KAZ-Fraktion: „Ausrichtung Kommunismus”
Im „Handelsblatt“ kann man gelegentlich Erstaunliches lesen, etwa am 3. August 2020:
„Pompeo und Dienstherr Donald Trump jedenfalls scheinen derzeit in jeder chinesischen Tech-Firma einen Datenstaubsauger im Dienst der Kommunistischen Partei zu sehen: Peking könnte mit den gewonnenen Informationen Amerikaner erpressen. So kommt es, dass Pompeo in den USA konkrete Aktionen nicht nur gegen die populäre Videoplattform Tiktok, sondern auch gegen WeChat und andere chinesische Apps ankündigt.
Diese Kalte-Krieg-Debatte führt zwangsläufig zur Frage, was aus den Daten wird, die Deutsche treuherzig an die in den USA stehenden Server von Google, Facebook, Apple, Amazon und Microsoft liefern. Die klaren Kommentare hierzu kommen von Paul-Bernhard Kallen, Chef des Medienhauses Hubert Burda. Er fordert im Handelsblatt-Interview „digitale Souveränität“ in Europa und den Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur. Die Lage sei aber wegen der außenpolitischen Implikationen verzwickt – Trump schalte sich ja schon bei der Frage ein, ob wir digitale Konzerne besteuern dürften.“
Der Chef des deutschen Verdummungs-Großkonzerns Burda, Paul-Bernhard Kallen, wird zitiert: „Amerika tut gerade sehr viel dafür, dass Europa eine digitale Kolonie bleibt,“
Und das „Handelsblatt“ (HB) fügt hinzu: „Anders formuliert: Es ist doch die Frage, von welchem „Frankenstein“ wir uns zuerst befreien müssen.“ (Hervorhebungen: HB)
Die junge Welt, tägliche Pflichtlektüre für aufgeklärte und der Sache der Arbeiterklasse verpflichtete Leute, schreibt im Aufmacher am gleichen Tag:!
„Deutsche und französische Rüstungskonzerne wollen auf amerikanische Technologie verzichten. EU strebt ‚strategische Autonomie‘ von den USA an“. Und weiter:
„Rüstungskonzerne aus der EU bemühen sich bei der Herstellung ihrer Waffen verstärkt um einen kompletten Verzicht auf US-Technologie. Dies berichtete die Welt am Sonntag. So sollen neben dem künftigen Sturmgewehr der Bundeswehr unter anderem Hubschrauber sowie der deutsch-französische Kampfjet (Future Combat Air System, FCAS), der um 2040 einsatzfähig sein soll, vollständig ohne US-Bauteile konstruiert werden. Man wolle ‚in Europa eigene Fähigkeiten entwickeln und aufbauen‘, wird Airbus-Rüstungsvorstand Dirk Hoke zitiert. … Zu den Vorteilen solcher Produkte zähle auch, ‚dass die Daten aus dem Betrieb in Europa bleiben und nicht in die Hände von außereuropäischen Ländern wandern‘, zitierte Welt am Sonntag gestern einen Manager des französischen Rüstungskonzerns Safran.“
Das Thema „Digitale Souveränität“ ist also nicht nur von großer Aktualität, sondern es stellt sich auch die Frage, wie sich die Linke, die Arbeiterbewegung in der BRD zu solchen Ablösungsprozessen vom US-Imperialismus, zu mehr Souveränität für die BRD bzw. EU-Europa stellt. Die Auseinandersetzung mit dieser Frage ist auch notwendig, um eine materialistische Bewertung zu erarbeiten zur weiteren Entwicklung der internationalen Kräfteverhältnisse in der Frage von Krieg und Frieden, der imperialistischen Widersprüche zwischen den USA und vor allem der BRD geführten EU, der Widersprüche zwischen dem deutschen und französischen Imperialismus um die Hegemonie in der EU und schließlich die Widersprüche zwischen dem imperialistischen Lager und dem sozialistischen China mit seinem Verbündeten Russland..
Wir wollen das Thema gründlich behandeln nach folgendem Konzept:
1. „Digital“: Begriff, Ergebnisse der bisherigen Arbeiten zu Digitalisierung/Industrie 4.0
2. „Souveränität“ im Imperialismus (nicht Freiheit, sondern Herrschaft!) – Wozu? Autarkie als Kampfansage gegen internationale Arbeitsteilung und Kriegsvorbereitung
3. Die aufgeteilte Welt: Aufteilung/Privatisierung des Himmels und der Erde/Rohstoffe (Grundrente) – Wem die Produktionsmittel gehören, der beherrscht die Produktion, dem gehört Information und Kommunikation, der beherrscht die Lebensgrundlagen der Welt – Wem gehört was (Himmel und Erde)? Wer vergibt welche Rechte/Lizenzen?
4. Komponenten der Digitalisierung: Hardware, Betriebs- und Anwendungssoftware,– Kommunikationswege (Leitungen, Funk, Satelliten …), Daten, Datenverwertung, Medien – Infrastruktur, Standards und Regeln z.B. im Internet, GPS etc., Rohstoffe (Coltan, Seltene Erden …) – Zugänge
5. Die wichtigsten Konzerne: Google, Amazon, Facebook, Apple, IBM, Microsoft – SAP, Siemens – Huawei, Ali Baba u.a.
6. Krieg um die Neuaufteilung der Welt: Die zentralen strategischen Positionen – Die militärische Frage
7. Theoretische Fragen: Plattformökonomie und Mehrwert – Produktiv- und Destruktivkraftentwicklung
1.1. Was verstehen wir unter „Digitalisierung?“
Das von bürgerlichen Kreisen als Standardwerk angesehene „Gabler Wirtschaftslexikon“ schreibt[1]:
„Allgemein: Der Begriff der Digitalisierung hat mehrere Bedeutungen. Er kann die digitale Umwandlung und Darstellung bzw. Durchführung von Information und Kommunikation oder die digitale Modifikation von Instrumenten, Geräten und Fahrzeugen ebenso meinen wie die digitale Revolution, die auch als dritte Revolution bekannt ist, bzw. die digitale Wende. Im letzteren Kontext, der im vorliegenden Beitrag behandelt wird, werden nicht zuletzt «Informationszeitalter» und «Computerisierung» genannt. Während im 20. Jahrhundert die Informationstechnologie (IT) vor allem der Automatisierung und Optimierung diente, Privathaushalt und Arbeitsplatz modernisiert, Computernetze geschaffen und Softwareprodukte wie Office-Programme und Enterprise-Resource-Planning-Systeme eingeführt wurden, stehen seit Anfang des 21. Jahrhunderts disruptive Technologien[2] und innovative Geschäftsmodelle sowie Autonomisierung, Flexibilisierung und Individualisierung in der Digitalisierung im Vordergrund. Diese hat eine neue Richtung genommen und mündet in die vierte industrielle Revolution, die wiederum mit dem Begriff der Industrie 4.0 (auch «Enterprise 4.0») verbunden wird.“
1.2. Der Kern der Sache
Den wirklichen Kern der mit „Digitalisierung“ bezeichneten Entwicklung erfasst diese Definition nicht. Im Lauf der letzten Jahre haben wir uns mit der Einordnung der Entwicklung der Produktivkräfte im Rahmen der Arbeitsgruppe „Krise“ der KAZ beschäftigt und unsere Ergebnisse zur Diskussion gestellt, beginnend mit KAZ 356 im Juni 2016. Im Folgenden stellen wir einige zentrale Ergebnisse nochmal dar.
