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Für Dialektik in Organisationsfragen

Solidaritätserklärung:

Die junge Welt zeigt Flagge

Warum Solidarität mit der jungen Welt in der Querfrontfrage dringend geboten ist

Seit Ende des Jahres 2014 ist um die Tageszeitung junge Welt eine mittlerweile sehr scharfe linke Auseinandersetzung entbrannt. Ausgangspunkt waren Bestrebungen verschiedenster Kräfte, die sich in den Montagsmahnwachen zusammengetan haben, über den „Friedenswinter“ linke Bewegungen, Organisationen oder Parteien einzubinden in eine gemeinsame Friedensbewegung jenseits, wie diese Kräfte behaupten, „überholter“ politischer Gegnerschaft zwischen links und rechts. Es geht also um die Frage, wie diese Kräfte und ihre Bestrebungen einzuordnen sind. Verbirgt sich dahinter der Versuch, eine Querfront herzustellen, d.h. unter dem Deckmantel scheinbar gemeinsamer Positionen in die Arbeiterbewegung faschistische Positionen hineinzutragen, sie so zu unterwandern und letztendlich sturmreif zu schießen? Oder aber erfordert der Kampf gegen die inzwischen mit Händen zu greifende Kriegsgefahr ein breites Bündnis der Linken auch mit rechten Kreisen, um überhaupt eine Chance zu haben, einen Krieg abzuwehren? All denjenigen, die einer solchen Zusammenarbeit mit Hinweis auf die Öffnung dieser Bewegung bis weit hinein in faschistische Kreise eine klare Absage erteilen, wird vorgeworfen, die Sache des Gegners zu betreiben. So auch der jungen Welt. Abo-Kündigungen, Drohungen mit Anzeigenboykott gehen einher mit heftigen Vorwürfen, die bis dahin reichen, die junge Welt wäre Teil einer Hetzkampagne gegen die Friedenbewegung oder aber gar vom Gegner gekapert. Die Verwirrung ist perfekt. Doch wer hetzt da?

„Rechts“ und „Links“ – überholt?

Unabhängig von der mühsamen Auseinandersetzung, wer was wann gesagt oder nicht gesagt hat, müssen doch bei jedem Linken schon alleine dann die Alarmglocken klingeln, wenn sich Kräfte in der Frage Krieg und Frieden linken Organisationen oder Bewegungen anbiedern mit der Aussage, die Begriffe „links“ und „rechts“ hätten in der politischen Auseinandersetzung keine Gültigkeit mehr; sie seien abgehalftert und dürften keine Rolle mehr spielen. Was soll das denn heißen? Fortschrittliche demokratische und sozialistische Bewegungen gemeinsam mit rückschrittlichen, den gegebenen Zustand bewahren wollenden? Das aber ist der Hintergrund dieser politischen Einteilung seit der Französischen Revolution, als die fortschrittlichen, antimonarchistischen Parteien im Nationalkonvent links ihre Sitze hatten und diejenigen, die am Feudalismus festhalten wollten, rechts. Heute verbirgt sich hinter der Behauptung, diese Einteilung sei überholt, doch nichts anderes als der Versuch, den unversöhnlichen Widerspruch zwischen der Arbeiterklasse auf der einen und der Kapitalistenklasse auf der anderen Seite zu leugnen zugunsten eines vorgeblich gemeinsamen, nationalen Interesses. Und dieses nationale Interesse bedeutet in imperialistischen Staaten – und in einem solchen Staat leben wir – nichts anderes, als das Interesse der herrschenden Klasse, der Monopolbourgeoisie. Je mehr sich die Widersprüche zwischen den imperialistischen Staaten in ihrem Kampf um Einflusssphären, Absatzgebiete und Rohstoffquellen verschärfen, um so größer ist das Interesse der herrschenden Klasse daran, dass an der Heimatfront „links“ und „rechts“ keine Rolle mehr spielen. Die Arbeiterklasse und damit auch die kleinbürgerlichen Schichten hinter ihre Interessen zwingen zu können, ist die Voraussetzung für die Herrschenden und ihren Staat, um überhaupt Krieg führen zu können. Als Kaiser Wilhelm II. am 4. August 1914 erklärte: „Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche!“ meinte er nichts anderes, als „links“ und „rechts“ spielen keine Rolle mehr. Er konnte sich diese Haltung leisten, hatten die Führer der Sozialdemokratie doch Zustimmung zum Kriegseintritt signalisiert und damit den wohl folgenschwersten Verrat in der Geschichte der Arbeiterbewegung begangen.

