Für Dialektik in Organisationsfragen
Flugblatt der Gruppe KAZ, erschienen im Oktober 2019
Am 9. Oktober 2019 begann das Regime des türkischen Despoten Erdogan einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Nordsyrien, mit dem Ziel, Teile des syrischen Staates zu annektieren und um die in der nordsyrischen Region Rojava entstandenen demokratischen kurdischen Selbstverwaltungsstrukturen zu zerstören.
Immer wieder werden heute, auf Demonstrationen, in Aufrufen und Stellungnahmen Appelle an die deutsche Bundesregierung formuliert, auf die Türkei einzuwirken. Die Bundesregierung solle ihre diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zur Türkei nutzen, um die türkische Regierung zur Beendigung des Krieges zu bewegen. Dazu solle sie auch ihren Einfluss im UN-Sicherheitsrat geltend machen. Sie solle sich außerdem für eine internationale Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Syrien, nach dem Vorbild der KSZE, einsetzen, um einen „Friedensprozess“ für Syrien zu ermöglichen.
Forderungen wie diese, die so oder so ähnlich von vielen Demokraten und Friedensfreunden erhoben werden, gehen von der falschen Annahme aus, die Regierung der BRD könnte in Konflikten und Kriegen eine friedensfördernde Rolle spielen. Hoffnungen in eine solche deutsche „Friedensmacht“ sind trügerisch und gefährlich. Sie verstellen den Blick auf die mit der Einverleibung der DDR permanent gewachsenen deutschen Großmachtansprüche, den Drang des deutschen Monopolkapitals und seiner Regierungen sich überall auf der Welt einzumischen, der den Frieden eben nicht sicherer, sondern den Krieg wahrscheinlicher macht. Ihr „Frieden“ ist aus demselben Stoff wie ihr Krieg! Das wurde vor 20 Jahren, beim völkerrechtwidrigem deutschen Kriegseinsatz gegen Jugoslawien, der damals von der Schröder/Fischer-Regierung damit begründet wurde, es ginge darum „Frieden“ zu „erzwingen“, besonders deutlich!
Von Anfang an hat die BRD eben keine förderliche Rolle für einen wie auch immer gearteten „Friedensprozess“ in Syrien gespielt. Im Gegenteil! Sie hatte wesentlichen Anteil an der blutigen Eskalation. Sie hat sich von Beginn an auf die Seite derjenigen gestellt, die den syrischen Staat destabilisierten und hat eifrig Kräfte in und außerhalb Syriens gefördert, die weiter Öl ins Feuer des Bürgerkrieges gegossen haben. Und schließlich wurde die BRD mit dem Beschluss des Bundestages über den Bundeswehreinsatz in Syrien, ohne dass es dafür ein UN-Mandat gegeben hätte, selbst zur aktiven Kriegspartei. Die Politik der Bundesregierung zielte von Anfang an einzig und alleine darauf die syrische Regierung in Damaskus aus dem Amt zu jagen, Russlands Einfluss in der Region zu schwächen und den eigenen auszuweiten. Insofern bot auch der vermeintliche Kampf gegen den IS, der sich im Zuge des Versuchs in Syrien einen „Regime Change“ durchzusetzen immer mehr ausbreiten konnte, einen willkommenen Anlass, um in einer weiteren geostrategisch wichtigen Region der Erde militärisch aktiv zu werden und so mit den USA gleichzuziehen. Um „Frieden“ für die Menschen in Syrien ging es in der deutschen Syrien-Politik nie! Sondern immer nur um die Durchsetzung eigener „weltpolitischer“, d.h. imperialistischer Interessen!
Den Abzug des US-Militärs wollen die Vertreter des deutschen Imperialismus nun offensichtlich nutzen, um künftig die Rolle einer führenden Macht im Syrien-Konflikt zu spielen. Die deutsche Kriegsministerin, Kramp-Karrenbauer, fordert eine internationale Militärintervention, womöglich auch unter Beteiligung eines weiteren Einsatzes der Bundeswehr, um an der syrisch-türkischen Grenze, auf syrischem Territorium, eine „Sicherheitszone“ zu errichten. Die Türkei, die Syrien überfallen hat, solle dabei „eingebunden“ werden, heißt es aus Berlin. Dieser Vorstoß erfolgt allerdings ohne Einverständnis der syrischen Regierung und stellt somit einen weiteren schweren Angriff auf die Souveränität des syrischen Staates dar!
Es ist vollkommen richtig, die brutale Aggression des türkischen Regimes gegen Nordsyrien und die dort lebenden Menschen deutlich zu verurteilen. Doch grundfalsch wäre es dabei stehen zu bleiben und über die deutsche Kumpanei mit diesem Regime zu schweigen.