Arbeit, nach Marx „ein Prozess, worin der Mensch seinen Stoffwechsel mit der Natur durch seine eigene Tat vermittelt regelt und kontrolliert“ (Karl Marx, Das Kapital, Band 1, MEW 23, S. 192), wird durch die Digitalisierung neu bestimmt. Die Linie ist zu ziehen von der Produktivkraftsteigerung durch Arbeitsteilung und Kooperation, durch Zerlegung von Arbeitsschritten in der Manufaktur über die Maschine und die „großen Industrie“, die Taktstraße sowie der elektronischen Maschinensteuerung bis hin zur digitalen Steuerung des gesamtem Produktions- und Verteilungsablaufs von der Rohstoffgewinnung zum Konsumenten. Die Trennung von Hand- und Kopfarbeit wird auf eine neue Stufe gehoben durch die Zerlegung bisheriger Betriebsleitungs- und technischer Entwicklungsschritte, die dadurch zunehmend automatisierbar und industrialisierbar werden.
Worum es tatsächlich geht, möchten wir in Anlehnung an Marx als die Emanzipation der Werkzeuge von der Virtuosität des Kopfarbeiters bezeichnen. Marx stellt im „Kapital“ Bd. 1, im 12. Kapitel, Teilung der Arbeit und Manufaktur dar, wie mit der Manufaktur das Detailgeschick des Handarbeiters, „die Virtuosität des Detailarbeiters“ (S. 359), entwickelt wurde. Im 13. Kapitel, Maschinerie und große Industrie zeigt er: Diese Virtuosität wird durch die Werkzeugmaschine, generell durch die Maschinerie, im Zuge der Entwicklung der „Großen Industrie“ überflüssig gemacht. „Mit dem Arbeitswerkzeug geht auch die Virtuosität in seiner Führung vom Arbeiter auf die Maschine über. Die Leistungsfähigkeit des Werkzeugs ist emanzipiert von den persönlichen Schranken menschlicher Arbeitskraft.“ (S. 442) Das bedeutet für heute, dass vor allem Kopfarbeiter von dem „Digitalisierung“ genannten Prozess betroffen sind und ihr Detailgeschick, ihre Virtuosität nicht nur bei einfachen Verwaltungs- und Entwicklungsaufgaben, sondern auch beim Disponieren, Organisieren, Planen und Forschen und Entwickeln verüberflüssigt werden bis hin zur Digitalisierung und Automatisierung, der „Industrialisierung“ der Softwareentwicklung selbst. Diese Entwicklung macht auch dem Ruf des Kapitalismus als dem großen Gleichmacher alle Ehre. Mit dem Gleichmachen des Hand- und Kopfarbeiters entfallen auch die Grundlagen für die relative Besserstellung von vielen Büroangestellten, die zunehmend proletarisiert werden. Damit werden sie einerseits integraler Bestandteil der Arbeiterklasse; andererseits ist hinlänglich bekannt, dass Schichten, die ins Proletariat fallen, anfällig sind, ihre überholten Privilegien verteidigen und sich umso stärker vom Proletariat abgrenzen wollen, obwohl sie längst dazu gehören. Eine Tendenz, die die Faschisten stets zu nutzen versuchen. Neben dieser Wirkung wird die Digitalisierung, jedenfalls solange das Kapital die Entwicklung diktiert, zu stark wachsender Erwerbslosigkeit führen. Die ist allerdings auch der Vorbote der Zukunft, in der disponible Zeit, verfügbar für die Gesellschaft, geschaffen wird, die sie unter sozialistischen Verhältnissen wahrlich besser verwenden kann als durch Brachlegen einer wachsenden Zahl von Arbeitsfähigen und durch Setzen auf Hungerration. Es ist auch der Vorbote, dass der Gegensatz von Hand- und Kopfarbeit aufgehoben wird. Nicht wie im Kapitalismus durch die Gleichstellung des Kopf- mit dem Handarbeiter im Nichtarbeiten, im Müßiggang der Erwerbslosigkeit, sondern durch Gewinnung von Zeit für die Lösung der Menschheitsaufgaben, der Klima- und Energiefrage, von Gesundheit und Bildung usw. Das sind doch im Kapitalismus bestenfalls leidige Nebenaufgaben, die üblicherweise mit Kosten verbunden sind und den Mehrwert schmälern. Der Sozialismus wird – einmal auf seinen eigenen Grundlagen entwickelt und nicht mehr von der Konterrevolution bedroht, nicht mehr unter dem Zwang stehend, mit dem Kapitalismus mithalten, sich verteidigen zu müssen – die gewonnene Zeit zur Heranbildung von ganzen Menschen nutzen, die im Kollektiv ihre Individualität entwickeln, fern vom Zwang als Arbeitskraft zur Ausbeutung, zur Bereicherung Weniger abgerichtet zu werden, auf die der Kapitalismus die arbeitenden Individuen reduziert.[3]
Nicht nur einfache Arbeiter und Angestellte, auch Techniker, Ingenieure und Betriebsorganisatoren und -leiter werden den Arbeitsabläufen unterworfen, die vom Rechner bzw. seiner Software vorgeben sind.
Die elektronische Datenverarbeitung, in den 1940er Jahren entwickelt, durchdringt das gesamte Wirtschaftsleben und alle Bereiche der Reproduktion. Sie bestimmt die Produktivkraftentwicklung in praktisch allen Bereichen der Konsum- wie Investitionsgüterwirtschaft, auch außerhalb der Elektronik und der Informations- und Telekommunikationstechnik. Das gilt in der Chemie und im gesamten Maschinenbau, in der industriellen Produktion wie in der Landwirtschaft, in Standortentwicklung und im Transport-, Verkehrs- und Nachrichtenwesen, ebenso wie für Forschung und Ausbildung.