Die aggressivste und barbarischte Form, „links“ und „rechts“ aus der Welt zu schaffen, war schließlich die faschistische Volksgemeinschaft. Jeder Widerstand sollte beim zweiten Versuch der deutschen Monopolbourgeoisie, ihren „Platz an der Sonne“ mit Krieg zu erreichen, möglichst im Keim erstickt werden. Hierfür übernahmen die in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts hochgezüchteten Faschisten scheinbar allerlei linke Forderungen der Arbeiterbewegung, um in sie einzudringen, sie so zu schwächen und schließlich zu vernichten.

Die Antwort des im ersten Weltkrieg standhaft gebliebenen Sozialdemokraten Karl Liebknecht auf den Verrat seiner Partei war die Losung „Der Hauptfeind steht im eigenen Land!“ Diese Losung, nichts anderes als die konsequente Handhabung der Beschlüsse der 2. Internationale im Vorfeld des Ersten Weltkrieges auf Deutschland bezogen, hat seitdem nichts an ihrer Richtigkeit verloren. Die Auseinandersetzung darüber in den Gewerkschaften zu führen, die Standortpolitik der Gewerkschaftsführungen zu bekämpften, mit der sie versuchen, die Arbeiterklasse an den Rockzipfel der Bourgeoisie zu ketten und gleichzeitig mit jedem Demokraten den Kampf gegen Krieg und Faschismus zu führen, das ist doch unsere dringende Aufgabe im Kampf gegen den Krieg, und nicht Bündnisse mit Kräften einzugehen, die die Klassenwidersprüche oder gar die Existenz von Klassen leugnen und nach gemeinsamen Schnittmengen zwischen rechts und links suchen. Da landen wir letztendlich – rechts, im Boot der Herrschenden.

„… weshalb wir auch nicht in einer Linie mit dem rheinischen Kapitalismus gegen den US-Imperialismus stehen.“