Ein zentraler Punkt ist für uns dabei der maßgeblich von der deutschen Bundesregierung ausgehandelte „Flüchtlingsdeal“ der EU mit der Türkei. Die deutsche Bundesregierung und die EU gewähren einem Staat, wo heute jeder Demokrat verfolgt und eingesperrt werden kann, der seit Jahrzehnten das Selbstbestimmungsrecht der in der Türkei lebenden Kurdinnen und Kurden blutig unterdrückt, Milliardenzahlungen, damit dieser Menschen, die vor Krieg, Hunger und Terror flüchten, davon abhält, in die EU zu kommen, um dort ihr Recht auf Asyl in Anspruch zu nehmen. Anstatt diesen unmenschlichen „Deal“ aufzukündigen, hat Innenminister Seehofer jüngst die Erhöhung der für das Abkommen vorhergesehenen Zahlungen an die Türkei in Aussicht gestellt. Unbeeindruckt der Tatsache des türkischen Angriffs auf Nordsyrien.
Und auch auf anderen Gebieten wird die Kooperation der Bundesregierung mit dem türkischen Staat weiter fortgesetzt. Seit Jahrzehnten rüstet die BRD die Türkei militärisch auf, und ermöglicht damit einen Angriffskrieg, wie er gerade stattfindet, erst. Kurz nach der Einverleibung der DDR hat sie Teile der erbeuteten Waffen der Nationalen Volksarmee der DDR, die den Machtansprüchen des deutschen Imperialismus vierzig Jahre lang Grenzen setzte, an die Türkei verscherbelt. Wissentlich, dass mit diesen Waffen der Krieg gegen die unterdrückte Minderheit des kurdischen Volkes in der Türkei geführt wird.
Wer auch nur den Hauch einer Illusion hat, die Bunderegierung könnte und wollte auf Erdogan Druck ausüben, den verbrecherischen Krieg zu beenden, der wird durch Kenntnisnahme der Realität schnell eines Besseren belehrt. Am 21. Oktober berichtete das Informationsportal German Foreign Policy: „Die Bundesregierung verweigert weiterhin wirksame Schritte gegen die türkische Invasion in Syrien. Während Berliner Politiker offiziell Appelle an die Türkei richten, ihre Militäroperationen im Nachbarland vollständig zu beenden, bestätigt eine Mitteilung des Bundeswirtschaftsministeriums, dass bereits geplante Rüstungslieferungen an das Land weiter durchgeführt werden dürfen. Die Ausfuhren erreichen gegenwärtig Rekordniveau. Die unter anderem von Frankreich erhobene und in der EU befürwortete Forderung, auf den türkischen Angriffskrieg mit einer Einschränkung der Wirtschaftsbeziehungen zu reagieren, ist von Berlin in der vergangenen Woche kategorisch zurückgewiesen worden.“
Wer über die Unterdrückung des kurdischen Volkes durch den türkischen Staat spricht, der darf über die fortwährende Kriminalisierung der kurdischen Bewegung in Deutschland und ihrer Unterstützer und Sympathisanten nicht schweigen!
Seit 1993 ist die kurdische Arbeiterpartei PKK in der BRD verboten und werden ihre Anhänger und Sympathisanten mit Strafverfahren und Vereinsverboten verfolgt. Seit Ende der 1980er Jahre wurden Dutzende kurdische Aktivistinnen und Aktivisten mittels der Paragraphen 129 und 129a Strafgesetzbuch als Mitglieder in einer inländischen, angeblich „kriminellen“ oder „terroristischen Vereinigung“, angeklagt und zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Als die Anklagen zurückgingen, kam 2010 der Bundesgerichtshof den Behörden zur Hilfe und legte ihnen nahe, auch kurdische Aktivistinnen und Aktivisten nach dem im Jahre 2002 eingeführten §129b als Mitglieder einer „ausländischen terroristischen Vereinigung“ anzuklagen, was zu einem erneuten Anschwellen der Verfolgungswelle führte. Am 2. März 2017 wurde die Entrechtung der in Deutschland lebenden kurdischen Aktivistinnen und Aktivisten und ihrer Unterstützer – per Rundschreiben des Innenministeriums – erneut verschärft. Als Verstoß gegen das Betätigungsverbot der PKK werden seitdem auch Bildnisse von Abdullah Öcalan und das öffentliche Verwenden von 33 Symbolen anderer kurdischer Organisationen verfolgt. Darunter auch viele Symbole der kurdischen Bewegung in Nordsyrien.
Wir fordern:
Sofortige Aufkündigung des „Flüchtlingsabkommens“ mit der Türkei und Wiederherstellung des uneingeschränkten Asylrechts für alle Flüchtlinge!
Schluss mit der permanenten Verletzung der syrischen Souveränität!
Sofortiger und ausnahmsloser Stopp aller deutschen Waffenlieferungen an die Türkei!
Schluss mit der Kriminalisierung der kurdischen Bewegung in Deutschland und ihrer Unterstützer!
Gleiche demokratische Rechte für alle, die hier leben!
Sofortige Aufhebung des Verbots der PKK!
Auch deutsche Panzer werden von der Türkei bei ihrer Invasion gegen Rojava eingesetzt.