1.3. Die nächsten Schritte:
Die unmittelbare Steuerung von physischen Systemen untereinander, d.h. Maschinen, Verkehrsmitteln oder Konsumgütern, wird häufig als der technische Kern des gegenwärtigen Produktivkraftschubs angesehen. Voraussetzung dafür ist eine Infrastruktur für den industriellen Datenraum, für die der Mobilfunkstandard der 5. Generation (5G) geschaffen wird.
Die zentrale Frage zum Charakter der gegenwärtigen Produktivkraftentwicklung scheint zu sein: Ist die Vernetzung der bereits digital gesteuerten Dinge „nur“ eine Erweiterung der bestehenden Technik oder ist die digitale Infrastruktur bereits Grundlage einer neuen Stufe der Entwicklung, von der aus „systemisch“ alle wesentlichen weiteren Entwicklungen ausgehen? Die Bedeutung dieser zunächst sehr abstrakt klingenden Frage kann man absehen, wenn man sich die Folgen der industriellen Revolution im Ganzen und in ihren Abschnitten (die oft ebenfalls als industrielle Revolutionen bezeichnet werden) ansieht, besonders im Übergang in den Imperialismus um 1900. Die aktuelle Durchsetzung der bestehenden Datentechnik geht dabei weiter. Mit einem Umschlag von Quantität zu Qualität, einer schubweisen Durchsetzung von Produktivkraftentwicklung ist zu rechnen, sobald die Infrastruktur geschaffen ist.
1.4. Konkurrenz und Banken:
Der Sprecher der Leitkonzerne der Digitalisierung in Deutschland, Henning Kagermann (bis 2009 Chef von SAP), sprach auf der Hannover Messe 2016 unverblümt aus, dass es bei ‚Industrie 4.0‘ auch um die Unterordnung der ‚mittelständischen‘, d.h. nicht-monopolistischen Industrie unter die Leitkonzerne geht. Die Frage, wer die Datenhoheit z.B. über die von einem mit Sensoren bestückten Auto hat, sei eine Machtfrage.
Der hohe Kapitalbedarf der Digitalökonomie hat zu tun mit den dort starken Skalenerträgen, d.h. hohe Fixkosten für Softwareentwicklung und stark mit dem Umfang der hergestellten Menge sinkende Stückkosten. So entscheidet sich die Profitabilität einer Gründung erst, wenn sie zumindest zeitweise eine Monopolstellung erringt. Bis dahin muss ohne Profit, wegen des Rennens um die Monopolstellung aber schnell und viel investiert werden. Bei Erfolg gibt es hohe Extraprofite. So genannte Start-ups werden deshalb im Dutzend finanziert, um mit dem Erfolg eines Überlebenden den Verlust von zehn Flops auszugleichen. Durch diese verstärkt ungleiche Entwicklung ändert sich die Struktur der Großbankwirtschaft und ihre Verbindung zur Industrie, damit also die Struktur der Finanzoligarchie. So ziehen z.B. Bosch und Siemens eigene Start-ups hoch und übernehmen damit weitere Bankfunktionen.
1.5. Wirkungen auf die Arbeiterklasse und Zwischenschichten
Die Digitalisierung bestimmt die neue Art der Arbeitsteilung, die auf der logischen Zerlegung (Digitalisierung) von Arbeitsschritten beruht, auch von Tätigkeiten, die bisher der Steuerungs-, Entwicklungs- und Leitungsarbeit vorbehalten waren. Schlagworte dazu sind Crowdsourcing – Teilarbeiten werden im Netz ausgeschrieben – und Cloudworking – Arbeitsgruppen werden im Netz gebildet, möglicherweise ohne sich jemals im gleichen Zimmer zu treffen. Konkret zu untersuchen ist, welche Arbeitsplätze sich im laufenden Prozess der Digitalisierung wie verändern, welche wegfallen und welche neu entstehen und wo. Dabei muss die Zusammenarbeit für die kleinteilig zerlegten ‚Tasks‘ örtlich, zeitlich und inhaltlich nicht zusammenhängen[4]. Es ist aber weiter das Kapital, welches das Proletariat ‚an sich‘ organisiert, schult und diszipliniert[5], am Bildschirm wie in der Fabrikhalle. Das Industrieproletariat, der Kern der Arbeiterklasse, verändert sich auch in Deutschland. Ausbildung, Arbeit und Arbeitsorganisation haben sich für viele schon geändert. Die Zahl der direkt vom Großkapital organisierten Beschäftigten in der monopolistischen Abhängigkeitskette nimmt zu.
In der Technik der Digitalisierung ist auf der einen Seite die inhaltliche und örtliche Zerlegung der Arbeitsschritte angelegt und dadurch eine Tendenz zur Zersplitterung der Arbeiterklasse. Andererseits bringt die Digitalisierung Vernetzung auch für die in ihr Arbeitenden und dadurch die Tendenz zum Zusammenschluss. Ohne die Herstellung der internationalen Arbeitereinheit in unseren Gewerkschaften kann die seit den 80er Jahren anhaltende Tendenz zur Zersplitterung der Arbeiterklasse nicht aufgehalten werden.
Die alten Zwischenschichten, Händler, Handwerker und selbständige Akademiker werden durch die Digitalökonomie weiter reduziert, verschwinden oder werden – als ‚Freelancer‘, Scheinselbstständige, – Teil einer monopolistischen Abhängigkeitskette. Das gilt auch für die Landwirtschaft. Dieser Vorgang der objektiven Proletarisierungstendenz ist in seiner ersten Welle im 19. Jahrhundert, in seiner zweiten Welle im 20. Jahrhundert mit den entsprechenden Phasen der industriellen Revolution bekannt, muss aber den heutigen konkreten Zusammenhängen und Quantitäten entsprechend begriffen werden. Dazu kommt, dass die neueren Zwischenschichten des 20. Jahrhunderts, die in größerem Umfang bei der Trennung von Eigentum und Betriebsleitung im Imperialismus entstanden sind, Ingenieure (Entwicklungsfunktionen) und Manager aller Art (Leitungs- und Organisationsfunktionen), durch die Digitalisierung zunehmend dequalifiziert und überflüssig gemacht werden. Mit der neuen Betriebsweise entstehen aber auch neue Entwicklungs- und Leitungsfunktionen und damit auch neue privilegierte Schichten.