Umso wertvoller ist es, dass die junge Welt als eine der größten linken Tageszeitungen dieser Republik in dem Artikel „Unbotmäßig berichten“ von Dietmar Koschmieder noch einmal deutlich ihre Haltung klarstellt: „Wir sehen wie W. I. Lenin oder Rosa Luxemburg die einzige Chance für eine friedliche Zukunft darin, den Imperialismus generell zu überwinden, weshalb wir auch nicht in einer Linie mit dem rheinischen Kapitalismus gegen den US-Imperialismus stehen. Dafür aber in einer mit den flüchtenden Arbeitern aus Asien und Afrika: Wir treten für wachsendes Klassenbewusstsein ein, nicht für wachsendes Nationalbewusstsein.[1] Der erste Halbsatz ist sicherlich in der marxistischen Linken kein Grund für größere Auseinandersetzung, sondern der Bezug auf den „Rheinischen Kapitalismus“ und die Frage der Konkurrenz zwischen dem deutschen und dem US-Imperialismus. Als Rheinischen Kapitalismus beschrieb man die Form des Kapitalismus in Westdeutschland nach dem 2.Weltkrieg. Mit Sozialstaatsgesetzen, großer Einheitsgewerkschaft, zeitweilig geringer Arbeitslosigkeit, flächendeckenden Tarifverträgen und weiteren Elementen wurde der Kapitalismus hierzulande kaschiert und, verbunden mit einem geradezu zur Staatsdoktrin erhobenen Antikommunismus, der Arbeiterklasse der Erfolg sozialdemokratischer Politik eingeredet. Der Rheinische Kapitalismus war so vor allem ein Mittel im Kampf der Bourgeoisie gegen die sozialistischen Länder. Die Arbeiterklasse in Westdeutschland sollte davon abgehalten werden, über den Tellerrand des Lohnkampfes hinauszuschauen und ihr so jegliche Solidarität mit den sozialistischen Ländern ausgetrieben werden. Den Arbeitern in der DDR aber sollte ein Kapitalismus vorgegaukelt werden, in dem auch die Arbeiterklasse eine Zukunft hat. Ein Nebeneffekt war, dass damit die westdeutsche Arbeiterklasse auch gegen den US-amerikanischen „Freund“ und Konkurrenten des deutschen Imperialismus in Stellung gebracht werden konnte. Die Betonung der „gemäßigten Ausbeutung“, in welcher für die kapitalistischen Betriebsunfälle und ihre Folgen bestimmte Linderungen versprochen waren, Krankenversicherung für alle, Arbeitslosengeld usw., wurde immer gesetzt gegen den angeblich im Vergleich viel schlimmeren Kapitalismus US-amerikanischer Prägung. Dort galt der Mensch angeblich gar nichts, geschieht die Verwertung des Menschen ohne Gnade oder sozialstaatliches Fußbalsam. Im nächsten Schritt wurde dann argumentiert, dass dieser schlimme, räuberische Kapitalismus des „Uncle Sam“ auf dem Vormarsch in der westlichen Welt ist und sozusagen unseren humaneren, einsichtigeren rheinischen Kapitalisten den Angriff erklärt und der hiesigen Arbeiterklasse gleich mit. Ausgehend von sozialen Elementen des Rheinischen Kapitalismus schipperte man dann folgerichtig in einem Boot mit seinen Ausbeutern über diesen Rhein und von dort expansiv in alle Welt. Als das Boot vom Rhein in den Gewässern der DDR angekommen war und diese schließlich einverleibte, war es mit dem sozialen Fortschritt endgültig vorbei, die drohende Invasion des US-Kapitals wurde auch ohne nennenswerte Fakten weiter propagiert. Soweit Linke dies aufnehmen, ist die Drehung zwangsläufig vollzogen, aus der sozialen Frage ist die nationale geworden, und man hängt am Rockzipfel des deutschen Imperialismus, der mittlerweile Europa mit sogenannten friedlichen Mitteln unterjocht wie nie zuvor.

Weiter erklärt D. Koschmieder in diesem Artikel: „Wir bleiben auf kritischer Distanz zu Bewegungen, die keine allzugroßen Probleme mit Querfrontüberlegungen haben, die nichts gegen jene haben, die rechtsradikal gewendete wie Jürgen Elsässer und die junge Welt in eine Einheitsfront bringen wollen. Die meinen, Antisemitismus sei eine Erfindung der Antideutschen. Die meinen, Klassenpositionen seien Sektierertum, und die damit an die Stelle von Aufklärung und Klarheit Verwirrung und Spaltung setzen. Die nicht an kritischer Diskussion und Widerspruch, sondern an Glaubensbekenntnissen interessiert sind.

Abschließend wird von D. Koschmieder verdeutlicht, dass die junge Welt unbeugsam ihre Linie fortführen wird, und bittet um Unterstützung: „Für manche ist diese kritische Haltung ein Grund, die junge Welt nicht mehr zu lesen, gar zum Boykott aufzurufen. Für viele aber ist sie auch ein Grund, sie jetzt erst recht zu abonnieren. Wir werden auch weiterhin dafür kämpfen, dass die Aufklärung siegt – und freuen uns über jeden, der sich über ein Abonnement mit uns verbündet.“ Liebe Freunde der jungen Welt, macht weiter so und zeigt Flagge!

1 junge Welt vom 2.10.2015, abrufbar unter: http://www.jungewelt.de/2015/10-02/071.php

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