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Dokumentation – Für Dialektik in Organisationsfragen

Wahrscheinlich ist es meine Erinnerung, die mich alarmiert

Rede von Ernst Grube am 22. Oktober 2016 in München zum „Integrationsgesetz“

Liebe Freundinnen und Freunde,

sehr geehrte Damen und Herren!

In einigen Wochen werde ich 84 Jahre alt. Ich bin als Kind einer jüdischen Mutter in München geboren.

In meiner Erinnerung haben sich Ausgrenzung, Verfolgung und Rechtlosigkeit tief eingeprägt. 1938 – ich war noch keine 6 Jahre alt – wurde meine Familie nach dem Abriss der Synagoge aus der Wohnung vertrieben.

Wir hatten kein Recht auf Wohnung!

In ihrer Not brachten unsere Eltern ihre drei Kinder ins jüdische Kinderheim in der Antonienstrasse in Schwabing.

Unsere Familie wurde auf Jahre hinaus getrennt. Eine Familienzusammenführung gab es nicht!

Der Schulbesuch wurde erschwert und später ganz verboten. Wir hatten kein Recht auf Bildung.

Durch die Verordnungen und Ausführungsbestimmungen der Nürnberger Gesetze von 1935 waren wir keine Bürger mehr. Reichsbürger konnten nur solche Menschen sein, die den rassistischen Kriterien entsprachen.

Wir waren Juden, Halbjuden, Vierteljuden, ... Zigeuner ...

Wir drei Grube-Kinder wurden von den Behörden der Stadt München als Geltungsjuden eingestuft. Nach diesen Nazikategorien vollzog sich die zeitliche Abfolge der Deportation und Vernichtung.

Am 20. November jährt sich der Tag zum 75. Mal, an dem der erste Transport aus München mit 998 jüdischen Bürgerinnen und Bürgern nach Kaunas in Litauen fuhr. Niemand hat überlebt.

Das jüdische Kinderheim wurde aufgelöst, „arisiert“, dem Lebensborn übereignet.

Wir, die wenigen Kinder, die noch nicht deportiert waren, kamen in die Zwangsghettos Milbertshofen und Berg am Laim. Nach Auflösung der Ghettos kamen wir zu den Eltern. Im Februar 1945 wurden wir Kinder mit unserer Mutter ins Ghetto Theresienstadt deportiert.

Die drei Schwestern meiner Mutter, deren Ehemänner und Kinder wurden in den Vernichtungslagern des Ostens ermordet.

Nie wieder!!!

Heute kommen Menschen zu uns aus Kriegsgebieten und aus Ländern, in denen sie unterdrückt und verfolgt wurden und keine Existenzgrundlage für sich sehen. Die Fluchtursachen sind auch made in Germany.

Wahrscheinlich ist es meine Erinnerung, die mich alarmiert und mit Empörung auf dieses sogenannte Integrationsgesetz schauen lässt.

Schon die diffamierende, Feindbilder schaffende Sprache zeigt das:

„Asylmissbrauch, Wirtschaftsflüchtlinge, Ausländerkriminalität ...“

Das ist Wasser auf die Mühlen der rassistischen und nazistischen Bewegungen.

Integration qua Leitkultur ist der Kern dieses Gesetzentwurfes.

Integration heißt hier:

– Unterordnung

– Verbote, Entzug von Rechten

– Lager

Leitkultur heißt hier:

Du musst deine eigene Kultur weglegen, Du musst sie vergessen.

Du musst so leben, wie wir uns das vorstellen.

Welche Eiseskälte, welche Enge, welche Blindheit, als handele es sich um irgendwelche bedrohlichen Wesen, die man irgendwie in Schach halten muss – und nicht um Menschen wie Du und ich.

Weit entfernt von dem, was die Schöpfer der bayerischen Verfassung vor 70 Jahren als Grundsätze für unser Zusammenleben dort festgeschrieben haben.

Experten belegen, dass das geplante Gesetz weder mit der bayerischen Verfassung, noch mit unserem Grundgesetz, noch mit der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vereinbar ist.

Nie wieder! Asyl ist ein Menschenrecht, das älteste der Menschheit überhaupt. Es geht um das Recht, Rechte zu haben. So hat es die jüdische Philosophin und von den Nazis vertriebene Emigrantin, Hannah Are­ndt gefordert. Kämpfen wir gemeinsam.

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München, 22. Oktober 2016: Mehrere tausend Menschen waren auf der Straße gegen das „Integrationsgesetz“ der CSU. Offenbar auf Geheiß von CSU-Innenminister Hermann haben hunderte aufgehetzte USKler und Staatspolizei immer wieder die Demonstration gegen die staatliche Willkür der CSU und ihre „Deutsche Leitkultur“ provoziert und wahllos Menschen herausgegriffen und zusammengeprügelt. Der GEW-Vertreter auf der Kundgebung formulierte es so: Das erwartet uns, wenn die Willkürgesetze und ihre Leitkultur Wirklichkeit werden.

München, 22. Oktober 2016: Mehrere tausend Menschen waren auf der Straße gegen das „Integrationsgesetz“ der CSU. Offenbar auf Geheiß von CSU-Innenminister Hermann haben hunderte aufgehetzte USKler und Staatspolizei immer wieder die Demonstration gegen die staatliche Willkür der CSU und ihre „Deutsche Leitkultur“ provoziert und wahllos Menschen herausgegriffen und zusammengeprügelt. Der GEW-Vertreter auf der Kundgebung formulierte es so: Das erwartet uns, wenn die Willkürgesetze und ihre Leitkultur Wirklichkeit werden.