Zu sehen ist bereits, dass die erwähnten neu entstehenden „Digitalzwischenschichten“ hochqualifizierter Entwickler und Manager von der sozial- und demokratiefeindlichen Ideologie der Digitalmonopole wie Google, Facebook oder Amazon beeinflusst werden[6]. Der Ausleseprozess der Start-ups der Digitalökonomie, ein Überlebender auf Zehn oder Zwanzig, erhält Vorbildcharakter im Sinn des Sozialdarwinismus. Damit können Verteidiger der von der Arbeiterklasse erkämpften sozialen und politischen Rechte als „Verlierertypen“ ausgegrenzt werden.
1.6. Politische Folgen:
Regierungsprojekte wie ‚Industrie 4.0.‘oder Gaia X sind ausdrücklich dazu da, zu verhindern, dass die in Produktionstechnik führende deutsche Industrie zur Werkbank, zum ‚Foxconn‘ der US-Industrie wird. Der Vorsprung in der Technologie der elektronischen Maschinensteuerung (Siemens) und Verwaltungsautomatisierung (SAP) soll gehalten und ausgebaut werden. Der deutsche EU-Digitalkommissar Oettinger setzte die ‚Digitalunion‘ auf die Tagesordnung der EU, von der Leyen und Breton setzen klare Prioritäten um eine von den USA unabhängige Netz-Infrastruktur unter deutscher Führung im Bündnis mit dem französischen Imperialismus durchzusetzen.
Datenhoheit ist eine Machtfrage, Machtfragen sind Fragen letztlich der militärischen Stärke, zunächst des militärischen Potentials. Die NSA-Diskussion hat gezeigt, dass hierbei die Digitalisierung eine wesentliche Rolle spielt. Thierry Breton, heute Industrie- Weltraum und Rüstungskommissar der EU unter von der Leyen ist der ‚Patron‘ der französischen digitalen Rüstungsindustrie. Nach der Trennung der Cybersparte von Airbus findet in Deutschland auch in dieser Richtung ein Umbau der Rüstungsindustrie statt im Zusammenhang mit der Entwicklung des Kräfteverhältnisses zwischen den Großmächten (NATO/EU-Armee). Dabei ist die für einen dritten Anlauf zur Weltmacht diesmal besser verdeckte Aggressivität des deutschen Imperialismus und seine hohe Organisation in Verbänden und anderen Machtzirkeln zu berücksichtigen. [7]
1.7 Die treibenden Figuren im deutschen Monopolkapital
Die hohen Gewinne der exportorientierten Konzerne schlugen sich in der Marktbereinigung nach den zyklischen Krisen um 2002 und 2008 weniger unmittelbar in neuen Produktionsanlagen nieder als in Investitionen zur Entwicklung einer neuen Betriebsweise[8] in Produktionstechnik und Verwaltung, im Rahmen der ‚Digitalisierung‘. Begünstigt durch staatsmonopolistische Eingriffe im militärischen Bereich hat der US-Imperialismus hier seit den 1940er Jahren einen Entwicklungsvorsprung, den er in seiner hegemonialen Stellung nach 1945 ausbauen konnte. Inzwischen ist auch der deutschen Finanzoligarchie klar, dass die Entwicklung der Internet-Plattformökonomie noch stärker auf Weltmarktbeherrschung ausgerichtet ist als die Entwicklung der Großserienproduktion der Ära des Fordismus/Taylorismus im 20. Jahrhundert. In der BRD entsteht ein staatsmonopolistisches Netzwerk von Wissenschaft, Staat und Konzernen rund um die neuen Leitkonzerne Siemens und SAP. Davon kann man einen Eindruck bekommen in den Projekten der ‚acatech‘, das ist der Kurzname für die ‚Deutsche Akademie für Technikwissenschaften‘. Die Spannweite geht von der Künstlichen Intelligenz (KI) über die ‚Industrie 4.0‘, Cybersecurity, Blockchain bis zur Mobilität über alle strategischen Bereiche der Wirtschaftsentwicklung. Die acatech wurde 2002 unter dem Vorsitz von Joachim Milberg, der bis dahin Chef von BMW war, gegründet. 2009 übernahm bis 2018 Henning Kagermann, der Vertrauensmann des SAP-Oligarchen Hasso Plattner. Seitdem ist der acatech-Vorsitz etwas breiter aufgestellt mit zwei Ko-Präsidenten: Karl-Heinz Streibich war Chef der Software AG, vorher bei debis/Daimler, ist Multi Aufsichtsrat u.a. bei der Deutschen Telekom und Siemens Healthineers, außerdem im Präsidium des IT-Unternehmerverbands BITKOM und in vielen anderen Ämtern, die ihn als ‚Versteher‘ der Interessen des Monopolkapitals und seiner Bedürfnisse gegenüber Staat, Wissenschaft und auch den nichtmonopolistischen Kapitalgruppen ausweisen. Streibichs Ko-Präsident Diether Spath kommt von der Fraunhofer-Gesellschaft, die von Staats wegen Wissenschaft und Kapital verbindet. Kagermann sitzt nun dem Kuratorium vor, das für die strategische und personelle Ausrichtung der acatech sorgt, ein musterhaftes Netzwerk des staatsmonopolistischen Kapitalismus. Dort findet sich Stefan Quandt, der seinen Angestellten Milberg motivierte, Gründungspräsident zu werden, neben seinem BMW-Entwicklungsvorstand Fröhlich. Multiaufsichtsrätin Köcher vom Meinungsmache-Institut Allensbach trifft Bosch-Kontrolleur Dais, Kley kennt Kreimeyer vom Chemieverband und so weiter ...[9]
Der Streit um Huawei hat deutlich gemacht, dass die VR China den Plan, bis 2025 eine technologisch führende Nation zu werden, umsetzt. Die USA wollen das verhindern. Dabei werden auch die widersprüchlichen Kräfte im deutschen Imperialismus deutlich. Im Januar 2020 hatte sich, wohl auf Druck der USA, im BDI eine chinafeindliche Linie gezeigt. Inzwischen wird diese Linie korrigiert. Siemens-Käser hat nun den Vorsitz im Asien-Pazifik-Ausschuss der deutschen Wirtschaft übernommen und zusammen mit Allianz-Bäte und BMW-Zipse, BASF-Brudermüller, sowie BDI-Kempf und Merkel China besucht. Am Montag darauf, es war der 14. Oktober 2020, wurde dann gemeldet, dass Merkel verfügt hat, trotz der USA-Bedenken Huawei nicht vom Aufbau des 5G-Netzes auszuschließen. Das wurde, nicht überraschend, aus den USA und von US-inspirierten Kräften in Deutschland heftig kritisiert. In einem Interview sprang am 26. Oktober 2020 Karl-Heinz Streibich, der oben erwähnte Ko-Präsident der acatech, seiner Regierung zur Seite. Ein Ausschluss von Huawei würde Abhängigkeit von den USA bedeuten: ‚Allein die Möglichkeit des ausländischen Zugriffs ist ein Grund, nach Datensouveränität zu fragen‘, stellte er fest und bezog sich dabei auf Microsoft und die Tatsache, dass Microsoft dem US-Cloud-Act unterliegt, dem US-Gesetz, das regelt, wann amerikanische Behörden auch auf Daten zugreifen können, die außerhalb des Landes gespeichert sind. Im Januar 2021 hat Merkel in ihrer Rede zum ‚Davoser‘ Weltwirtschaftsgipfel wieder eine Blockbildung mit den USA gegen China abgelehnt.
