst ihr mich wählen. Ich mache die Reformen gemeinsam mit den Gewerkschaften“. Der Trick funktionierte; jetzt sagt Macron: „Ihr habt mich gewählt, also gibt es jetzt die „Reformen‘“. Bei den Protesten heißt es dagegen: Wir haben dich gewählt, um Le Pen zu verhindern, aber nicht um das Arbeitsrecht zu zerschlagen.

In Frankreich gibt es keine Einheitsgewerkschaft. Gegen die traditionelle CGT wurde die pseudolinke FO aufgebaut, die die CGT mal links, mal rechts überholt. Daneben gibt es die früher eher christliche, heute der rechten Sozialdemokratie (PS) nahestehende CFDT und eine Reihe kleinerer Gewerkschaften. Großer Nachteil: Man wird gegeneinander ausgespielt. Kleiner Vorteil: Die Kapitalisten bekommen die Proteste über die rechten Sozialdemokraten nicht so leicht „in den Griff“.

Hollande scheiterte, weil er nur die CFDT-Führung aus der Gewerkschaftsfront herausbrechen konnte. Am 12. September zeigte sich, dass Macron auch mit der Spitze der FO verhandelt hatte, nicht zu den Protesten aufzurufen. Dem folgten aber viele lokale FO-Leitungen nicht. Das „Gesicht des Protests“ ist der CGT- Vorsitzende Philippe Martinez. Gegen ihn konzentriert sich die Propaganda des Unternehmerverbands Medef. Der Chef des deutschen Unternehmerverbands BDA, Ingo Kramer, wünscht Macron Erfolg, um dann, nach der Wahl, bei uns „überfällige Reformprojekte anzupacken“. (Handelsblatt 13.9.17)

Das zeigt die praktische Seite unserer Solidarität mit dem Protest in Frankreich: Ein Scheitern von Macrons „Reformen“ wäre ein erster Schritt, um die geplanten neuen Angriffe der deutschen Kapitalistenklasse abzuwehren.

Stephan Müller

Agenda 2010: Hintergrund

Offensive des Kapitals – bis heute nicht gestoppt

Die deutschen Kapitalisten hatten seit den 70er Jahren in der BRD den Abbau der Sozialgesetze gefordert, die die Arbeiterklasse sich in den Nachkriegsjahren erstritten hatte. Nach der Einverleibung der DDR ging es um die Hegemonie in Europa, die ihnen ihre französischen Konkurrenten nicht überlassen wollten. Die Profitschraube sollte jetzt ohne Rücksicht auf die DDR-Alternative angezogen werden. Als Kohl das nicht schaffte, wurde Schröder zum Medienstar gemacht und gewann schließlich die Wahl 1998. Ihm und seinem Kanzleramtsminister Steinmeier gelang es mit der ständigen Unterstützung der Bertelsmann Stiftung, die „Reform“-Agenda 2010 aufzusetzen. Durch die Gesetze Hartz 1 bis 4, die 2002 bis 2004 von der SPD/Grüne-Koalition verabschiedet wurden, wurden die Leiharbeit und der Niedriglohnsektor insgesamt entfesselt. Die Massenproteste dagegen deckelten Schröder und Steinmeier im „Dialog“ mit den großen DGB-Gewerkschaften: Beispiele: Die Nr. 2 in der IG Metall, Walter Riester, wurde Arbeitsminister, die Zuständige für Sozialversicherung bei verdi, Isolde Kunkel-Weber, wurde in die Hartz-Kommission berufen. Die Gründung der WASG, die später in der PdL aufging, durch aufrechte Gewerkschafter wie Klaus Ernst oder Bernd Riexinger nahm man in Kauf. Zur Schwächung der gewerkschaftlichen Durchsetzungskraft durch die Konkurrenz des Niedriglohnsektors kam die Aushöhlung der Arbeitslosenversicherung, der Altersrente und der Krankenversicherung. Nur im Zusammenwirken von Sozialabbau und dem dadurch erzeugten Druck auf die Lohnkämpfe sind die niedrigen Zuwächse der Gesamtlohnkosten seit 2002 zu verstehen. Die Massenkaufkraft wurde so eingeschränkt, aber der Export stieg auf Rekordhöhe. Spätestens seit der EU-Krise 2010 geben nun die profitstarken deutschen Finanzoligarchen in der EU den Ton an.

Stephan Müller

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