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Für Dialektik in Organisationsfragen

TTIP und Gewerkschaften

Eine der fünf Arbeitsgruppen im „Bündnis für die Zukunft der Indu­strie“, in dem unsere Gewerkschaftsführer sitzen, ist mit der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und hierbei mit der Durchsetzung von TTIP befasst. „Während Zigtausende, darunter Tausende Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter auf der Straße bei Demos und Kundgebungen gegen das Freihandelsabkommen protestieren, arbeiten Gewerkschaftsfunktionäre daran, sie im Interesse des Kapitals auf Kurs zu bringen bzw. sie – auf welche Art auch immer – aufs Kreuz zu legen“, so Ludwig Jost in seinem nebenstehenden Referat. Im September letzten Jahres hat der DGB ein gemeinsames Papier mit dem Wirtschaftsministerium unterschrieben zur Unterstützung von TTIP. In einer Vorstandsmitteilung der IG Metall hieß es dann damals, dass in der Öffentlichkeit ein falscher Eindruck erweckt worden sei und dass die IG Metall nur unter bestimmten Bedingungen TTIP zustimmen würde.[1] In den letzten Tagen nun (Mitte Juni 2015) hat der DGB erklärt, dass er gegen TTIP ist und dass er sich mit allen Einzelgewerkschaften an den Protesten beteiligt.

So weit, so chaotisch. Dass es viel einfacher ginge, dazu weiter unten. Jetzt erstmal zu der Frage:

Was ist eigentlich TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership)?

Verkauft wird es in der Öffentlichkeit als „Freihandelsabkommen”. Aber da fängt die Schwierigkeit schon an: Wir leben im Zeitalter des Imperialismus. Das Finanzkapital, diese Zusammenrottung von Monopolindustrie und Banken, hat das Sagen, wobei es keineswegs einträchtig agiert. Die imperialistischen Großmächte tragen die Widersprüche zwischen den mächtigsten Ausbeutern der Welt aus. Der Freihandel, einst wichtiges Instrument, um dem Kapitalismus zum Durchbruch zu verhelfen und Feudalismus und Leibeigenschaft zu vernichten, hat ausgedient. „Der Freihandel und die freie Konkurrenz sind ersetzt durch das Streben nach Monopolen, nach Eroberung von Gebieten für Kapitalanlagen, als Rohstoffquellen usw.“, schrieb Lenin schon vor hundert Jahren.[2] Wer Lenin nicht glauben mag, kann dasselbe speziell für den deutschen Imperialismus in den „Verteidigungspolitischen Richtlinien“ der BRD nachlesen: „Freie Handelswege und eine gesicherte Rohstoffversorgung sind für die Zukunft Deutschlands und Europas von vitaler Bedeutung.“[3]

TTIP ist also sowohl für den deutschen als auch für den USA-Imperialismus ein noch friedlicher Versuch, Einflusssphären, Kapitalanlagesphären, Absatzmärkte, Rohstoffquellen abzustecken, kurz, die Neuaufteilung der Welt vorzubereiten, oder noch kürzer: letztlich Kriege vorzubereiten, um die gegenseitigen Ansprüche mit Gewalt festzuzurren. Wobei das Interesse des deutschen Imperialismus an einer Neuaufteilung der Welt natürlich größer ist als das der USA, entspricht doch die politische und militärische Macht des deutschen Imperialismus in keiner Weise seiner wirtschaftlichen Potenz. Gleichzeitig sind die angeblichen Freihandelsabkommen eine Fessel, eine Zwangsjacke für die ärmeren Länder. Die EU ist ja auch ein Konzept des angeblichen Freihandels, und man sieht ja nun mit bloßem Auge, wie hier die BRD Griechenland mit dem „freien Handel“ in Ketten gelegt hat.