Ökonomische, politische und militärische Souveränität: Wer soll bezahlen? Wer profitieren?
Wir sind damit bereits bei den Angriffen gegen die Arbeiterklasse und die lohnabhängigen Schichten. Die Durchsetzung der wissenschaftlich-technischen Seite jeder Stufe der kapitalistischen Industrialisierung, ausgerichtet auf die Steigerung des relativen Mehrwerts, ist immer verbunden mit Arbeitslosigkeit und damit dem Hebel zur Steigerung des absoluten Mehrwerts, Verlängerung des Arbeitstags und politischer Entrechtung. Der Drang des akkumulierenden Kapitals nach Expansion der Märkte potenziert sich mit der neuen Stufenleiter der Produktivkräfte. Im Imperialismus, dem Kapitalismus der Finanzoligarchien in einer Welt, die unter Großmächte aufgeteilt ist, mit aufstrebenden Ländern wie Russland und die VR China, die um Unabhängigkeit und Sozialismus kämpfen, konkretisiert sich der Expansionsdrang: Für die im Rennen um die Märkte zu kurz und zu spät gekommenen Finanzoligarchen bleibt die Option von Krieg und Faschismus.
Die Angriffe kommen aktuell im Gewand der sogenannten ‚digitalen Transformation‘. Hauptinhalt ist der Angriff auf das Normalarbeitsverhältnis, Festanstellung im Tarif, kurz die Rücknahme der Zugeständnisse, die der deutsche Imperialismus nach 1945 machen musste. Zu erwarten ist, dass sich eine neue Offensive des Kapitals mit der zyklischen Krise entwickelt, die ähnlich wie die Agenda-Offensive aufgestellt wird, diese aber in den Schatten stellt. Damals hieß die Generalbegründung für die Agenda – ‚Reformen‘, man müsse sich den unausweichlichen Folgen der imperialistischen ‚Globalisierung‘ anpassen. Mit Hartz-Methoden wurde die Arbeiterklasse gespalten, um den Aufstand der ‚Globalisierungs-Verlierer‘ zu vermeiden, um sie dann als ‚Hartzer‘ erniedrigen zu können. ‚Digitalisierung‘ wird heute die neue Stufe der industriellen Revolution genannt, deren Struktur und Klassencharakter ebenso wenig hinterfragt werden soll wie zu Zeiten Marx‘, des mechanischen Webstuhls und der Dampfmaschine, oder zu Zeiten Lenins, der Elektrifizierung und des Fließbands.[10]
Soweit der Stand zur Digitalisierung, wie wir ihn bis 2020 erarbeitet hatten.
Klären wir nun den Begriff „Souveränität“.
Die in Schulen maßgebliche „Bundeszentrale für politische Bildung“ – stets ohne Klassenaspekte – meint: „Souveräne Staaten können frei und unabhängig über die Art der Regierung, das Rechtssystem und die Gesellschaftsordnung innerhalb ihres Staatsgebietes bestimmen (innere Souveränität). Das Völkerrecht postuliert die Unabhängigkeit und Gleichheit aller Staaten in den internationalen Beziehungen (äußere Souveränität). Staaten können sich durch völkerrechtliche Verträge zusammenschließen, indem sie Hoheitsrechte auf supranationale Organisationen (z.B. die Europäische Union) übertragen.“[11]
Zum gleichen Stichwort schreibt dagegen „Kleines Politisches Wörterbuch“ aus der DDR:
„1. Staatliche Souveränität: unabdingbare Eigenschaft eines Staates als Völkerrechtssubjekt, die in der ausschließlichen obersten Hoheitsgewalt jedes Staates auf seinem Territorium und über dieses, in seinem Recht auf freie, unabhängige Entscheidung über die Gestaltung seiner Gesellschafts- und Staatsordnung, seines Verfassungs- und Rechtssystems sowie über seine gesamte Innen-, Außen-, Wirtschafts-, Sozial- und Kulturpolitik besteht. Da die S. eine unveräußerliche Eigenschaft jedes States ist, schließt ihre Ausübung für jeden Staat die Achtung der S. jedes anderen Staates in sich ein; sie setzt daher die strikte Achtung der Prinzipien und Normen des Völkerrechts voraus. Die staatliche S. bildete sich als politisches und völkerrechtliches Prinzip ausgangs des Feudalismus mit der Entstehung zentralisierter, absolutistischer Staaten heraus. Die S. zunächst als Eigenschaft des Monarchen aufgefasst, wurde später von den Ideologen der jungen Bourgeoisie als Eigenschaft des (bürgerlichen) Staates formuliert. Als staatliche S. hat die S. immer einen konkreten Klasseninhalt, der sich aus den Machtverhältnissen in dem jeweiligen Staat ergibt. Die S. eines kapitalistischen Staates kann ihrem Inhalt nach immer nur die S. der Bourgeoisie sein. Die S. eines sozialistischen Staates ist ihrem Klassenwesen nach die S. der Arbeiterklasse und der mit ihr verbündeten Klassen und Schichten. Aus diesem unterschiedlichen Klasseninhalt der staatlichen S. ergeben sich prinzipielle Unterschiede hinsichtlich der Zielrichtung, der Formen und Methoden der Ausübung der S. durch bürgerliche bzw. imperialistische Staaten einerseits und sozialistischen Staaten andererseits, die ihren Ausdruck in der gesamten Innen- und Außenpolitik dieser Staaten finden. Insbesondere wird der Inhalt der S. sozialistischer Staaten durch den internationalistischen Charakter der Diktatur des Proletariats bestimmt, ihrer Ausübung liegt das Prinzip des sozialistischen Internationalismus ( proletarischer Internationalismus) zugrunde.“[12]
Daraus können wir für unsere Überlegungen festhalten: Da die BRD ein kapitalistisches und imperialistisches Land und die EU eine Agentur der imperialistischen Mächte (inzwischen ohne den britischen Imperialismus) Europas ist, geht es beim Schlachtruf „Digitale Souveränität“ darum, die Völker der europäischen Staaten einzuschwören, um für mehr Souveränität der europäischen Bourgeoisie, genauer gesagt, der europäischen Finanzoligarchie zu sorgen. Dass dabei der deutsche Imperialismus bei seinem dritten Anlauf zur Weltmacht dies nutzen wird, um seine Souveränität über die kleineren Staaten im EU-Machtbereich zu befestigen, um sie zu dominieren, steht zu erwarten. Deren Souveränität ist ohnehin bereits massiv eingeschränkt, wie am Beispiel der Demütigung und Auspressung Griechenlands hinreichend zu besichtigen war. Gegen wen soll die „Digitale Souveränität“ hergestellt werden? In erster Linie gegen die USA, die zentrale Elemente der Digitalisierung immer noch beherrschen und jederzeit die Kommunikationsströme kontrollieren und damit lahmlegen können – und damit die Waren-, Geld- und Kapitalströme. Diese Auseinandersetzung will die deutsche Bourgeoisie offenbar zusammen mit der französischen Bourgeoisie führen. Der gegenwärtige Streit innerhalb der Bourgeoisie (nicht nur in der BRD und Frankreich) geht darum, ob dabei mit oder ohne bzw. gegen China vorgegangen werden soll.
