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Zum 100. Geburtstag

Jura Soyfer, Dichter – Journalist – Kommunist

Vor 100 Jahren, am 8. Dezember 1912 wird Jura Soyfer in Charkow (heutige Ukraine) geboren.

Das vom Bürgerkrieg geprägte Land verlässt die Familie 1921 und kommt nach Wien, Jura Soyfers zweite Heimat.

Schon mit 15 Jahren beginnt er sozialistische Schriften zu studieren und wird überzeugter Marxist.

Soyfer schreibt erste Stücke für die Agitpropgruppe „Blaue Blusen“ und wird auch selbst aktiv bei den „Roten Spielern“. Die Weltwirtschaftskrise 1929 und die Herrschaftsmethoden der österreichischen Regierung bekämpft er durch seine Mitarbeit in der „Akademischen Legion“ innerhalb des „Republikanischen Schutzbundes.“ Er wird ständiger Mitarbeiter der „Arbeiter-Zeitung“.

Er entwickelt sich zu einem Dichter des österreichischen Proletariats.

Für fast jede Arbeiterdemonstration verfasst er Losungen und Gedichte.

Februar 1934:

Der Austrofaschist Dollfuß will eine faschistische Diktatur in Österreich errichten. Am 12. Februar 1934 kommt es in Österreich zum bewaffneten Widerstand, um die Errichtung der Diktatur durch Bundeskanzler Dollfuß aufzuhalten. Der Aufstand bricht jedoch zusammen, da die rechte Führung kapituliert. Die Kommunisten sind bereits verboten und werden verfolgt. Nach der Niederlage schließt sich Jura Soyfer der KPÖ an und arbeitet im Untergrund.

In seinem Brief an die österreichischen Arbeiter von März/April 1934 benannte Georgi Dimitroff klipp und klar den Hauptfehler der Februarkämpfe: „Nein, nicht der Kampf der österreichischen Arbeiterklasse war ein Fehler. Der Fehler bestand darin, dass dieser Kampf nicht organisiert war und nicht auf revolutionäre, bolschewistische Weise geführt wurde. Die Hauptschwäche des Februarkampfes der österreichischen Arbeiter bestand darin, dass sie infolge des schädlichen Einflusses der Sozialdemokratie nicht begriffen, dass es nicht genügt, sich gegen den Angriff des Faschismus zu verteidigen, sondern sie ihren bewaffneten Widerstand in einen Kampf zum Sturz der Bourgeoisie und für die Machtergreifung durch das Proletariat verwandeln müssen. Der bewaffnete Widerstand des österreichischen Proletariats gegen den Faschismus ging nicht in einen tatsächlichen bewaffneten Aufstand über. Darin besteht der Hauptfehler.“

Er beginnt seinen (nicht vollendeten) Roman „So starb eine Partei“, mit der er die Krankengeschichte einer Massenpartei (SPÖ) analysiert. Besonders lesenswert sind die facettenreichen Bilder von ehemaligen Arbeiterführern, die sich im Kapitalismus eingerichtet haben und nicht mehr aus der Umarmung der Bourgeoisie lösen können.

1935 beginnt er wieder seine journalistische Tätigkeit. Sein erstes Mittelstück[1] „Der Weltuntergang“, als Warnung vor dem Krieg geschrieben, wird 1936 uraufgeführt. Es zeigt die Menschheit vor der Apokalypse, der Zerstörung der Welt durch einen Kometen, die gewaltsame Unterdrückung revoltierender Massen und die Verblendung, in der die Menschen auf den Weltuntergang warten.

Doch schon bald wird auch in den Kellerbühnen Wiens Soyfer zunehmend zu politisch.

In seinen Theaterstücken werden die, von den Herrschenden hervorgerufenen Illusionen in Frage gestellt. Sie sind ein Aufruf zu Solidarität und zur Veränderung bestehender Herrschaftsverhältnisse.

1937 wird er als „Politischer“ inhaftiert, kommt jedoch auf Grund einer Amnestie am 17. Februar 1938 wieder frei. Er befindet sich nur 25 Tage in Freiheit. Denn am 12. März 1938 wird seine Wahlheimat von den deutschen Faschisten annektiert und er am 13. März, beim Versuch zu flüchten, verhaftet und ins KZ Dachau deportiert. Dort entsteht später sein „Dachau-Lied“, das als einzige Handschrift aus dieser Zeit erhalten wird.

Ende September 1938 wird Jura Soyfer in das KZ Buchenwald gebracht. Er stirbt im jungen Alter von nur 26 Jahren am 16. Februar 1939 an Typhus.

Was seine Persönlichkeit ausmachte, war sein Lachen, ein auffälliges Merkmal, das er in all den Jahren beibehalten hat, selbst unter den mörderischen Bedingungen im KZ Buchenwald.

Gerade in einer Zeit, da es darauf ankam den Menschen zur Nummer zu degradieren, seine Persönlichkeit auszulöschen, ist dieses Merkmal, was den Jura Soyfer ausmachte, zutiefst politisch.

Dass Soyfers Zuversicht eine Zuversicht mit offenen Augen ist, beweist das „Lied des einfachen Menschen“. Ein Vermächtnis für uns heute.

„Lied des einfachen Menschen“

Menschen sind wir einst vielleicht gewesen
Oder werdens eines Tages sein,
Wenn wir gründlich von all dem Genesen.
Aber sind wir heute Menschen? Nein!

Wir sind der Name auf dem Reisepass,
wir sind das stumme Bild im Spiegelglas,
wir sind das Echo eines Phrasenschwalls,
Und Widerhall des toten Widerhalls.

Längst ist alle Menschlichkeit zertreten,
wahren wir doch nicht den leeren Schein!
Wir, in unsern tief entmenschten Städten,
sollen uns noch Menschen nennen? Nein!
Wir sind der Straßenstaub der großen Stadt,

Wir sind die Nummer im Katasterblatt,
wir sind die Schlange vor dem Stempelamt
und unsre eignen Schatten allesamt.

Soll der Mensch in uns sich einst befreien,
gibt’s dafür ein Mittel nur allein:
stündlich fragen, ob wir Menschen seien,
stündlich uns die Antwort geben: Nein!

Wir sind das schlecht entworfne Skizzenbild
des Menschen, den es erst zu zeichnen gilt.
Ein armer Vorklang nur zum großen Lied.
Ihr nennt uns Menschen? Wartet noch damit!

Entstanden zwischen 1935-1938

Illu

1 Das sogenannte Mittelstück ist eine Form des politischen Theaters und Kabaretts. Es wurde von Rudolf Weys zum ersten Mal Mitte der 1930er Jahre als neue Gattung des Wiener Kabaretts in Österreich definiert und von Jura Soyfer, einem österreichischen antifaschistischen Satiriker, als Form gewählt, um die Kleinkunst wesentlich zu modernisieren und weiterzuentwickeln. Der Name Mittelstück spielt auf die Stellung als Kombination von Theater und Kabarett an. (ach wikipedia)

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