Dass die deutschen Konzerne sich vor allem eine Stärkung gegen die US-amerikanischen Konzerne erhoffen, ist sehr deutlich, zum Beispiel: „Spekulationen in deutschen Wirtschaftskreisen, ob wegen der niedrigen Gaskosten nicht die Verlagerung von Standorten in die USA profitabel sein könne, fallen zusammen mit den aktuellen Verhandlungen über die geplante Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP)“, oder, wie es in der Zeitschrift „ZEIT“ heißt: „Zur Verteidigung einer Partnerschaft gehört ... auch die Verteidigung der eigenen Position”: „Deutschland ist eine kleine Großmacht geworden”; „Deutschland darf sich ... mehr Selbstbewusstsein erlauben.” „Schließlich ist unseren Freunden längst klar, wer in Europa die ‚indispensible nation‘ ist.“[4] Weltweit sind die deutschen Staatsorgane unterwegs in Sachen „Freihandel“. Wobei sie nicht nur „Freihandelszonen“ schaffen oder unterstützen, nein, sie reihen sich, wenn ihnen eine „Freihandelszone“ gerade nicht in den Kram passt, wie die Unschuldsengel in Protestbewegungen ein. So kämpfte das Goethe-Institut in Porto Alegre, Brasilien, Seite an Seite mit 50.000 Menschen zum Auftakt des „Weltsozialforums“ 2002 gegen die von den deutschen Monopolen gefürchtete gesamtamerikanische Freihandelszone.[5]

Oft wird in unserem Land die Angst geschürt, dass durch Investitionsschutzabkommen US-Firmen den deutschen Staat verklagen könnten und verlangen könnten, dass die „hohen europäischen Standards“ abgesenkt werden.

Die Wirklichkeit sieht aber so aus, dass kein Land so viele Investitionsschutzabkommen abgeschlossen hat wie die BRD,[6] dass sie damit Länder geknebelt und ihre Souveränität beschädigt hat. Es ist lächerlich, sich jetzt Sorgen über die Souveränität der BRD zu machen. Wer bitte hat denn die Sozialstandards in der BRD, die durch Nachkriegskonjunktur und Existenz der DDR erreicht worden waren, durchlöchert und bis zur Unkenntlichkeit untergraben? Tagelöhner-Verträge, Leiharbeit, ein von vornherein durchlöcherter Mindestlohn, Hartz-Gesetze, gesenkte Renten, Hartz 4 selbst wenn man arbeiten geht, Streichung zahlreicher Krankenversicherungs-Leistungen usw. usw. Das waren keine wildgewordenen US-Konzerne, die uns das eingebrockt haben.

Aber da nun, wie oben schon erwähnt, deutsche Monopole sich lukrative Investitionen in den USA ausrechnen – was wird da eigentlich aus den Standards der amerikanischen Arbeiter? Zum Beispiel: In den USA sind Bewerbungen, wie sie bei uns üblich sind und die an Sklavenbeschau erinnern, verboten.[7] Bewerbungen dürfen keine Fotos, keine Namen, keine Jahreszahlen, die auf das Alter hindeuten, keine Geschlechtsangabe, keinen Familienstand, keinen Hinweis auf die Herkunft enthalten. Das ist eine gute Hilfe gegen die Spaltung und Zersplitterung der Arbeiter. Statt über den drohenden Verlust unserer Standards zu jammern und Forderungen an die USA zu stellen, wie es auch der IG-Metall-Vorstand tut,[8] wäre es doch besser, Solidarität zu üben, Solidarität aller Arbeiter bei uns, Solidarität von „Stammbelegschaft“ mit „Prekären“, Solidarität, gleich ob Mann oder Frau, gleich welcher Herkunft und Hautfarbe… Solidarität auch der deutschen und der US-amerikanischen Arbeiter! Solidarität üben, heißt es auch dann, wenn deutsche Kapitalisten in den USA die Arbeiter entgegen der jetzigen Gesetzeslage (ein Investitionshindernis!) nach Geschlecht, Hautfarbe, Herkunft, Merkmal „alleinerziehend“ und Alter sortieren wollen, damit sie sich in den USA wie zu Hause fühlen können. Kämpfen müssen wir gemeinsam, unsere Kampfmittel, Streiks auch in den Industriebetrieben wieder einsetzen gegen Spaltung und Verelendung, statt uns um die Wettbewerbsfähigkeit unserer Ausbeuter zu sorgen, um Fairness zu betteln und über Standards zu schwafeln, die es so schon gar nicht mehr gibt.

Gegen Regierung und Kapital – darum geht es, darum muss es endlich wieder gehen, vor allem bei den Industriegewerkschaften!

E.W.-P.

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