Während die Gleichheit der Staaten durch den Imperialismus ständig verletzt wird, sollen mit dem Ruf nach digitaler Souveränität, die in den Völkern schlummernden Gefühle für Gerechtigkeit, Freiheit und Unabhängigkeit geweckt werden, der berechtigte Hass auf den US-Imperialismus (wenn nur der gegen den deutschen Imperialismus mindestens genauso groß wäre!) mobilisiert werden, um die mit der Digitalisierung laufenden Angriffe auf die Werktätigen zu übertönen. Mit der Digitalisierung wird ja die bekannte „Perlenkette“ abgezählt: von Arbeitslosigkeit, Dequalifizierung, Intensivierung der Arbeit, Verlängerung des Arbeitstags bis hin zur Abwälzung der Lasten, zu denen selbstverständlich auch die Ausgaben für die militärische Rüstung gehören. Nicht nur dass die selbst digitalisiert wird. Aber was wäre in der Räuberlogik des Imperialismus eine Souveränität, wenn bei der Durchsetzung von Interessen nicht letztlich Waffen gezückt werden können?
Soll die Arbeiterklasse die Bestrebungen nach digitaler Souveränität für die deutsche Bourgeoisie unterstützen, wie es manche Freunde wohl geneigt sind zu tun, die in der BRD immer noch einen „Vasallenstaat“ in der Abhängigkeit des US-Imperialismus sehen möchten? Oder wie bei manchen Genossen in der Partei Die Linke (PDL), die sich dadurch eine Stärkung der EU erhoffen, die dann gleichberechtigt mit den USA und China/Russland dastehen würde – wofür und wogegen eigentlich bleibt im Unverbindlichen.
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir über die abstrakte Definition des „Wörterbuch …“ hinausgehen. Wir müssen konkret untersuchen, ob mit dem Erreichen einer digitalen Souveränität irgendetwas Fortschrittliches bewirkt wird. Welchen Stellenwert es im Entwicklungsgang des deutschen Imperialismus hat und welchen in der EU.
Der deutsche Imperialismus ist von Anbeginn (also vom Ende des 19. Jahrhunderts an) stets der benachteiligte Jammerlappen, der einen „Platz an der Sonne“ beansprucht und dann gleichzeitig größenwahnsinnig nach der Weltherrschaft greift (1. Weltkrieg). Auf die Nase gefallen, ist er durch den Vertrag von Versailles, der ein Spiegelbild des vorhergegangen Diktatfriedens Deutschlands gegen Russland von Brest-Litowsk ist, wieder benachteiligt. Worin? Im Streben nach Revanche, im Anteil an der kolonialen Ausplünderung in der Wiederherstellung als Weltmacht. Er bringt den Faschismus an die Macht und bereitet den Weltkrieg 2 vor. Während die jüdischen Bevölkerungsteile verfolgt und schließlich ermordet werden, spielt der deutsche Imperialismus auf der Klaviatur „Schutz von nationalen Minderheiten“ – in anderen Ländern natürlich und vor allem, wenn sie als 5. Kolonne gebraucht werden konnten. Während über die eigene Benachteiligung und fehlende Unabhängigkeit gejammert wird, wird schließlich Österreich annektiert und die Tschechoslowakei zerschlagen, beide Länder also ihrer Souveränität beraubt. Und schließlich wird Europa von Brest bis zur Wolokolamsker Chaussee unterjocht. Der Ausgang ist bekannt.
Über 40 Jahre hat dann das Spalterregime in Bonn die fehlende deutsche Einheit beklagt, die verlorenen „Ostgebiete“, die beschränkte Souveränität, vor allem noch vom Besitz der Atombombe ausgeschlossen zu sein, gelegentlich sogar Maulen über die Besatzung, die doch erst den Aufbau Westdeutschlands zum Bollwerk gegen den Sozialismus ermöglicht hatte. Dann kam 1989. Die DDR, ein weltweit anerkannter souveräner Staat wurde zerschlagen; und um den Anspruch auf Großmacht zu untermauern, kamen als nächstes zwei Staaten, von nunmehr Größerdeutschland aktiv betrieben, unter den Hammer, Staaten, die aus dem Widerstand gegen Hitlerdeutschland neu entstanden waren: die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien und die Tschechoslowakische Sozialistische Republik (ČSSR). Seitdem ist die Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder und damit Missachtung ihrer Souveränität ein penetranter Begleiter deutscher Politik, besonders abgefeimt gegen die VR China, Russland, Belarus, von dem Dominanzgehabe in der EU ganz abgesehen. Inzwischen werden die Länder Nordafrikas bis hinüber zur Türkei als Bollwerke zum Schutz der Festung Europa gegen Flüchtende ausgebaut und besoldet, Länder, die nicht zuletzt vom deutschen Imperialismus niederkonkurriert, in Unterentwicklung gehalten, ausgeplündert, von Almosen abhängig gemacht und schließlich destabilisiert wurden.
Selbstverständlich müssen Kommunisten für die Souveränität, für das Selbstbestimmungsrecht der vom Imperialismus unterdrückten Nationen eintreten – Lenin hat das gründlich und sehr differenziert durchdacht[13] –, aber doch nicht für die Gleichberechtigung unter Unterdrückernationen eintreten. So müssen wir etwa das Abhören der NSA zur Überwachung von Frau Bundeskanzler Merkel doch nicht als Verletzung der Souveränität des armen Deutschland durch die übermächtigen USA anprangern, sondern als Misstrauen unter Gaunern, die gewohnt sind, sich gegenseitig über den Löffel zu balbieren. Nur so wird das ewige Opferlamm BRD als das gezeigt, was es ist: ein aggressiver imperialistischer Staat, der über Leichen geht, eine Unterdrückernation, die zum dritten Anlauf als Weltmacht an den Start gegangen ist.
Dieses Gernenochgrößer-Deutschland sollen wir nun, und da sind vor allem die Gewerkschaften gemeint, unterstützen, damit es „digitale Souveränität“ erhält und damit in den Kampf der Großmächte um die Neuaufteilung der Welt noch stärker, noch brutaler und noch skrupelloser eingreifen kann.
Es gilt doch gerade diese Souveränität zu bekämpfen, das Geheimhalten, das Versteckspielen, um die wahren Absichten aufzudecken, damit die Bevölkerung nicht noch mehr hinters Licht geführt wird und stattdessen Klarheit gewinnt. Statt digitaler Souveränität sind digitale Kundschafter gefragt. Edward Snowden, Chelsea Manning, Julian Assange u.a. sind Beispiele, die wir aufgreifen und noch besser auf die Klasseninteressen des Proletariats ausrichten können. Marxisten ist bekannt was Marx dazu 1864 der 1. Internationale ins Pflichtenbuch geschrieben hat: Die Schandtaten des damaligen zaristischen Russland „haben den Arbeiterklassen die Pflicht gelehrt, in die Geheimnisse der internationalen Politik einzudringen, die diplomatischen Akte ihrer respektiven Regierungen zu überwachen, ihnen wenn nötig entgegenzuwirken; wenn unfähig zuvorzukommen, sich zu vereinen in gleichzeitigen Denunziationen und die einfachen Gesetze der Moral und des Rechts, welche die Beziehungen von Privatpersonen regeln sollten, als die obersten Gesetze des Verkehrs von Nationen geltend zu machen.“[14]
AG Krise: R. Corell, Flo, Stephan Müller, O’Nest
„Gleichberechtigt stehen sich also die Bewaffneten und die Unbewaffneten, die Mörder und die Opfer gegenüber, beiden ist es erlaubt zu kämpfen. Die Abwanderung der Produktionsmittel vom Produzierenden bedeutet die Proletarisierung der Produzierenden, wie der Handarbeiter hat hier der Kopfarbeiter im Produktionsprozess nur mehr seine nackte Arbeitskraft einzusetzen, seine Arbeitskraft aber, das ist er selber, er ist nichts außer dem, und genau wie beim Handarbeiter benötigt er zunehmend (da die Produktion immer ‚technischer‘ wird) zur Ausnutzung seiner Arbeitskraft eben die Produktionsmittel: der grauenhafte circulus vitiosus der Ausbeutung hat auch hier eingesetzt!“ (B. Brecht, GW, Bd. 18, Frankfurt/M. 1967, S. 158 f.) – Brecht spricht hier die Kunst-, besonders die Filmschaffenden an. In dieser Situation sind heute viele, die mit ihrem Computer, sogar im „home-office“ sitzen. Sie sind samt ihrer Ausstattung darauf angewiesen, dass sie Zugang zu den IT-Systemen im Betrieb haben. Nur wenn sie sich in den Gesamtmechanismus eingliedern, sich seinem Takt unterwerfen, werden sie bezahlt; sind sie davon ausgeschlossen, können sie mit ihrem Rechner Spiele veranstalten oder Pornos anschauen, dann ist Schluss mit der Illusion, dass der Rechner doch auch ein Produktionsmittel und sein Bediener doch Eigentümer sei.
„Was aber seine Geschicklichkeiten, seine Qualifizierung betrifft, die für die Arbeit in der materiellen Produktion (und Zirkulation) notwendig sind, so kann ich kein Ideal darin sehen, dass sie immer mehr wachsen müssen. Seit wann gibt es ein Ideal der Menschheit, dass es immer höherer Qualitäten bedürfen soll, etwas zu produzieren? Das kann doch nur der Fall sein, wenn, ganz gleich, was der gesellschaftliche Nutzen der Arbeit ist, höher qualifizierte Arbeit höher bezahlt wird. An sich müßte man doch über eine wissenschaftlich-technische Entwicklung beglückt sein, die die materielle Produktion so vereinfacht – und das tut sie vielfach auch -, dass ein Mensch sie ohne jede Bildung, ohne jede Qualifikation ausführen kann. Wie unsinnig die Idee, dass die materielle Produktion immer höhere Qualifikation erfordern sollte oder dass es zu bedauern wäre, wenn jemand durch weitere Vereinfachung der materiellen Produktion sich nicht mehr qualitativ so anstrengen muß, um diese Produktion zu schaffen.“ (J. Kuczynski, Zur Debatte über das Verhältnis von Technik und Fortschritt, in Blätter für deutsche und internationale Politik. 3/1979, S. 346 ff.)
„Die viel größern Kosten, womit überhaupt ein auf neuen Erfindungen beruhendes Etablissement betrieben wird, verglichen mit den spätern, auf seinen Ruinen, ex suis ossibus (aus seinen Gebeinen – Corell) aufsteigenden Etablissements. Dies geht so weit, dass die ersten Unternehmer meist Bankrott machen und erst die spätern, in deren Hand Gebäude, Maschinerie etc. wohlfeiler kommen, florieren. Es ist daher meist die wertloseste und miserabelste Sorte von Geldkapitalisten, die aus allen neuen Entwicklungen der allgemeinen Arbeit des menschlichen Geistes und ihrer gesellschaftlichen Anwendung durch kombinierte Arbeit den größten Profit zieht.“[*]
* Karl Marx, Das Kapital, Band 3, MEW 25, S. 114
„Die ideologische Schizophrenie des Kleinbürgers, der die Zeitungen schreibt, zeigt sich in dem Beisammensein verschiedener Vorstellungskreise, ihrer zunehmenden Verschiebung gegeneinander. Er hat gleichzeitig mindestens zwei Vorstellungen zu einer Sache: Die eine bezieht er aus der großen bürgerlichen Idealität, welche das Individuum, die Gerechtigkeit, die Freiheit und so weiter gegen die Wirklichkeit durchsetzen wird, die andere aus der Wirklichkeit selbst, die sich in allen ihren Tendenzen gegen die Idealität durchsetzt, sie umbiegt, hörig macht, aber am Leben lässt. Denn der Widerspruch kann nicht liquidiert werden, ohne dass das ganze bürgerliche System liquidiert wird. Für den Schreiber entsteht so auf komische Weise die Fiktion einer gewissen geistigen Freiheit, er kann jeweils die eine oder die andere Vorstellung wählen, das heißt vertreten, da ja beide vertreten werden müssen.“ (B. Brecht, a.a.O., S. 182 f.)
„Sie (neue Vorstellungen) stehen nur zu den alten Vorstellungen (die in ihrer Gesamtheit eben die große klassische bürgerliche Ideologie ausmachen) in Widerspruch. Geben sie also alle ihre Vorstellungen alter Art ganz auf? Sie geben sie praktisch auf, aber nicht ideologisch. Sie setzen ihre Ideologie praktisch außer Kurs und behalten sie ‚im übrigen‘ bei. Der Witz ist nämlich, dass sie (gerade sie) ihre Praxis weder ausüben können, wenn sie Ideologie aufgeben, noch wenn sie dieselbe verwirklichen.“ (a.a.O., S. 193 f.)
1 wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/digitalisierung-54195 – 12.01.21.
2 alte Technologien rasch und umfassend ersetzende Technologien. Als Beispiele werden 3D-Drucker, Smartphones, Digitalkamera genannt.
3 s. hierzu auch KAZ 356: „Digitalisierung: Zur Diskussion der Produktivkraftentwicklung im gegenwärtigen staatsmonopolistischen Kapitalismus“ von Stephan Müller, Sept. 2016.
4 A. Boes et al. (2016): „Digitalisierung und ‚Wissensarbeit‘“, in Politik und Zeitgeschichte, 18-19/2016.
5 Karl Marx, Das Kapital, Band 1, MEW 23, S. 790-791.
6 Dazu z.B. Th. Wagner: Robokratie. Google, das Silicon Valley und der Mensch als Auslaufmodell, Köln, 2015.
7 Dazu in „3. Anlauf des deutschen Imperialismus zur militärischen Weltmacht im Windschatten von NATO und EU“, KAZ 371, S. 24 f, bes. die Rolle von Thierry Breton als Verbindungsmann zwischen deutscher und französischer staatmonopolistischer Finanzoligarchie.
8 Marx schreibt im Kapital, MEW 23, S. 496, von der „Umwälzung der gesellschaftlichen Betriebsweise“; ausführlich dazu S. 40 ff in „Das System der Produktivkräfte – Versuch einer Begriffsbestimmung“, Thomas Kuczynski in der Einleitung zu Produktivkräfte in Deutschland, Band 1, Berlin 1990.
9 s. KAZ 369, Dezember 2019.
10 a.a.O.
11 www.bpb.de/nachschlagen/lexika/pocket-europa/16944/souveraenitaet– 12.01.2021.
12 Kleines politisches Wörterbuch, Berlin (Hauptstadt der DDR) 1973, S. 745 f. (Hervorhebungen Corell)- Es folgen Hinweise auf die Charta der Vereinten Nationen und die Deklaration der XXV. Tagung der UNO-Vollversammlung 1970, die die souveräne Gleichheit der Staaten verteidigen „gegen alle imperialistischen Versuche, im Interesse der globalen Machtpolitik der stärksten imperialistischen Mächte dieses Prinzip praktisch zu missachten und theoretisch auszuhöhlen.“ Ergänzend führt das ‚Wörterbuch‘ die Volkssouveränität an: „Verwirklichung der Macht des Volkes innerhalb eines Staates. Die S. des Volkes kann unter den heutigen gesellschaftlichen Bedingungen nur durch die Errichtung der Diktatur des Proletariats und die Schaffung sozialistischer Produktionsverhältnisse, also in einem sozialistischen Staat verwirklicht werden …“. – Sofern eine Nation einen eigenen Staat hat, „fällt die nationale S. mit der staatlichen zusammen.“
13 vor allem in der Auseinandersetzung mit Bucharin und Pjatakow (Kijewski). Sie dazu W.I. Lenin in LW 23, S. 1-71.
14 K. Marx, Inauguraladresse der Internationalen Arbeiter-Assoziation, MEW, Bd. 16. S. 13.
Die Linie ist zu ziehen von der Produktivkraftsteigerung durch Arbeitsteilung und Kooperation, durch Zerlegung von Arbeitsschritten in der Manufaktur über die Maschine und die „große Industrie“, die Taktstraße sowie der elektronischen Maschinensteuerung bis hin zur digitalen Steuerung des gesamtem Produktions- und Verteilungsablaufs von der Rohstoffgewinnung zum Konsumenten.
Mit dem Arbeitswerkzeug geht auch die Virtuosität in seiner Führung vom Arbeiter auf die Maschine über. Die Leistungsfähigkeit des Werkzeugs ist emanzipiert von den persönlichen Schranken menschlicher Arbeitskraft.“ (Karl Marx, Das Kapital,MEW 23, S. 442) Das bedeutet für heute, dass vor allem Kopfarbeiter von dem „Digitalisierung“ genannten Prozess betroffen sind und ihr Detailgeschick, ihre Virtuosität nicht nur bei einfachen Verwaltungs- und Entwicklungsaufgaben, sondern auch beim Disponieren, Organisieren, Planen und Forschen und Entwickeln verüberflüssigt werden bis hin zur Digitalisierung und Automatisierung, der „Industrialisierung“ der Softwareentwicklung selbst.
Die Frage, wer die Datenhoheit über die von einem mit Sensoren bestückten Auto hat, ist eine Machtfrage.
‚Digitalisierung‘ wird heute die neue Stufe der industriellen Revolution genannt, deren Struktur und Klassencharakter ebenso wenig hinterfragt werden soll wie zu Zeiten Marx‘, des mechanischen Webstuhls und der Dampfmaschine, oder zu Zeiten Lenins, der Elektrifizierung und des Fließbands.
U. von der Leyen und T. Breton setzen klare Prioritäten, um eine von den USA unabhängige Netz-Infrastruktur unter deutscher Führung im Bündnis mit dem französischen Imperialismus durchzusetzen.
Gegen wen soll die „Digitale Souveränität“ hergestellt werden? In erster Linie gegen die USA, die zentrale Elemente der Digitalisierung immer noch beherrschen und jederzeit die Kommunikationsströme kontrollieren und damit lahmlegen können – und damit die Waren-, Geld- und Kapitalströme ... Über 40 Jahre hat das Spalterregime in Bonn die fehlende deutsche Einheit beklagt, die verlorenen „Ostgebiete“, die beschränkte Souveränität, vor allem noch vom Besitz der Atombombe ausgeschlossen zu sein, gelegentlich sogar Maulen über die Besatzung, die doch erst den Aufbau Westdeutschlands zum Bollwerk gegen den Sozialismus ermöglicht hatte. Dann kam 1989.